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Angelesen : Angelesen

26.01.2009
2023-08-30T11:23:44.7200Z
4 Min

"Was für ein schöner Sonntag!" - unter diesem idyllischen Titel erschien 1981 der ein Jahr zuvor in Frankreich publizierte Roman des spanischen Schriftstellers Jorge Semprún. Mit Idyll hat dieses Buch jedoch wahrlich nichts zu tun. Es ist "ein Scheißsonntag", ein Sonntag im Dezember 1944 im KZ Buchenwald, in dem Häftling 44904 (S) ums Überleben kämpft. Es ist ein Sonntag im Leben Semprúns, der nach dem Sieg Francos im Spanischen Brügerkrieg mit seiner Familie ins Exil nach Frankreich geht, sich dort 1941 der Résistance anschließt, zwei Jahre später von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert wird.

Ausgehend von seinen Erinnerungen an diesen Sonntag, umfasst Semprúns Roman jedoch nicht nur seinen Überlebenskampf im KZ, sondern bietet einen Rückblick auf sein Leben: von seiner Zeit als Untergrundführer der spanischen Kommunisten bis zum Ausschluss aus der Partei. Es ist eine Abrechnung mit NS-Barbarei und Stalinismus gleichermaßen. Anlässlich seines 85. Geburtstags am 10. Dezember 2008 hat der Suhrkamp Verlag Sempruns Roman in einer Sonderausgabe neu aufgelegt.

Jorge Semprún:

Was für ein schöner Sonntag!

Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2008; 395 S., 15 €

Für die einen ist sie längst zum Kampfbegriff geworden, hinter dem sich ein von selbst ernannten Gutmenschen verordnetes Sprechverbot verbirgt. Für die anderen ist sie der sprachliche Ausdruck einer erhöhten Sensibilität gegenüber allen Formen der Diskriminierung. Ursprünglich in den USA entstanden, hat die "political correctness" längst auch in den deutschen Sprachgebrauch Einzug gehalten und ist zum vieldiskutierten Thema geworden. Der von Lucian Hölscher herausgegebene Band "Political Correctness" zeichnet die Diskussion am Beispiel des Umgangs mit den nationalsozialistischen Verbrechen nach.

Neben informativen Abhandlungen über Sprachkritik und Sprachpolitik bietet der Band einen guten Überblick über die bekanntesten Kontroversen der jüngeren Vergangenheit: angefangen beim Historikerstreit bis hin zur "Tätervolk"-Rede des CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann. Den dritten Teil des Bandes bilden 13 Interviews mit Vertretern aus Politik, Medien, Kirchen und Wissenschaft über ihre eigenen Erfahrungen mit "politisch korrekter" und "inkorrekter" Sprache.

Lucian Hölscher (Hg.):

Political Correctness.

Wallstein Verlag, Göttingen 2008; 228 S., 29,90 €

"Zeremonieller Pomp im Parlament? Glatte Fehlanzeige. Wer den liebt, muss schon nach Frankreich oder England gehen", formulierte Bundestagspräsident Norbert Lammert in einer Rede über die "Würde der Demokratie". "Dort werden (...) die Sitzungen zur Eröffnung des Parlaments in auffälliger Form ,zelebriert'. In Deutschland dagegen sind selbst diese feierlichen Momente (...) schlichte, betont unprätentiöse Veranstaltungen." Das war nicht immer so, wie der faktenreiche wissenschaftliche Sammelband "Das politische Zeremoniell im Deutschen Kaiserreich 1871-1918" zeigt.

In 20 Beiträgen untersuchen die Autoren die unterschiedlichen Aufgaben und Facetten des politischen Zeremoniells im Kaiserreich. - sei es an Kaisers Geburtstag oder beim Stapellauf eines Kriegsschiffs. Im Mittelpunkt stand letztlich immer das Werben der Monarchie um die Loyalität der Untertanen. Oft in direkter Konkurrenz zum Parlament. So war der Einfluss der Abgeordneten auf das Zeremoniell selbst bei der Eröffnungssitzung des Reichtstags im Vergleich zum kaiserlichen Hof höchst gering.

Andreas Biefang, Michael Epkenhans, Klaus Tenfeld (Hg.):

Das politische Zeremoniell im Deutschen Kaiser-reich 1871-1918. Droste Verlag, Düsseldorf 2008; 515 S., 42 €

"Preußen ist wieder sexy", titelte das Magazin der "Süddeutschen Zeitung" im letzten Frühjahr. Vor allem in Berlins besseren Kreisen seien "preußische Tugenden und Disziplin" wieder "in". Zum Glück schenkt man dem 1947 aufgelösten Preußen nicht nur von Seiten eines Bürgertums, das sich in Preußens "Glanz und Gloria" sonnen möchte, wieder erhöhte Aufmerksamkeit. Sondern auch von Seiten seriöser Historiker, deren neueste Forschungen keineswegs das neue Preußen-Gefühl legitimieren, nur weil sie differenzierter über die Herrschaft der Hohenzollern urteilen als ältere Arbeiten.

Die Lektüre der "Geschichte Preußens" von Monika Wienfort würde viele "Borussen"-Fans wieder daran erinnern, dass die preußischen Toleranzedikte nicht allein aus Menschenliebe erlassen wurden, sondern hauptsächlich wirtschaftlich und politisch motiviert waren. Und das Friedrich der Große zwar die "gerichtsförmige Grausamkeit" ablehnte, aber die "Schrecken des Krieges selbstverständlich hinnahm". Die preußische Politik war nicht nur gut oder nur schlecht. genauso wenig wie Preußen nach 1871 mit Deutschland verschmolz. Das kurz und präzise zu schildern, ist die Leistung der Geschichtsprofessorin, die selbstverständlich in Berlin lehrt.

Monika Wienfort:

Geschichte Preußens.

Verlag C.H. Beck, München 2008; 128 S., 7,90 €

"Männer machen die Geschichte", lautete das Credo Heinrich von Treitschkes Ende des 19. Jahrhunderts. Nicht zuletzt wegen dessen hagiographischer Schriften ist dieser geschichtstheoretische Ansatz schon lange verpönt. Frank-Lothar Kroll beweist mit seiner Hohenzollern-Monografie, dass es sich wieder lohnt, die Geschichte eines Herrschergeschlechts zu erzählen. Vorausgesetzt, man lotet den tatsächlichen Einfluss der regierenden Fürsten auf die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen behutsam aus. Genau diese Gratwanderung zwischen biografischer und allgemeiner Geschichte beherrscht der in Chemnitz lehrende Professor meisterlich.

Souverän führt Kroll den Leser durch das dynastische Dickicht des seit dem 11. Jahrhundert im schwäbisch-fränkischen Raum beheimateten Geschlechts hin zum Griff des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. nach der preußischen Königskrone 1701. Seinen Nachfolgern, vom Soldatenkönig bis zu Wilhelm II., lässt er dabei historische Gerechtigkeit widerfahren, indem er ihre Leistungen in punkto Toleranz oder Mäzenatentum ebenso wie ihre Fehlleistungen betreffs Militarismus und Demokratiefeindlichkeit kritisch beleuchtet.

Frank-Lothar Kroll:

Die Hohenzollern.

Verlag C. H. Beck, München 2008; 128 S., 7,90 €