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Die Gesichter des Krieges

USA Geschichten über Amerikas Soldaten im Irak

02.02.2009
2023-08-30T11:23:45.7200Z
2 Min

Man kann den Irak-Krieg anhand nackter Zahlen erzählen: Bis zum Sommer 2008 hatten die USA mehr als 4.100 Tote zu beklagen, hinzu kommen mehr als 30.000 Schwerverletzte und Hundertausende mit psychologischen Störungen. Etwa ein Drittel der rund 1,6 Millionen US-Soldaten, die im Irak eingesetzt wurden, kehren traumatisiert zurück. Soweit die Zahlen. Das deutsche Journalisten-Ehepaar Annett Heide und Jan Wiechmann haben diesen nackten Zahlen Gesichter verliehen. Mit eindrucksvollen Reportagen und Portäts über amerikanische Soldaten, ihre Ehefrauen und Ehemänner, Verwandte, Freunde, Vorgesetzte und Kameraden.

Killermaschine und Weichei

Da ist beispielweise Private First Class Tyrone Roper, MG-Schütze in der 101. Airborne-Divison. Im Frühjahr 2003 ist der Indianer vom Stamm der Saulteaux noch der Held seiner Einheit. Weil er in kurzer Zeit acht Iraker tötete. "Superkrieger", "Killermaschine" "der Unbezwingbare" - so nennen ihn seine Kamerade ehrfurchtsvoll. Und seine Vorgesetzten schlagen ihn für den Bronze Star vor. Sechs Monate später ist er für sie nur noch ein "Durchgeknallter", ein "Weichei" und "Deserteur". Weil er seinen Sergeant verprügelt und seinem Corporal mit dem Tode gedroht hat. Tyrone Roper hat seine Frau und die beiden Kinder verlassen und sich in den kalten Norden Kanadas abgesetzt. Dort opfert er in der Tradition seines Volkes den Geistern der getöteten Iraker Rehe, Biber und Dosenfrüchte, um sie zu besänftigen. "Noch im Sommer 2003 war Tyrone Roper ein Kriegsheld, weil er tötete. Jetzt ist er ein Wrack, weil er tötete. Das ist der Unterschied. Das ist die Geschichte." Es ist eine von elf Geschichten, die Heide und Wiechmann zu erzählen haben. Eine von elf Geschichten, die mehr über den Irak-Krieg aussagen als jede analytische Studie. Elf Geschichten, in denen sie ihren Lesern das Gehörte und Gesehene näher bringen - ohne Partei zu ergreifen, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, ohne falschen Pathos oder Gefühlsduselei.

Das Ehepaar nahm seine Korrespondententätigkeit im März 2003 in den USA zeitgleich mit Kriegsbeginn auf. Über fünf Jahre haben sie ihre Geschichten im ganzen Land recherchiert und geschrieben. Zusammen genommen bilden sie mehr als nur eine lose Abfolge, sondern das Porträt der amerikanischen Nation im Krieg mit all ihren Widersprüchen - zwischen Stolz und Patriotismus, Verzweiflung und Trauer. Heide und Wiechmann präsentieren Journalismus vom Feinsten.

Annett Heide, Jan Wiechmann:

Als Jimmy starb. Wie der Krieg nach Hause kommt.

Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2008; 237 S., 8,90 €