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Philosoph und Pädagoge

Erinnerungen Das Leben des Friedrich Paulsen

16.02.2009
2023-08-30T11:23:46.7200Z
2 Min

Der Philosoph Friedrich Paulsen (1846 - 1908) lehrte an der Berliner Universität Tür an Tür mit Koryphäen wie Mommsen, Ranke und Dilthey, die ihm in kritischer Distanz gegenüber standen und den Massenzulauf zu seinen Vorlesungen neideten. Paulsens "Einleitung in die Philosophie" erlebt 42 Auflagen. Im Sommersemester 1881 hält er zum ersten Mal seine Vorlesung "Die Ethik mit Einschluss der Prinzipien der Staats- und Gesellschaftslehre". Es ist der Beginn praktizierter politischer Bildung in Deutschland.

Sein "System der Ethik" stand in vielen Haushalten als Ratgeber für alle Lebenslagen gleich neben der Bibel und dem Gesangbuch. 1893 wird Paulsen erster deutscher Professor für Pädagogik, bereits um 1900 gehört er zu den bekanntesten Gelehrten in Deutschland, seine Werke werden in alle Weltsprachen übersetzt. Paulsens Schüler Eduard Spranger entwickelt aus seinem Gedankengebäude das Gründungsprogramm der 1918 konstituierten Reichszentrale für Heimatdienst, dem Vorläufer der heutigen Bundeszentrale für politische Bildung.

Das alles kannte und wusste man bisher nur aus der Sekundärliteratur. Hundert Jahre nach Paulsens Tod ist es gelungen, seine Lebenserinnerungen vollständig zu sichten, zu sammeln und in mühsamer akribischer Arbeit wissenschaftlich zu edieren. Thomas Steensen, Direktor des Nordfriesischen Instituts in Bredstedt, und Dieter Lohmeier, langjähriger Direktor der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel, haben sich über ein Jahrzehnt dieser Sisyphusarbeit unterzogen, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Leser erlebt den aus einem nordfriesischen Dorf stammenden und in Berlin zu Berühmtheit und Einfluss gelangten Mann hautnah, bei der Arbeit, in der Familie, mit allen Sorgen und Nöten, auf Reisen in ganz Europa und in seiner Einschätzung der Tagespolitik wie auch der großen historischen Zeitläufe.

Gab es bisher nur den bereits 1909 erschienenen Bericht Paulsens über seine Kindheit, Jugend und Studentenzeit sowie eine 1938 in New York herausgegebene fragmentarische, englische Fassung seiner Erinnerungen, so liegt jetzt, nach der Auswertung, Transkription und historisch-kritischen Kommentierung zahlloser Handschriften, Briefe, autobiografischer "Jahreshefte", Artikel und Analysen, die gesamte Vita des Gelehrten vor. "This is a fascinating book", so hatte es schon 1938 der Friedensnobelpreisträger Nicholas Murray Butler, ein Paulsen-Schüler, nach der Lektüre der New Yorker Ausgabe vor Freude ausgerufen. Für das 70 Jahre später gedruckte Buch gilt dieses Urteil allemal.

Dieter Lohmeier, Thomas Steensen (Hg.):

Friedrich Paulsen. Aus meinem Leben.

Nordfriisk Instituut, Bredstedt 2008; 546 S., 29,80 €