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»Aber kein Erbarmen«

Boxeraufstand Feldpostbriefe deutscher Soldaten

16.02.2009
2023-08-30T11:23:46.7200Z
2 Min

Pardon wird nicht gegeben". Mit diesen martialischen Worten verabschiedete Kaiser Wilhelm II. am 27. Juli 1900 das deutsche Expeditionskorps nach China, das zusammen mit britischen, französischen, amerikanischen und russischen Truppenverbänden den sogenannten Boxeraufstand in China niederschlagen sollte. Die Boxer, eine chinesische Geheimorganisation, die sich gegen den Einfluss und die Einmischung der westlichen Großmächte in China wehrte, hatten das Gesandtschaftsviertel in Peking angegriffen. Dies war der Auslöser für die geballte Militärintervention.

Doch was dachten die rund 22.000 deutschen Soldaten, die im fernen Osten in diesem Kolonialkrieg kämpften. Die Sinologin Dietlind Wünsche ist dieser Frage anhand von Feldpostbriefen der Angehörigen des "Ostasiatischen Expeditionskorps" an ihre Familien in der Heimat nachgegangen. In ihrer soliden wissenschaftlichen Untersuchung präsentiert sie einen Einblick in die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Deutungen des Einsatzes innerhalb der kaiserlichen Truppen, die je nach militärischem Rang und sozialer Herkunft variierten. Durchgängig zeigen die Briefe aber, dass die berüchtigte "Hunnenrede" Kaiser Wilhelms II. bei der Verabschiedung der deutschen Truppen ihre Wirkung nicht verfehlt hatte beziehungsweise lediglich Ausdruck jener imperialistischen Grundeinstellung dieser Tage war, die sich auch in den Einstellungen der einfachen Soldaten spiegelte. So schreibt etwa der Soldat Heinrich Wanrow am 28. September 1900 an seine Mutter: "Da kamen mir grade 3 Boxer in die Finger gelaufen mit Lanzen und Schwertern in den Händen. Sie fielen mir zu Füßen; aber kein Erbarmen. Zwei erschlug ich und der 3te wollte ausrücken, den habe ich erschossen, die Lanzen und Schwerter abgenommen."

Auffällig ist, dass die Soldaten in den meisten Fällen auch nicht zwischen Boxern, regulären chinesischen Soldaten und Zivilisten unterschieden. Das Feindbild, so wie es Wilhelm II. in seiner Rede vorgegeben hatte, war bei der Masse der Soldaten akzeptiert: der Chinese, den es zu unterwerfen galt.

Dietlind Wünsche:

Feldpostbriefe aus China.

Ch. Links Verlag, Berlin 2008; 479 S., 39,90 €