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Die starke Hand aus London

MEDIENKONTROLLE In Großbritannien beaufsichtigt eine nationale Medienaufsicht den Fernsehmarkt

23.02.2009
2023-08-30T11:23:47.7200Z
3 Min

Zwischen mehr als 410 Fernsehkanälen kann der Deutsche jetzt schon wählen, wenn er über die entsprechende Technik verfügt. Greift die Digitalisierung weiter um sich, wird das Angebot noch vielfältiger. Schon jetzt droht manch einem der Überblick zu entgleiten. Und die Kontrolle? Selbst aus der Politik kommt die Forderung nach zentraleren Strukturen, einer Medienaufsicht der Länder. Immerhin rühmt man sich dort, mit dem 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag viele Entscheidungen von 14 Landesmedienanstalten in einer "Kommission für Zulassung und Aufsicht" (ZAK) gebündelt zu haben. Medienpolitik und Medienrecht hierzulande werden in ihrer Kompliziertheit nur vom Steuerrecht übertroffen und sind in Teilen ein Auslaufmodell, unken die einen. Viele davon schauen neidvoll auf Großbritannien, wo das Office of Communications (Ofcom) als zentrales Aufsichtsgremium agiert. Geht nicht, heißt es Deutschland, wo auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern verwiesen wird.

Britische Superbehörde

Die Ofcom nahm im Dezember 2003 auf der Grundlage des von der Blair-Regierung verabschiedeten Communications Act ihre Tätigkeit auf. Die neue "Superbehörde" bündelt die Aufgaben, für die zuvor fünf andere Aufsichtsbehörden zuständig waren. Dazu zählen das Office of Telecommunications (Telekommunikationsregulierung), der Broadcasting Standards Council (Programmbeschwerden), die Independent Television Commission (zuständig für das Privatfernsehen) sowie zwei Behörden, die für den Hörfunk verantwortlich zeichneten.

Die Schaffung der Ofcom wird in Großbritannien als ein Grund dafür angesehen, weshalb der britische Fernsehmarkt im europäischen Vergleich technologisch und wirtschaftlich ganz vorn rangiert. Die Digitalisierung soll bis 2012 in Großbritannien abgeschlossen sein. 2008 schauten bereits 88 Prozent der Briten digitales TV. War das vor einigen Jahren vornehmlich Pay-TV über Satellit, sorgte die im Oktober 2002 gestartete DVB-T-Plattform "Free View" für den Durchbruch des digitalen Free-TV in Großbritannien. Die Reichweite der Plattform lag im vergangenen Jahr bei rund 16 Millionen Haushalten. Nur drei Millionen Zuschauer waren 2008 noch analog über die Hausantenne auf Empfang.

Neben "Free View" ist vor allem der Empfang über Satellit populär, wo der Zuschauer zwischen bis zu 180 Kanälen auswählen kann. Großbritanniens größter Pay-TV-Anbieter BSkyB startete 1998 die Verbreitung seines digitalen Fernsehbouquets "Sky Digital". Seit 2004 bzw. 2006 sind dort auch die Programme der öffentlich-rechtlichen BBC und des privaten Konkurrenten ITV unverschlüsselt über Satellit zu empfangen.

Die Ofcom ist anders als die Landesmedienanstalten in Deutschland für alle Sender zuständig - wenn auch nicht gleichermaßen. Bei der BBC wird sie in Wettbewerbsfragen oder der Überwachung von Programmquoten tätig. Geprüft wurde zum Beispiel, welche Auswirkungen die von der BBC geplanten Abrufdienste im Internet auf den Markt haben.

"Mir fällt es schwer, zu begreifen, wie man Rundfunk nur auf regionalem Level regulieren soll", erklärte etwa Tim Suter, bis Ende 2007 Mitglied des Content Boards der Ofcom. "Wenn Fernsehen mit Kabel oder Satellit überall zu empfangen ist, sollte man Regulierung auf der höchstmöglichen Stufe ansiedeln. Bei uns funktioniert das sehr gut auf nationalem Level", meint Suter.

Rund 800 Mitarbeiter sind bei der Behörde beschäftigt, die im aktuellen Haushalt über ein Jahresbudget von 133,7 Millionen Pfund verfügt. Das Geld kommt aus Lizenzgebühren der Rundfunk- und Telekommunikationsdiensteveranstalter und aus einem Zuschuss des Handels- und Industrieministeriums zur Regulierung und Verwaltung des Frequenzspektrums. Hauptaufgaben der Ofcom sind die Vergabe von Lizenzen an kommerzielle Anbieter, Medienforschung, das Erstellen von Regeln sowie die Beobachtung des Wettbewerbs. Geleitet wird die Instanz von den neun Mitgliedern des Ofcom Boards.

Laut Statut ist die Ofcom beauftragt, den Interessen der Bürger und Verbraucher zu dienen, indem sie den Wettbewerb fördert und den Verbraucher vor Schaden durch beleidigendes oder anstößiges Material schützt. "Unsere Philosophie heißt Wettbewerb", beschrieb Tim Suter diesen Ansatz. "Wir wollen, dass der Markt sich selbst regelt, soweit dies möglich ist."

Anlaufstelle für Beschwerden

Auch als Beschwerdeinstanz dient die Ofcom. Grundlage ist der "Broadcasting Code", in dem die Prinzipien medialen Arbeitens für alle Fernseh- und Radiosender aufgeschrieben sind. Verstößt ein Sender gegen die Vorgaben, kann dies mit Geldbußen geahndet werden. Im Juni 2007 wurde das private Five zu einer Rekordstrafe von 300.000 Pfund verurteilt, weil der Sender die Gewinner im Quiz "Brainteaser" gefälscht hatte. Auch die BBC bekam 2007 erstmals eine Geldstrafe wegen Betrugs bei einem Gewinnspiel in der Kindersendung "Blue Peter". Die Regulierungsbehörde versteht sich als technik- neutral und greift nach eigenen Angaben nur dort ein, wo der Wettbewerb ein politisch erwünschtes Ergebnis offenkundig verfehlt.

Vera Linß ist Medienjournalistin in Berlin.