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Angelesen : Angelesen

23.03.2009
2023-08-30T11:23:50.7200Z
3 Min

Zu den Autoren, die die wenig bekannte Entwicklung im Nachkriegs-Serbien darlegen, gehört der Historiker Aleksa Djilas, Sohn des Dissidenten Milovan Djilas. Ihn interessiert, warum viele serbische Intellektuelle so hartnäckig an ihrem Nationalismus festhielten. Selbst für liberale Serben war der Zerfall der Föderation ein Trauma. Der Westen habe übers Ziel hinausgeschossen, indem er sich nicht nur gegen Slobodan Milosevic, "sondern auch gegen legitime nationale Interessen der Serben" wandte, so Djilas. Der Westen habe Serbien dämonisiert.

Auch wenn der Autor sich selbst als Anhänger des europäischen Liberalismus bezeichnet, kritisiert er die westlichen Demokratien scharf, weil sie das Blutvergießen in Jugoslawien nicht verhindert hätten. Dadurch, dass die Nato im Kosovo gegen den "brutalen serbischen Nationalismus" vorgegangen sei, habe sie den Sieg des albanischen Nationalismus erst ermöglicht. Djilas ist davon überzeugt, dass die Serben ohne das Kosovo und seine Klöster "nicht nur geistig verarmen" werden. Es werde jetzt auch sehr viel schwieriger, "sie für die moderne Demokratie zu gewinnen".

Jens Becker, Achim Engelberg (Hg.):

Serbien nach den Kriegen.

Edition Suhrkamp, Frankfurt/M. 2008; 355 S., 13 €

Zum ersten Mal wird so umfassend über die Geschichte und Gegenwart des umkämpften Kosovos berichtet. Den serbischen und albanischen Nationalisten dürfte das Buch kaum gefallen, denn Oliver Jens Schmitt versucht, beiden Parteien Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, indem er "jede Einseitigkeit" zu vermeiden sucht. Dies zeigt sich auch darin, dass er beiden Völker ein "historisches Recht" auf die frühere serbische Provinz zugesteht.

Zugleich weist der Autor darauf hin, dass die Unruhen, die 1981 im Kosovo ausbrachen und die den späteren Widerstand entscheidend prägen sollten, auf eine Provokation der Volksrepublik Albanien zurückgingen. Deren erklärtes Ziel war es, Jugoslawien weiter zu destabilisieren. In seiner brillanten Analyse der kurzen Geschichte des internationalen Protektorats (1999 bis 2008) kommt Schmitt zu dem Ergebnis, dass die Unabhängigkeit die 100-jährige "Kosovo-Frage" nicht lösen werde. Allenfalls werde ein neues Kapitel der serbisch-albanischen Konfrontation aufgeschlagen. Eine erneute Zuspitzung des Konflikts zwischen den beiden Nachbarn könne nur die Nato verhindern, indem sie alle Balkan-Staaten als Mitglieder akzeptiere.

Oliver Jens Schmitt:

Kosovo. Kurze Geschichte einer zentralbalkanischen Landschaft.

Böhlau Verlag, Köln 2008; 393 S., 24,90 €

Führen Demokratien weniger Kriege als autokratische Regierungssysteme? Eindeutig nein, meint der Berliner Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel in seinem Beitrag des Sammelbandes "Externe Faktoren der Demokratisierung". Denn auch Demokratien führen Angriffskriege. Besonders aktiv seien die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien, aber auch die Hegemonialmacht USA: so gingen zwischen 1946 und 2004 die USA 14 Mal, Frankreich achtmal und Großbritannien siebenmal militärisch gegen andere Staaten vor.

Dienen Kriege als Geburtshelfer von Demokratien? Die Statistik beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja: In der Regel zwinge nur eine Niederlage autokratische Regime zum Verzicht auf die Macht. Abgelöst würden sie dann oft von demokratischen Systemen. Allerdings zweifelt Merkel an der Stabilität von gewaltsam eingeführten Demokratien. Nach Analyse der humanitären und demokratischen Interventionen kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass Amerikaner und Briten nach der Eroberung des Irak zu einer "gerechten Besatzung" verpflichtet seien. Ein frühzeitiger Abzug wäre eine "flagrante Verletzung" dieser Nachkriegspflichten.

Gero Erdmann, Marianne Kneuer (Hg.):

Externe Faktoren der Demokratisierung.

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2008; 340 S., 59 €