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Das Ende des Laienspiels

Medien Wer kontrolliert die Öffentlich-Rechtlichen? Ein gelunges Kompendium zu einer aktuellen Debatte

30.03.2009
2023-08-30T11:23:51.7200Z
3 Min

Anfang 2007 stieß der Branchendienst epd medien eine Debatte über die Zukunft des Gremien-Systems der öffentlich-rechtlichen Sender an. Vorausgegangen war der Einstellungsbeschluss zu jenem Beihilfeverfahren vor der EU-Kommission, dessen Auswirkungen auf die Novellierung des Rundfunkstaatsvertrages 2008 in Sachen Internet zu einem erbitterten Streit zwischen deutschen Verlegern und öffentlich-rechtlichen Sendern führten.

Die EU-Kommission in Brüssel hatte der Bundesrepublik Deutschland mitgeteilt, sie bezweifele, "dass die anstaltsinternen Kontrollorgane allein die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags wirksam überwachen können". Der Umstand, dass Rundfunk und Fernsehrat gleichzeitig dafür zuständig seien, die Befolgung der von ihnen zuvor selbst festgelegten Regeln und Leitlinien zu überprüfen, könne zu einem Interessenkonflikt führen. Einer der gefundenen Kompromisse verlangte, dass den Gremien die Prüfung der zukünftigen digitalen Dienste von ARD, ZDF und Deutschlandradio obliegen soll.

Werden die Gremien ihrer erweiterten Verantwortung gerecht? Was lehren die Defizite der Vergangenheit für eine sachgerechtere Kontrolle? Lässt sich der ehrenamtliche Apparat der bisherigen Rundfunkaufsicht professionalisieren? Diese und andere Fragen richtete epd an Medienpolitiker, Gremienmitglieder, Wissenschaftler, Senderverantwortliche und Vertreter privater Medien. Alle Autoren erhielten genügend Platz, um mehr als zuspitzende Anmerkungen zu veröffentlichen. Dadurch entstand ein gut lesbares Kompendium, das wohltuend sachlich auf breiter argumentativer Basis informiert und zudem für die längst nicht beendete Debatte munitioniert.

Ungute Nähe

Viel wird über den vom SPD-Medienpolitiker Jan Marc Eumann vorgeschlagenen ARD-Rat diskutiert, der mehrheitlich verworfen wird. Auffällig häufig wird das Rundfunkratsystem zunächst hoch gelobt, um anschließend mit Verbesserungsvorschlägen genau das zu zementieren, was seit Jahren und ganz ohne Intervention der EU-Kommission gerügt wird: Die jetzige Arbeitsweise der Rundfunkräte zeichnet sich durch mangelhaftes Expertenwissen und eine sehr ungute Nähe zu den Sendern und deren Intendanten aus, die eigentlich unabhängig kontrolliert werden sollen.

Natürlich betreiben die Autoren auch Parteipolitik. Beim für die Koordinierung der Medienpolitik der Länder zuständigen Martin Stadelmaier wird man den Eindruck nicht los, er halte die Kritik am Gremiensystem vorwiegend für ein Problem der öffentlichen Wahrnehmung, das mit besserer PR gelöst werden könnte. Der Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz lobt Kurt Beck so intensiv, dass man meinen könnte, er nutze das Podium zur Imagepflege für seinen Boss. Der MDR-Intendant Udo Reiter hält den Erfolg des Rundfunkratssystems für erwiesen - und lässt sich offenbar nicht beirren von den zuvor wiederholt erwähnten Affären der vergangenen Jahre, bei deren Aufdeckung die Rundfunkräte eher nicht auffielen. Die selektive Wahrnehmung der wesentlichen Protagonisten ist allerdings ebenfalls sehr aufschlussreich.

Formalistisch argumentiert der ehemalige ARD-Vorsitzende Fritz Raff. Der SWR-Intendant behauptet einfach, eine Änderung der Kompetenzen verstieße gegen die Rundfunkfreiheit. Dazu führt er die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im 4. Rundfunkurteil an, vergisst aber, anzumerken, dass das höchste Gericht damals sagte, zur Sicherung der Vielfalt "kann der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende ‚binnenpluralistische' Struktur vorsehen". Andere Strukturen sind eben nicht ausgeschlossen.

Qualitätssicherung

Herausragend sind die Beiträge des Medienforschers Hans Mathias Kepplinger und des pensionierten Deutschlandradio-Intendanten Ernst Elitz, die beide auf unterschiedliche Art nachprüfbare Kriterien für die Qualitätssicherung andenken. Kepplinger entwirft ein konzises Instrumentarium zur Professionalisierung der Arbeit der Rundfunkräte, die er in ihrer Funktion als Interessenvertreter gesellschaftlicher Gruppen grundsätzlich für nicht ersetzbar hält. Zudem weist er auf eine wesentliche Leerstelle der Kontrolle hin: "Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben sich (...) zu tief gestaffelten Konglomeraten aus öffentlich-rechtlichen Dachorganisationen mit privaten Tochterunternehmen entwickelt." Und die entzögen sich der Kontrolle durch die Gremien.

Der Praktiker Elitz zieht aus der Debatte um die Boulevardisierung von ARD und ZDF den Schluss, dass eine Evaluierung der Programmangebote nach den gleichen Kriterien für beide Säulen des dualen Systems vorgenommen werden sollte. Nur dadurch ließen sich die Vorwürfe der "Abwärtskonvergenz" widerlegen. Diese Theseklingt aus öffentlich-rechtlichem Munde fast revolutionär. Der akute Mangel an Sachverstand zur Lösung der komplexen Aufgaben müsse durch die Hinzuziehung externer Experten ausgeglichen werden. Auch damit rührt der DR-Intendant an ein Kasten-Tabu.

Nach den krawalligen Auseinandersetzungen des vergangenen Jahres mutet die Reflektiertheit der meisten Beiträge fast wie eine Ehrenrettung für die politische Kultur an. Wenn die Autoren sich direkt aufeinander beziehen, wird es zuweilen richtig spannend, da die Entwicklung der Argumentation verfolgt werden kann. Herausgeber Volker Lilienthal, hat dazu eine pointierte Einleitung verfasst.

Volker Lilienthal (Hg.):

Professionalisierung der Medienaufsicht.

VS Verlag,

Wiesbaden 2009; 190 S., 19,90 €