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Zu viel Geld auf der Welt

FINANZPOLITIK Euro-Menge wächst rasant. Eine Reduzierung könnte aber die Krise verschlimmern

20.04.2009
2023-08-30T11:23:54.7200Z
3 Min

Kleinste numerische Einheit bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise ist inzwischen die Milliarde. Für die deutschen Banken stehen 480 Milliarden Euro bereit, die Wirtschaft könnte aus einem 100-Milliarden-Programm der Bundesregierung schöpfen (hält sich aber bisher zurück). Und die wirtschaftsstärksten Länder dieser Erde (G 20) beschlossen auf ihrem Gipfel in London, den Internationalen Währungsfonds (IWF) ganz schnell mit 750 Milliarden US-Dollar auszustatten, damit der IWF genug Bares hat, um wirtschaftlich darbende Länder mit Finanzspritzen wieder aufzupäppeln. Doch ein beinahe vergessenes Gespenst meldet sich zurück: Die Angst vor einer Inflation, die nicht nur den Euro-Raum, sondern das gesamte Weltwährungssystem betreffen könnte. "Ich habe immer darauf aufmerksam gemacht, dass nicht am kurzen Ende, aber nach Überwindung der Rezession in meinen Augen das Phänomen der Inflation das größere Problem sein könnte", erklärt Finanzminister Peer Steinbrück (SPD).

Inflationsproblem

Grund sei die enorme Liquidität, die in die Märkte gepumpt worden sei. "Ich fürchte, mittelfristig wird uns das Inflationsproblem viel stärker beschäftigen", so Steinbrück. Der Trend der wachsenden Geldmenge ist nicht neu und hat seine Ursache keinesfalls in der Wirtschaftskrise. Wie aus der Antwort der Bundesregierung (16/12161) auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervorgeht, ist die Geldmenge "M3" im Euro-Raum schon seit 1999 um jahresdurchschnittlich 7,5 Prozent gewachsen. Trotz der Zinserhöhungen von Dezember 2005 bis Juli 2008 habe die Geldmenge "M3" in den letzten Jahren sogar zweistellige Jahreswachstumsraten erreicht. Diese Rate habe in der Spitze im Oktober 2007 bei 12 Prozent gelegen. Derzeit habe sich der Zuwachs der Geldmenge deutlich abgeschwächt und im Januar dieses Jahres bei 5,9 Prozent gelegen. Damit war das Geldmengenwachstum erheblich höher als das von der Europäischen Zentralbank (EZB) festgelegte Geldmengenziel von plus 4,5 Prozent pro Jahr.

Als Geldmenge "M 1"wird nach einer Definition der Bundesbank der Bargeldumlauf plus täglich fällige Einlagen von Nicht-Banken bezeichnet. Bei "M2"und "M3" kommen noch verschiedene Einlagen mit unterschiedlichen Kündigungszeiten sowie Fonds hinzu. Die Geldmenge erhöht sich, wenn Banken Geld ausleihen. Das müssen sie sich wiederum bei der Zentralbank ausleihen.

Die Zentralbank kann unter anderem durch Zinsänderungen das Geld knapp halten oder die Schleusen öffnen. Derzeit sind bei einem historisch niedrigen EZB-Zinssatz von 1,25 Prozent die Schleusen sehr weit geöffnet. Zu den wirtschaftlichen Widersprüchen gehört aber auch die Erkenntnis, dass Unternehmen trotz günstiger Zinssätze Probleme bei der Refinanzierung haben, also zu wenig Geld von den Banken bekommen. Andererseits sind die Preissteigerungsraten im Moment weltweit stark rückläufig, so dass in den USA schon vor einer Deflation gewarnt wurde.

Angesichts der konjunkturellen Abwärtsbewegung erscheint der Bundesregierung eine Reduzierung der Geldmenge "zum aktuellen Zeitpunkt als nicht angemessen". Sobald die wirtschaftliche und finanzielle Lage eine Reduzierung zulasse, könne die Bankenliquidität schrittweise reduziert werden. Von den Konjunkturprogrammen werde aber keine Beschleunigung der Inflation ausgehen, teilt die Bundesregierung weiter mit.

Geldschöpfung

Wie Steinbrück sieht auch der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Jürgen Stark, Gefahren für die Geldwertstabilität. Es handele sich um "reine Geldschöpfung", kritisierte Stark die Beschlüsse des G 20-Gipfels. Das Geld müsse bei einem Aufschwung sofort wieder aus dem Wirtschaftskreislauf gezogen werden, damit es nicht zu einem Inflationsschub komme. "Wenn man das Feuer löscht, muss man aufpassen, dass der Wasserschaden am Ende nicht größer ist als der Schaden, den der Brand angerichtet hat", warnte der EZB-Chefvolkswirt.

Den Euro sieht die Bundesregierung nicht in Gefahr. Die Wirtschafts- und Währungsunion der vergangenen zehn Jahre werde allgemein als Erfolg bewertet. "Die gemeinsame Währung hat sich dabei insbesondere als Stabilitätsanker erwiesen", heißt es in der Antwort auf die FDP-Anfrage. Die Attraktivität der Währung werde auch am Interesse weiterer Länder sichtbar, die der Euro-Währung beitreten wollen. Die gemeinsame Währung und auch die Geldpolitik seien auf Dauer angelegt, betont die Regierung in der Antwort. "Eine Stellungnahme zu hypothetischen Überlegungen wie dem Auseinanderbrechen der Gemeinschaftswährung lehnt die Bundesregierung daher ab", wird auf die Frage der FDP-Fraktion erklärt, die sich nach der Vorsorge für den Fall des Auseinanderbrechens der Euro-Währung erkundigt hatte.