Piwik Webtracking Image

Berliner Antwort auf den Amoklauf

WAFFENRECHT Dem Winnender Aktionsbündnis reichen geplante Änderungen nicht

15.06.2009
2023-08-30T11:23:58.7200Z
4 Min

Müssen Sportschützen mit großkalibrigen Waffen schießen dürfen? Wie rigoros sollen Waffenbesitzer kontrolliert werden? Schränken Waffenkontrollen Freiheitsrechte ein? Bevor am 18. Juni der Bundestag eine Änderung des Waffengesetzes berät, dürfte die Diskussion über den Sinn einer Gesetzesverschärfung noch einmal hochkochen. Sport- und Vereinsschützen fühlen sich kriminalisiert, Angehörige von Opfern des Amoklaufs in Winnenden halten die geplanten Änderungen für zu lasch. Dabei waren es nicht zuletzt die Eltern der am 11. März ermordeten Schüler und Lehrkräfte, die für eine erneute Gesetzesänderung gesorgt haben.

Nachdem ein 17-jähriger Schüler der Albertville-Realschule Winnenden 15 Menschen und sich selbst erschossen hatte, war das Entsetzen deutschlandweit groß. Drei Monate nach der Tat erlischt das Interesse langsam - jedenfalls, wenn man sich von der schwäbischen Kleinstadt entfernt. "Das ist sicherlich auch normal", sagt Gisela Mayer, die bei dem Amoklauf ihre Tochter Nina, Referendarin an der Albertville-Realschule, verloren hat. "Aber hier in der Region sind die Menschen weiterhin sensibilisiert."

Wille zur Veränderung

Musikvereine richten Benefizkonzerte zugunsten der Realschule aus, deren Schüler derzeit in Containern unterrichtet werden. Die örtliche Zeitung berichtet ausführlich über das Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden, in dem sich acht Familien von Opfern des 11. März zusammengeschlossen haben. Gisela Mayer, von Beruf Dozentin für Psychologie, Ethik und Philosophie, ist nun Pressesprecherin des Bündnisses. Die schlanke Frau in Nadelstreifenhose und Jeansblazer gibt Interviews, fährt zu Podiumsdiskussionen, schreibt Briefe. "Wir wollen etwas verändern in der Gesellschaft", sagt sie, nachdem sie ein Fernsehteam aus dem Büro des Bündnisses verabschiedet hat.

Schärferes Gesetz

In diesem Büro hat Hardy Schober als freiberuflicher Finanzberater gearbeitet, nun ist er Vorsitzender des Aktionsbündnisses. Schober trauert um seine 14-jährige Tochter Jana. Wie es ihm gehe? "Den Umständen entsprechend." Er will lieber über die Gesetzesänderung reden. Ebenso wie Gisela Mayer. Im Aktionsbündnis gehe es nicht um die Verarbeitung der Trauer, sagt sie. "Das passiert in einem anderen Kreis." Hier wolle man aktiv sein, Einfluss nehmen. "Wenn die Politiker glauben, sie hätten es mit ein paar jammernden und trauernden Eltern zu tun, die sich schon wieder beruhigen werden, irren sie", macht Mayer deutlich. Das Aktionsbündnis fordert eine Verschärfung des Waffenrechts und ein Verbot von Killerspielen. Das, was die Koalitionsfraktionen im Rahmen der Novellierung des Sprengstoffgesetzes (16/12597) beschließen wollen, reicht den Eltern nicht aus.

Die Änderung sieht unter anderem vor, dass die Behörden nicht nur die Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern kontrollieren, sondern auch, ob der Grund für den Waffenbesitz noch vorliegt. Um das Anlegen von Waffenarsenalen zu verhindern, sollen Sportschützen nachweisen, dass sie mit zusätzlichen Waffen regelmäßig an Wettkämpfen teilnehmen. Zur Überwachung, ob Waffen und Munition wie vorgeschrieben aufbewahrt werden, sind unangemeldete Kontrollen vorgesehen. Um das Grundrecht auf die Unantastbarkeit der Wohnung zu gewährleisten, dürfen gegen den Willen des Waffenbesitzers die Wohnräume jedoch nur "zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit betreten werden", wie es in der Vorlage heißt. Zudem kann die unsachgemäße Aufbewahrung von Waffen strafbar werden. Der Entwurf sieht weiterhin vor, die Altersgrenze für das Schießen mit großkalibrigen Waffen auf einem Schießstand von 14 auf 18 Jahre anzuheben. Und bis 2012 soll, wie von der EU vorgeschrieben, ein zentrales nationales Waffenregister eingeführt werden. Derzeit sind in Deutschland mehr als 500 Stellen für die Erfassung und die Kontrolle von Waffenbesitz zuständig.

Das Gesetz sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Schober. "Aber es reicht nicht aus." Das Bündnis fordert das generelle Verbot großkalibriger Waffen. Eine solche - eine Beretta 92-FS 9 Millimeter - hat der Täter von Winnenden benutzt. Für Schober stellt sich die Frage: "Wofür braucht man solche Waffen? Olympische Disziplinen damit gibt es nicht." Ein zweiter zentraler Kritikpunkt ist die Aufbewahrung: "In privaten Haushalten müssen gar keine Waffen herumliegen." Denn kontrollieren könne man die vorschriftsmäßige Aufbewahrung zu Hause bei 3,6 Millionen Besitzern von legalen Waffen sowieso nicht. "Wer soll das denn machen?" So sehen es auch die Grünen und haben deswegen einen Antrag (16/12477) eingebracht, mit dem die Lagerung von Sportschusswaffen und Munition in Privatwohnungen verboten werden soll.

Effektivere Strafen

Vor der Debatte ist das Aktionsbündnis zu einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am 15. Juni eingeladen. "Endlich", meint Gisela Mayer. "Bislang ist die Politik überhaupt nicht auf uns zugekommen." Sie hofft noch auf einige Verbesserungen: "Zum Beispiel könnte man ganz einfach den Waffenbesitz an eine Einwilligung zur unangemeldeten Wohnungskontrolle koppeln. Das halte ich für zumutbar und umsetzbar." Auch die Strafbewehrung für unsachgemäße Aufbewahrung will Mayer effektiver gestaltet sehen: "Wenn jetzt auf einem Küchentisch eine Waffe entdeckt wird, muss erst nachgewiesen werden, dass jemand damit eine Straftat begehen wollte. Ich denke, alleine das Herumliegenlassen müsste strafbar sein." Auch müsse regelmäßig geprüft werden, ob überhaupt noch im Sportverein geschossen werde: "Der Vater des Täters in Winnenden war gar nicht mehr aktiv, hatte aber mehrere Waffen zuhause."

Doch selbst wenn diese kleinen Veränderungen in das neue Gesetz aufgenommen würden, werden die Eltern von Winnenden weiter machen. Seit Monaten sammeln sie Unterschriften für das Verbot großkalibriger Waffen für Privatpersonen sowie für das Verbot von Faustfeuerwaffen in Wohnungen. "Am 26. September schließen wir die Liste, anschließend werden wir eine entsprechende Petition in den Bundestag einbringen. Wir wollen etwas verändern", macht Hardy Schober deutlich.