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Aus Plenum und Ausschüssen : »Wachsendes latentes Liquiditätsrisiko« bei HRE-Tochter

15.06.2009
2023-08-30T11:23:59.7200Z
3 Min

HRE-AUSSCHUSS

Stoff für die Kontrahenten aller Seiten: So lässt sich die bisherige Arbeit des Untersuchungsausschuss bilanzieren, der die Vorgänge um die mit fast 90 Milliarden Euro Staatsgarantien gestützte Krisenbank Hypo Real Estate (HRE) aufklären soll. Eines haben die Zeugenvernehmungen offengelegt: Schon vor dem HRE-Beinahekollaps im Herbst 2008 gab es bei der irischen Tochter Depfa, deren Schieflage im September das Debakel der Mutter-Holding wesentlich verursacht hat, massive Probleme beim Risikomanagement, auch waren die Liquiditätsreserven der HRE sehr knapp bemessen. Dadurch sieht sich die Opposition in ihrer Überzeugung bestätigt, dass Bankenaufsicht und Finanzministerium unter Ressortchef Peer Steinbrück (SPD) angesichts der Alarmzeichen ein frühzeitiges Eingreifen das HRE-Desaster hätten verhindern oder zumindest abmildern können.

Doch die bislang befragten Mitarbeiter von Bundesbank und Bafin haben auch dies unterstrichen: Die Depfa kam nicht wegen ihres riskanten Geschäftsmodells ins Strudeln, sondern wegen des Zusammenbruchs des Interbankenmarkts nach der unvorhersehbaren Pleite von Lehman Brothers. SPD-Obfrau Nina Hauer verweist denn auch vor vielen TV-Kameras unermüdlich auf solche Aussagen, um Steinbrück aus der Schusslinie zu nehmen.

Futter für alle Konfliktparteien lieferte auch die Sitzung des Gremiums am 4. Juni. Stefan Schrader, der bei der Bafin mit der Kontrolle von Pfandbriefbanken befasste Referatsleiter, erläuterte den Abgeordneten, dass die Depfa ihr Geschäftsmodell einer kurzfristigen Refinanzierung langfristiger Engagements bei Staatsfinanzierungen "besonders aggressiv" betrieben habe. Bei der HRE-Tochter sei ein "wachsendes latentes Liquiditätsrisiko" zu konstatieren gewesen, so Schrader. Solche und andere Probleme wurden offenbar, als die Bundesbank im Auftrag der Bafin im Frühjahr 2008 eine Sonderprüfung vornahm, die nach ersten Warnmeldungen der HRE-Spitze vom Januar veranlasst worden war. Seit Mitte März 2008 ließ sich die Bafin täglich Berichte zur Liquiditätslage übermitteln. Beim Durchspielen von Stress-Szenarien, das sind theoretische Modellrechnungen, zeigte sich laut Schrader, dass die liquiden Mittel der HRE im schlimmsten Fall nicht einmal 20 Tage zum Überleben gereicht hätten. Er führte weiter aus, dass man auf "erhebliche Mängel" beim Depfa-Risikomanagement gestoßen sei. Deshalb habe die Bafin Ende Juli 2008 bei einem Gespräch mit der HRE-Führung "Tacheles geredet" und Auflagen zur Beseitigung der Missstände verhängt. Zudem sei für Anfang 2009 eine Nachprüfung geplant gewesen.

Insbesondere die Obleute der Opposition Volker Wissing (FDP), Axel Troost (Die Linke) sowie Gerhard Schick (Grüne) verfolgten all diese Erklärungen höchst interessiert: Sprach da ein Kronzeuge der Kritiker von Bankenaufsicht und Minister Steinbrück? Der Auftritt Schraders wie auch von Sabine Lautenschläger-Peiter, der bei der Bafin für die Bankenüberwachung zuständigen Direktorin, lässt sich indes auch anders deuten. Beide betonen, dass die Schieflage der Depfa allein durch das Fiasko von Lehman Brothers ausgelöst worden sei, wodurch die kurzfristige Refinanzierung, von der die HRE-Tochter abhängig war, zusammengebrochen sei. Und die Lehman-Pleite samt schlagartiger Austrocknung des Interbankenmarkts - und damit der schlimmste Fall - seien nun mal nicht vorhersehbar gewesen. Schrader: "Diese Weitsicht hatte niemand."

Zwar sei die kurzfristige Geldbeschaffung wegen der Verwerfungen auf dem Kreditmarkt schon seit Frühjahr 2008 schwieriger geworden, sagte Schrader, doch habe die Refinanzierung der Depfa bis zum September stets funktioniert. Bafin und Bundesbank seien also bei der Kontrolle von HRE und Depfa keine Versäumnisse vorzuwerfen. Mit einem klaren Nein beantwortete Schrader daher die von ihm rhetorisch gestellte Frage, ob die Bankenaufsicht im Fall HRE geschlafen habe.