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Vom Billigsekt bis zum Champagner

Werbung Die Mittelschicht lässt sich nicht mehr in einfachen Bildern abbilden

14.09.2009
2023-08-30T11:24:07.7200Z
2 Min

Die Werber fürchten bislang nicht um den Verlust der Mittelschicht. Aus ihrer Sicht verlagert sich in der Gesellschaft nur, was heute die Mitte ausmacht. "Beim Urlaub ist die Mitte heute nicht mehr Mallorca, sondern Boltenhagen", sagt Mark Schwieger, Geschäftsführer der Werbeagentur "Scholz & Friends" in Hamburg. Wer sich früher noch eine Urlaubsreise nach Spanien leisten konnte, spart lieber und fährt heute beispielsweise lieber in das Ostseebad in Mecklenburg-Vorpommern. Die Mittelschicht müsse als soziologisches Phänomen zwar neu definiert werden, breche aber aus Werbesicht keineswegs weg, erläutert Schwieger.

Porsche und Tschibo-Toaster

Im Vergleich zu früher ist es heutzutage für die Werbung schwieriger geworden, die typische Mittelschicht in einfachen Bildern abzubilden. "Die Mittelschicht ist nicht mehr der Durchschnitt", sagt Schwieger. Die Lebensformen seien heute vielfältiger als noch vor wenigen Jahren, ähnliche Biografien immer seltener anzutreffen. Wer für Butter oder Margarine wirbt, könne die Familie mit Freunden beim Brunch im Cafe ebenso zeigen wie die klassische Familie am Frühstückstisch. Wie wenig homogen die Konsumwünsche dieser Gruppe sind, zeigt sich auch im stark veränderten Kaufverhalten. So kann heutzutage auch bei einem Porschefahrer zu Hause der Toaster von Tschibo stehen. Im Supermarkt finden sich hochwertige Qualitätsprodukte im Einkaufswagen ebenso wieder wie Billigware. Ein Kunde, der bei Bio-Produkten zugreift, kann aber dennoch auch Lidl-Wein konsumieren. "Es wird immer schwerer alles über einen Kamm zu scheren."

Natürlich erweist sich gerade in Deutschland der Discount-Bereich als wichtiger Wachstumssektor im Lebensmittelhandel. Aber auch dort finde sich häufig der Sekt für 1,29 Euro ebenso im Regal wie der Champagner für 19,90 Euro, so Schwieger. Als neues Phänomen der Mittelschicht nennt er im Produktbereich den I-Pod, den der 18-jährige Sohn ebenso nutze wie die 43-jährige Mutter. Gleichzeitig mache gerade dieses Produkt die biografische Ausdifferenzierung der Konsumenten in der Mittelschicht deutlich, denn jeder lade sich schließlich seine ganz eigene Musik auf den I-Pod.

Auf die Krisenzeiten müsse sich die Werbung, mit einer neuen "Ernsthaftigkeit", nicht aber mit neuer "Bescheidenheit" einstellen, sagt Schwieger. Die Zeiten, in denen beispielsweise Neureiche die Bankenwerbung bevölkerten, sei zunächst vorbei, betont er. Die Konsumenten erwarteten in Krisenzeiten eher Authentizität sowie mehr Ehrlichkeit und Transparenz. "Der schöne Schein hat es in der Werbung heute schwer."