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Im Schatten der Krise

Bundestagswahl Parteien, Politiker, Strategien und Programme - ein Leitfaden

21.09.2009
2023-08-30T11:24:08.7200Z
3 Min

Die Zahl der Unentschlossenen steigt von Wahl zu Wahl. Nach einer Emnid-Umfrage wissen 32 Prozent der Wähler auch eine Woche vor dem 27. September noch nicht sicher, bei welcher Partei sie ihr Kreuz machen werden. Ob ihnen der von Matthias Machnig und Joachim Raschke herausgegebene Band "Wohin steuert Deutschland?" eine Entscheidungshilfe ist, sei dahingestellt. Immerhin haben sie sich alle Mühe gegeben, die harten Fakten und unterschiedlichste Einschätzungen zur Bundestagswahl 2009 zusammen zu tragen.

Auf 352 Seiten bekommt der Leser von 32 namhaften Autoren aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien die Welt der Parteipolitik erklärt. Die Parteien, ihre Programme, ihre Spitzenkandidaten, ihre Wahlkampfstrategien werden ebenso vorgestellt wie die wahrscheinlichsten Koalitionen. Inhaltlich setzt der breit angelegte Band einen Schwerpunkt auf die Themenfelder Sozialstaat und Reformfähigkeit von Parteien, Gewerkschaften und Wirtschaft. Dies ist angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise, in deren Schatten die Bundestagswahl stattfindet, durchaus angebracht, rückt zugleich aber andere brennende Fragen in den Hintergrund. Beiträge über die in Wahljahren stets bemühte Demoskopie und die oft beklagte schlechte politische Kommunikation von Parteien und Politikern runden den Band ab.

Auf den ersten Blick lassen die Macher des Bandes kaum Wünsche offen. Schließlich haben sich mit Machnig und Raschke zwei Profis aus unterschiedlichen Lagern zusammen gefunden. Machnig, Staatseketretär im Bundesumweltministerium leitete in den Jahren 1998 und 2002 die Wahlkampfzentrale "Kampa" der Sozialdemokraten und war als SPD-Bundesgeschäftsführer tätig, ist der Mann aus der Praxis. Der Parteienforscher Raschke sorgt für den theoretischen, politikwissenschaftlichen Part.

Trotzdem weist der Band aber auch Fehlstellen und Ärgerlichkeiten auf. Merkwürdig mutet es beispielsweise an, dass neben den Porträts von Angela Merkel (CDU), Frank Walter Steinmeier und Franz Müntefering (SPD), Oskar Lafontaine und Gregor Gysi (Die Linke), Renate Künast und Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) ausgerechnet das über FDP-Parteichef Guido Westerwelle fehlt. Dies ist um so erstaunlicher, da angesichts der liberalen Höhenflüge in den Umfragen und den vergangenen Landtagswahlen sowie der von Union und FDP angestrebten Koalition Westerwelle eine Schlüsselrolle bei und nach der Bundestagswahl zukommt.

Vergebene Chance

Ärgerlich für den Leser, der nach Erklärungen und Orientierung sucht, ist jedoch vor allem, dass die Programme der Parteien nun ausgerechnet von Politikern präsentiert werden. Es wäre sicher hilfreicher gewesen, diese Aufgabe in die Hände von Journalisten oder Politologen zu legen, als Jürgen Rüttgers (CDU), Andrea Nahles (SPD), Wolfgang Gerhardt (FDP), Gregor Gysi (Die Linke) und Reinhard Bütikofer (Bündnis 90/Die Grünen) zur Feder greifen zu lassen. Eine kritische und möglichst objektive Analyse der Programme, die von Parteivertretern natürlich nicht zu erwarten ist, wäre aber gerade für noch unentschlossene Wähler eine echte Bereicherung gewesen. Doch diese Chance haben die Herausgeber vergeben.

Insgesamt kann man den Band aber trotzdem empfehlen. Auch wenn die Autoren die Frage "Wohin steuert Deutschland?" auch nicht beantworten können, so liefern sie aber einen gelungen Überblick über die Rahmenbedingungen, unter denen die Deutschen ihr neues Parlament wählen. Aktuell könnte der Band auch nach dem 27. September bleiben. Nämlich dann, wenn es wirklich auf eine Fortsetzung der großen Koalition hinausläuft, wie viele Beobachter und Politiker unken. Dann wären in vier Jahren die strategischen und parteipolitischen Konstellationen ganz ähnlich wie heute. Spätestens dann werden Koalitionen diskutiert, die bislang noch ausgeschlossen werden.

Matthias Machnig, Joachim Raschke (Hg.):

Wohin steuert Deutschland? Bundestagswahl 2009.

Hoffmann & Campe, Hamburg 2009; 352 S., 19,95 €