Piwik Webtracking Image

Kurz rezensiert : Angelesen

05.10.2009
2023-08-30T11:24:08.7200Z
3 Min

Der Titel "Die Alpha-Journalisten" fand 2007 in den Medien so breite Beachtung, dass sich der Begriff im deutschen Sprachgebrauch etablierte. Portraitiert wurden 30 namhafte Journalisten von 30 weiteren illustren Autoren. Angesichts des Erfolgs dieses Namedropping mag man den Herausgebern den Nachklapp nicht verübeln. 20 Portraits von Online-Journalisten sind es nun. Die Auswahl erscheint etwas willkürlich und fast so, als sei es schwer gewesen, geeignete Protagonisten zu finden. Investigative Journalisten kommen nicht vor, dafür die Leiter der Online-Ausgaben großer Printmarken und bekannte Blogger. Die gute Erkenntnis findet sich im Essay von Thomas Schuler, der belegt, dass Qualitätsjournalismus sich eher nicht am Bekanntheitsgrad der Akteure misst, sondern an der Seriosität der Berichterstattung.

Lesenswert sind die Passagen der Einleitung, in denen der Stand der wissenschaftlichen Diskussion über Online-Journalismus referiert wird. Haften bleibt, dass die "digitalen Leitwölfe" recht grau sind. Negativ fällt an den Portraits die unkritische Haltung vieler Autoren auf.

Stephan Weichert, Christian Zabel (Hg.):

Die Alpha- journalisten 2.0. Deutschlands neue Wortführer im Porträt.

Halem Verlag, Köln 2009; 278 S., 19,80 €

Seit Jahren schon wird die Zeitung in naher Zukunft für tot erklärt. Und liest man dieses Buch, wird man nicht gerade optimistischer. Der Band ist in Kooperation mit dem Berliner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik sowie dem Online-Portal der "Süddeutschen Zeitung" entstanden. Die Autoren führten 24 Interviews mit amerikanischen, britischen und französischen Medienexperten. Phil Meyer, Professor für Journalismus aus North Carolina, fürchtet, dass in wenigen Jahrzehnten keine Papierzeitung mehr existiert. Selbst wenn er sich irrt: Die Medienbranche wird einen radikalen Wandel durchlaufen. Wie lässt sich in Zukunft Journalismus im Internet finanzieren? Wie abhängig sollte man sich von Gewinninteressen machen? Und welchen Einfluss darf der Staat auf die "vierte Gewalt" haben? Darüber spekulieren die Autoren - und finden keine abschließende Antwort.

Das Buch ermahnt Journalisten, Blogger nicht mehr als Feinde zu sehen. Die Frage ist, ob sie das wirklich tun. Auf Dauer, da sind sich alle einig, kann die Zeitung nur gegen das schnelle Nachrichtenangebot im Netz bestehen, wenn sie ihren Qualitätsstandard hochhalten. Die Zeitung als entschleunigtes Medium.

Stephan Weichert, Hans-Jürgen Jakobs, Leif Kramp (Hg):

Wozu noch Zeitungen?

Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009; 280 S., 19,90 €

Vom Saulus zum Paulus: Bremens Altbürgermeister Henning Scherf (SPD), der 2003 als Vorsitzender des Vermittlungsausschusses die Einführung von Hartz IV mitbetrieben hat, distanziert sich von der "neoliberalen Modernisierungspolitik". Die "im guten Glauben" beschlossenen rot-grünen Reformen hätten "auch viel Kummer über die Menschen gebracht", schreibt der 70-Jährige in seinem neuen Buch "Gemeinsam statt einsam". Dabei müsse sich die SPD "mit den kleinen Leuten solidarisieren", sonst verliere sie ihre Legitimation. Selbstkritisch schreibt Scherf: "Auch ich war im Sog der neoliberalen Reformpolitik." Ebenfalls auf Distanz geht der Sozialdemokrat zur Gesundheitsreform samt Praxisgebühr: Dadurch sei eine verfassungswidrige Klassenmedizin entstanden. Zur Sicherung des Sozialstaats empfiehlt er zum Beispiel eine Bürgerversicherung für alle und höhere Steuern für Reiche.

Daneben macht Scherf Mut zu Solidarität und Engagement des Einzelnen: Jeder könne mithelfen, "diese Welt ein Stück weit besser zu machen". Dazu liefert der gebürtige Bremer viele Beispiele aus seinem Erfahrungsschatz - teils etwas sprunghaft und notgedrungen bremenlastig.

Henning Scherf:

Gemeinsam statt einsam. Meine Erfahrung für die Zukunft.

Herder-Verlag, Freiburg 2009; 220 S., 18,95 €