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Kurz notiert

05.10.2009
2023-08-30T11:24:08.7200Z
8 Min

"Angie ist das Beste, was Deutschland Europa zu bieten hat", jubelte Rafal Wos von der rechtsliberalen polnischen Tageszeitung Dziennik nach der Bundestagswahl. Eine CDU-Frau an der Spitze Deutschlands garantiere eher Stabilität als die seit Jahren kriselnde SPD. "Merkel hat in den vergangenen Jahren ein Vertrauenskapital in Polen aufgebaut und damit sind die Chancen für bessere deutsch-polnische Beziehungen gut", schrieb Wos.

Von der Koalition mit der FDP verspricht sich selbst die traditionell linksliberale Gazeta Wyborcza Schwung für die Wirtschaft. "Eine stabile Regierung ist wichtig, denn auf Deutschland kommen schwere Zeiten zu." Und eine stärkere Wirtschaft sei auch für Polen, das eng mit der Bundesrepublik zusammenarbeite, eine gute Nachricht.

Kein Kurswechsel

Auch mit einem Außenminister Guido Westerwelle erwarten die polnischen Medien keinen Kurswechsel in der Außenpolitik. Entscheidend ist, dass sich der FDP-Chef schon früher gegen Erika Steinbach im Rat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" ausgesprochen hat. Das geplante Museum gegen Vertreibungen unter dem Titel "Sichtbares Zeichen" solle kein deutsch-polnischer Zankapfel mehr sein, wird aktuell ein Mitarbeiter Westerwelles zitiert. Steinbach ist quer durch alle Bevölkerungsschichten ein rotes Tuch in Polen. Ihr wird vorgeworfen, ein revisionistisches Geschichtsbild zu befördern. Viele befürchten daher, Steinbachs Wiederwahl als CDU-Bundestagsabgeordnete, aber auch das schwarz-gelbe Bündnis könnten das deutsch-polnische Verhältnis belasten. Die Sozialdemokraten hatten sich deutlich gegen Steinbach positioniert.

Der polnische Premier Donald Tusk ist trotzdem "relativ zufrieden" mit dem Wahlergebnis im Nachbarland: Die Kanzlerin sei bisher als Freundin Polens aufgetreten. Auch die FDP dürfte aus polnischer Sicht kein schwierigerer Partner sein als die Sozialdemokraten, sagte Tusk der Presse. Präsident Lech Kaczynski dagegen hofft, dass der Regierungswechsel in Deutschland "nicht ungünstig für sein Land" sei: "Die Probleme zwischen Polen und Deutschland bleiben und wir müssen sie auf beiden Seiten lösen".

Dazu gehört auch, dass Polen allzu herzliche Beziehungen zwischen Deutschland und Russland als Bedrohung empfindet. Jenseits der Oder wird jede wirtschaftliche Verflechtung beider Länder wachsam verfolgt - so wie jetzt die Magna-Beteiligung an Opel, hinter der auch Gelder der russischen Sherbank stehen.

In den USA wurde die Nachricht von Angela Merkels Wiederwahl und der Bildung einer schwarz-gelben Koalition positiv aufgenommen. Am Wahlabend gratulierte US-Präsident Barack Obama der Kanzlerin, mit der er darin übereinstimmte, dass die bilaterale Kooperation sich "mit der Wahl einer starken deutschen Regierung" vertiefen werde. Die neue Konstellation werde die Zusammenarbeit vereinfachen, hieß es auch in Medien und Expertenrunden. "Ich hoffe, dass die neue Koalition bereit ist, Themen anzugehen, die hoch oben auf unserer Agenda stehen", sagte der frühere amerikanische Nato-Botschafter Kurt Volker am Rande einer Podiumsdiskussion.

Die Stimmung in der transatlantischen Gemeinde Washingtons ähnelt der Erleichterung, mit der Obamas Wahlsieg in Berlin aufgenommen worden war. Als wäre nach dem Republikaner George W. Bush der zweite Stolperstein im bilateralen Verhältnis beseitigt: eine von der schröderschen SPD geprägte neue deutsche Aufmüpfigkeit. "Deutschland hat sich vom Kollaborateur zum Blockierer entwickelt", sagte Volker. Er trauert den Zeiten nach, in denen die FDP die deutsche Außenpolitik fest in der Bündnistreue zu den USA verankert hatte. Der Parteivorsitzende Guido Westerwelle, der Außenminister werden könnte, bekennt sich zu seinem Mentor Hans-Dietrich Genscher. Doch wird in Washington die Frage laut, ob der Liberale etwa beim Militäreinsatz in Afghanistan wirklich so stramm zum Bündnispartner stehen würde. Im Wahlkampf hatte er einen Rückkehrplan für die Bundeswehr gefordert.

Zu unbekannt

Auf Obamas Linie liegt Westerwelle mit seinem Plädoyer für die nukleare Abrüstung. Doch damit meint er auch die in Deutschland stationierten taktischen US-Nuklearwaffen - soweit ist Obama in seiner Planung noch nicht. Zu diesen Zweifeln kommt, dass Westerwelle auf der anderen Seite des Atlantiks selbst Deutschland-Kennern unbekannt ist. "Er wird der erste offen schwule Außenminister sein, den Deutschland je hatte, aber er wird sich in außenpolitischen Fragen auf externen Rat verlassen müssen", lässt sich William Drozdiak, Präsident des American Council on Germany, zitieren. Kurt Volker schlägt vor, den perfekt Englisch parlierenden Wirtschaftsminister und ehemaligen Unions-Außenpolitikexperten Karl-Theodor zu Guttenberg zum Außenminister zu ernennen. "Er ist extrem bekannt in Washington und ist einer der wenigen Leute, die die transatlantische Beziehung zum Laufen bringen könnten."

Fraktionsbildung

In der Regel findet die Konstituierung der Fraktionen bereits vor der konstituierenden Sitzung des Bundestages statt. Rechtlich gesehen handelt es sich dabei um die Bildung von Vor-Fraktionen, die erst mit der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages rechtlich voll wirksam sind. Die Vorab-Konstituierung innerhalb der 30-Tage-Frist, die die Verfassung für die Konstituierung des Bundestages vorsieht, entspricht der verfassungsrechtlichen Aufgabensetzung des Abgeordnetenmandats, nach dem es Aufgabe der Bundestagsabgeordneten ist, sich auf die Arbeit des neuen Bundestages vorzubereiten.

Konstituierung

der Ausschüsse

In der Regel konstituieren sich die Ausschüsse zwei bis drei Wochen nach der Bundeskanzlerwahl. Dem geht ein Plenarbeschluss voraus, der die einzelnen Ausschüsse und deren Größe festlegt. Das Grundgesetz schreibt die Einsetzung eines Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, eines Ausschusses des Auswärtigen, eines Ausschusses für Verteidigung und eines Petitionsausschusses vor. Der Großteil der ständigen Ausschüsse entspricht dem Zuschnitt der Ministerien.

Vorsitz und

Mitgliedschaft im Ausschuss

Die Verteilung der Sitze in den parlamentarischen Ausschüssen entspricht dem Kräfteverhältnis der Fraktionen im Bundestag. Wer den Vorsitz eines Ausschusses übernimmt, bestimmt nicht das Fachgremium selbst. Darüber verständigen sich entweder die Fraktionen untereinander im Ältestenrat, oder es wird ein "Zugriffsverfahren" angewendet, bei dem die Fraktionen nach der Reihenfolge ihrer Größe den Vorsitz in den Ausschüssen "greifen". Nach parlamentarischem Brauch wird der Vorsitz des Haushaltsausschusses allerdings immer der Opposition übertragen. Die Ausschussvorsitzenden sind zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet.

Wahlprüfung

Jeder wahlberechtigte Bürger kann die Wahlvorbereitung, die Wahldurchführung und die Stimmenauszählung auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. Für die Überprüfung der Wahlen ist nach Artikel 41 des Grundgesetzes der Bundestag zuständig. Einsprüche sind innerhalb von zwei Monaten nach der Wahl schriftlich einzureichen und zu begründen. Die Beschwerden werden vom Wahlprüfungsausschuss des Bundestages geprüft und dem Plenum zur Entscheidung vorgelegt. Gegen die Entscheidung des Bundestages kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden.

Köpfe und Biografien

Ab sofort sind Fotos und Biografien aller Mitglieder des 17. Deutschen Bundestages auf der Internetseite des Bundestages (www.bundestag.de) zu finden.

Der Vorältestenrat

Voraussichtlich am 8. Oktober tritt der "Vorältestenrat" zusammen. Das Gremium entscheidet unter anderem über das Datum der konstituierenden Sitzung des Bundestages, die Anordnung der Stühle und Tische im Plenarsaal und berät weitere parlamentarische Angelegenheiten. Mitglied des Vorältestenrates sind der amtierende Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) und je ein Parlamentarischer Geschäftsführer der fünf Fraktionen. Erst nach der konstituierenden Sitzung des Bundestages übernimmt der Ältestenrat die Rolle als zentrale geschäftsführende Instanz und als Beratungsgremium des Bundestagspräsidenten. Er setzt sich zusammen aus den Mitgliedern des Bundestagspräsidiums, den Fraktionsgeschäftsführern und 23 weiteren Abgeordneten.

Das amtliche Endergebnis

Voraussichtlich am 14. Oktober stellt der Bundeswahlausschuss das endgültige Ergebnis der Wahl in einer öffentlichen Sitzung fest. Anschließend wird es auf der Homepage des Bundeswahlleiters unter www.bundeswahlleiter.de und als öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger publiziert.

Konstituierende Sitzung

Der 17. Deutsche Bundestag muss spätestens bis 30 Tage nach der Wahl zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen kommen, also spätestens am 27. Oktober. In dieser ersten Sitzung des Parlaments, die durch den Alterspräsidenten eröffnet wird, werden der Bundestagspräsident und seine Stellvertreter gewählt. Deren Zahl ist nicht festgelegt, jedoch sieht die Geschäftsordnung des Bundestages für jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidentenposten vor.

Mitgliedschaft im Bundestag

Die Mitgliedschaft im Bundestag beginnt mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages. Paragraf 45 des Bundeswahlgesetzes sieht vor, dass ein gewählter Bewerber die Mitgliedschaft im Bundestag nach der abschließenden Feststellung des Wahlergebnisses durch den Bundeswahlausschuss mit der Eröffnung der ersten Sitzung des Bundestages nach der Wahl erwirbt.

Kanzlerwahl

In einer der ersten Sitzungen des neuen Bundestages, voraussichtlich Anfang November, wird der Bundeskanzler/die Bundeskanzlerin gewählt. Der Vorschlag für eine Kandidatin oder einen Kandidaten kommt vom Bundespräsidenten, so sieht es das Grundgesetz vor. Die Wahl erfolgt ausschließlich durch die Abgeordneten, ohne vorherige Aussprache und mit verdeckten Stimmzetteln, also geheim. Der Kandidat oder die Kandidatin benötigt die absolute Mehrheit, also 312 der Stimmen des Parlaments. Nach der Wahl wird der neue Kanzler/die neue Kanzlerin vom Bundespräsidenten ernannt und danach vor dem Bundestag vereidigt.