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Kurz rezensiert : Angelesen

02.11.2009
2023-08-30T11:24:11.7200Z
3 Min

Was haben ein Bauer im alten Ägypten um das Jahr 2.000 vor Christus und ein Bundesbürger des Jahres 2009 gemeinsam? Es ist das damals wie heute verbriefte Recht, sich mit den eigenen Nöten und Beschwerden an die Mächtigen im Lande zu wenden. Waren dies vor rund 4.000 Jahren am Nil bestellte Beamte des herrschenden Pharaos, so nimmt heute der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags die Eingaben der Bürger entgegen. Im vergangenen Jahr waren es 18.096, die von 575.110 Bürgern eingereicht wurden - Tendenz steigend.

Reinhard Bockofer, Sprecher der Vereinigung zur Föderung des Petitionsrechts, erzählt in dem schmalen Kinderbuch "Überfall auf Chûnanûp" die historisch belegte Geschichte eines ägyptischen Bauern, der Opfer eines Überfalls wurde und sich an den zuständigen Beamten wandte, um Wiedergutmachung zu erreichen. Der mit Illustrationen von Anna-Katharina Regul zum 60-jährigen Jubiläum des Petitionsauschusses erschienene Band ist ein gelunger Beitrag, um auch den Jüngsten zu vermitteln, welche Rechte ihnen zustehen und dass diese keine Gnadenbeweise "von oben" sind.

Reinhard Bockofer, Anna-Katharina Regul:

Überfall auf Chûnanûp. Unrecht im alten Ägypten.

Donat Verlag, Bremen 2009; 46 S., 12,80 €

Das eine oder andere Mitglied der 146-köpfigen neuen SPD-Bundestagfraktion wird in den kommenden vier Jahren vielleicht etwas wehmütig diesen Bildband durchblättern und von vergangenen, besseren Zeiten träumen, als die Sozialdemokraten nicht auf den harten Bänken der Oppsotion saßen. Die länger Gedienten unter ihnen werden sich vielleicht auch selbst entdecken auf den rund 600 Farb- und Schwarz-Weiß-Fotos, die von ihrer politischen Karriere zeugen.

Der Historiker Friedhelm Boll vom Historischen Forschungszentrum der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung hat Fotografien aus der 60-jährigen Geschichte der SPD-Bundestagsfraktion zusammengestellt. Es sind Bilder, die von der großen Anspannung der Fotografierten zeugen, etwa während des Misstrauensvotums gegen Bundeskanzler Willy Brandt im April 1972. Sie zeigen aber auch die vergnüglichen Seiten des Politbetriebs, etwa einen sichtlich erfreuten Erich Ollenhauer beim Tanz mit der jungen attraktiven Hildegard Knef beim Berliner Preseball 1957.

Insgesamt bietet der Bildband eine kurzweiligen Blick in das Auf und Ab der Sozialdemokraten in Deutschland und in den parlamentarischen Alltag.

Friedhelm Boll (Hg.):

Die SPD im Deutschen Bundestag.

Dietz Verlag, Bonn 2009; 302 S., 48 €

Die erste große Koalition von 1966 bis 1969 ist seit vielen Jahren Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen. Aber was macht eine Regierungsfraktion, die mit einem ungeliebten Koalitionspartner eine Zweckgemeinschaft eingegangen ist, um Regierungsverantwortung zu übernehmen? Für die SPD-Fraktion wissen wir das jetzt sehr genau. Nun kann man nachvollziehen, wie beispielsweise die Meinungsfindung zur Notstandsgesetzgebung erfolgte, für deren Abstimmung am 30. Mai 1968 auf die viel beschworene Fraktionssolidarität verzichtet wurde. Helmut Schmidt machte angesichts der Gegensätze in der Fraktion deutlich, es komme nicht nur darauf an, wie man abstimme, sondern wie man miteinander umgehe und wie man sich im Plenum und in der öffentlichen Meinung in dieser Frage darstelle. Dieser Ausspruch scheint ohnehin Schmidts Handlungsmaxime gewesen zu sein, der maßgeblich die Fraktion prägte und während der drei Jahre 75 Fraktionssitzungen leitete.

Der Editorin Bettina Tüffers, die in einer Einleitung die Besonderheiten der SPD-Fraktion herausgearbeitet und die Texte sorgfältig kommentiert hat, gilt uneingeschränktes Lob: Weiter so!

Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Sitzungsprotokolle 1966-1969.

Droste Verlag, Düsseldorf 2009; 717 S., 140 €