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Kurz rezensiert : Angelesen

09.11.2009
2023-08-30T11:24:12.7200Z
2 Min

Geschichtsschreibung und Juristerei weisen eine grundlegende Gemeinsamkeit auf: Die Aufgabe von Historikern und Richtern, so formulierte es der italienische Historiker Carlo Ginzburg, sei es, "Beweise oder nachprüfbare Belege" zu finden. Der Unterschied in der Arbeitsweise der beiden findet sich dann jedoch im abschließenden Urteil. Der Richter fällt ein strafrechtliches, der Geschichtsscheiber ein historisches Urteil, das ungleich freier ausfallen kann.

Wie die juristische Arbeit die des Historikers maßgeblich bereichern kann, demonstriert überzeugend der Sammelband "Vom Recht zur Geschichte" für den konkreten Fall der Strafverfolgung von NS-Verbrechen nach 1945. Eine Gruppe von 21 ausgewiesenen Historikern zeigt in diesem für das Fachpublikum konzipierten Band die Möglichkeiten und Grenzen bei der Auswertung des juristischen Aktenmaterials für die historische Forschung. Zu beachten sei beispielsweise, ob die Akten aus Prozessen in den westlichen oder den östlichen Besatzungszonen hervorgegangen sind.

Jürgen Finger, Andreas Wirsching, Sven Keller (Hg.):

Vom Recht zur Geschichte.

Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009; 301 S., 39,90 €

Für den amerikanischen TV-Agenten Jack Bauer stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit von Folter nicht. In der Fernsehserie "24" werden Tatverdächtige seit Jahren mit brachialer Gewalt zum Geständnis gezwungen - stets natürlich im Sinne der gerechten Sache. Man mag solche Gewaltorgien im Fernsehen verteufeln, Fakt ist jedoch, dass die erfolgreiche Serie die realen Verhältnisse im Anti-Terror-Kampf der USA spiegelt. "Wir haben die Handschuhe ausgezogen", hieß es beim amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001.

Der Historiker und Publizist Alexander Bahar weist nach, wie weit die völkerrechtliche Ächtung der Folter im Verlauf des Afghanistan- und des Irak-Kriegs aufgeweicht wurde. Guantánamo und Abu Ghraib sind zu Synomymen für diese Entwicklung geworden. Die Aufweichung des Folterverbots lässt sich inzwischen jedoch auch in vielen anderen Ländern der westlichen Welt beobachten, die sich sonst so gerne als Verfechter der Menschenrechte aufspielen. Auch in Deutschland wird inzwischen - ausgelöst durch den Fall des entführten Bankierssohns Jakob von Metzlars - offen über eine "Rettungsfolter" diskutiert.

Alexander Bahar:

Folter im 21. Jahrundert. Auf dem Weg in ein neues Mittelalter?

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009; 299 S., 16,90 €