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FÜNF FRAGEN ZUR: AUFARBEITUNG IN SERBIEN

09.11.2009
2023-08-30T11:24:12.7200Z
2 Min

Frau Kovacevic-Vuco, warum hat sich bei der Aufarbeitung der Kriege der 1990er Jahre im ehemaligen Jugoslawien bisher so wenig getan?

Weil es keinen Konsens über den Charakter der Kriege gibt. Für Serbien heißt das konkret, dass die Mehrheit weiter meint, sie sei Opfer des Zerfalls von Jugoslawien und habe nicht an den Kriegen in Bosnien-Herzegowina und Kroatien teilgenommen, obwohl Serbien doch Aggressor war. Solange man nicht klar den Charakter der Kriege definiert und solange Serbien nicht klar seine Verantwortung akzeptiert, wird es keine wirkliche Aussöhnung geben.

Gibt es konkrete Personen in Serbien, die die Beschäftigung mit der Vergangenheit behindern?

Nein, leider besteht darin Übereinstimmung bei den politischen Eliten. Aber das Schlimmste ist, dass rechte nationalistische Parteien weiter "verbalen" Krieg führen zur Rettung des angeblich bedrohten Serbentums.

Warum ist es überhaupt wichtig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen?

Es ist wichtig, da man nur so eine demokratische Gesellschaft aufbauen kann, die auf den Wertvorstellungen von Verantwortung und Akzeptanz der eigenen Rolle basiert. In Serbien kann man keine Demokratie entwickeln, solange sich die aktuelle Regierung nicht öffentlich zu Serbiens Verantwortung im Krieg bekennt, sich von der Rolle Serbiens im Krieg distanziert und solange auch die Öffentlichkeit nicht klar sagt, dass man das nicht tun durfte.

Gibt es bei der Ver- gangenheitsbewältigung Vorbilder für Serbien und Kroatien?

Ich möchte keine Symmetrie zwischen Serbien und Kroatien ziehen. Und das hat nichts mit Rücksicht auf den rechten Radikalismus und harten Nationalismus in Kroatien zu tun. Aber erst wenn wir in Serbien klar die Frage beantworten, was wir 1991 in Vukovar mit der Zerstörung der kroatischen Stadt und des Beschusses der historischen Altstadt von Dubrovnik getan haben, können wir uns damit beschäftigen, was in Kroatien geschehen ist und wofür die Kroaten Verantwortung übernehmen müssen.

Sehen Sie wirkliche Chancen, bei diesem Thema doch noch weiter zu kommen?

Wir haben die Chance verpasst, uns der eigenen Vergangenheit zu stellen. Die Entwicklung geht heute dahin, dass wir die wirklichen Geschehnisse verharmlosen und neue Mythen schaffen, die uns sicherlich lange belasten werden. Wir werden uns eingraben mit unserer Position, dass wir die Opfer sind und von der ganzen Welt missverstanden werden, Das ist sicher keine gute Grundlage für den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft und wird die zwischenstaatlichen Beziehungen in der Region weiter belasten.

Die Fragen stellte

Thomas Brey.