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Unterschiedliche Bewertung des »Hilfsangebotes«

16.11.2009
2023-08-30T11:24:13.7200Z
3 Min

LANDWIRTSCHAFT

Handelt es sich nun um einen "grandiosen Fehlstart", wie die SPD-Verbraucherschutzexpertin Waltraud Wolff behauptet, oder um einen "super Koalitionsvertrag", wie der FDP-Agrarexperte Hans-Michael Goldmann meint? Bei der ersten Debatte der neuen Legislaturperiode zur Agrar- und Verbraucherpolitik am 10.November bewerteten Koalition und Opposition die Vorgaben im Koalitionsvertrag erwartungsgemäß unterschiedlich.

Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) zeigte zu Beginn ihre Leitlinien für die nächsten vier Jahre auf. Dazu gehört laut Aigner auch die Weiterentwicklung des Verbraucherinformationsgesetzes. Dessen Regelungen sollten sich stärker an den Belangen der Verbraucher orientieren und müssten insgesamt transparenter werden, sagte Aigner. Bei der Lebensmittelkennzeichnung gelte das Motto: "Wahrheit und Klarheit". "Es muss drin sein, was draufsteht oder abgebildet ist. Wenn Kirschen abgebildet sind, dürfen nicht nur Aromen enthalten sein", betonte die Ministerin. Für den Agrarstandort Deutschland sieht Aigner "eine gute Zukunft". Um der schwierigen Situation der Milchbauern Rechnung zu tragen, habe man ein auf zwei Jahre angelegtes Sofortprogramm aufgelegt.

Auf dieses Stützungsprogramm sei er sehr stolz, sagte der CDU-Landwirtschaftsexperte Peter Bleser. "Wir sind bei der Milchpolitik nicht der Versuchung unterlegen, auf eine veraltete, erfolglose staatliche Mengenpolitik zurück zu verfallen", stellte er fest. Stattdessen habe man auf die langfristige Perspektive gesetzt. Das Hilfsangebot solle eine "hoffentlich kurzfristige Kalamität" überwinden helfen.

Als ein "Dokument des Scheiterns" bezeichnete Waltraud Wolff den Koalitionsvertrag im Hinblick auf die Verbraucherpolitik. "Ihre Vereinbarungen bleiben im Ungefähren", kritisierte sie die Koalition. Weder gebe es einen Finanz-TÜV noch eine Ampelkennzeichnung. Wolffs Einschätzung lautete: "Ihre Verbraucherpolitik ist mutlos und ohne Gestaltungswillen."

Hans-Michael Goldmann verteidigte den Koalitionsvertrag. Dieser habe "liberales Blut". Es gehe darum, Wachstum zu schaffen, damit Arbeitsplätze entstehen, und gleichzeitig Eigentum zu sichern. Die Kritik seiner SPD-Kollegin konnte der liberale Politiker nicht nachvollziehen. "Ihnen muss ein anderer Koalitionsvertrag vorliegen", mutmaßte er. Goldmann machte klar, dass die Koalition "weg von der Subventionierung der Landwirtschaft, weg von den Exporterstattungen" will. Das aufgelegte Sofortprogramm helfe den Milchbauern, "in der Situation der Veränderung, die positive Entwicklung anzuschieben".

Ostdeutsche ländliche Räume drohten weiterhin zu verarmen, zu vergreisen und zu verdummen , konstatierte Kirsten Tackmann, Agrarexpertin der Linksfraktion. Ein Grund dafür: Es gebe nur wenige Arbeitsplätze und die, die es gibt, würden überwiegend schlecht bezahlt. "Deshalb brauchen wir einen Mindestlohn", sagte Tackmann. Zudem müssten strukturelle Probleme gelöst werden. "Wir brauchen regionale Absatzförderung statt Exportförderung, und wir brauchen faire Erzeugerpreise." Das Grünland-Milchprogramm, das derzeit auf dem Tisch liege, reiche bei weitem nicht aus, kritisierte sie.

Der Koalitionsvertrag werde der dramatischen Situation auf dem Land nicht gerecht, bemängelte Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen), in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzende des Agrarausschusses. Das von Goldmann erwähnte "liberale Blut" fließe in der Tat im Koalitionsvertrag, so Höfken. "Aus allen Poren" krieche das Industrieinteresse, sagte sie. So werde die einfache und verbraucherfreundliche Ampelkennzeichnung zugunsten des Industriemodells abgelehnt. Die Handschrift der Industrie trage der Koalitionsvertrag insbesondere im Bereich der Gentechnik. Die Koalition ziele auf die Senkung des Schutzniveaus und die Praxiseinführung gentechnisch veränderter Produkte ab. "Das ist keine Politik, die man dulden kann" sagte Höfken.