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In letzter Sekunde

BILDUNGSGIPFEL Um das Steuerpaket zu retten, kommt der Bund den Ländern bei der Bildung entgegen

14.12.2009
2023-08-30T11:24:16.7200Z
4 Min

Das kann kein Zufall sein: Für den 16. Dezember haben Angela Merkel (CDU) und Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) die Ministerpräsidenten zum Bildungsgipfel ins Kanzleramt geladen. Das ist genau zwei Tage, bevor im Bundesrat eine heikle Entscheidung ansteht, bei der der Bund auf das Wohlwollen der Länderchefs angewiesen ist: Am 18. Dezember nämlich sollen die Landesfürsten dem umstrittenen "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" zustimmen, was die Länder jedoch teuer zu stehen kommt.

Beim Bildungsgipfel geht es deshalb vor allem ums Geld. Und darum, wie der Bund die Länder, die wegen des Steuerpakets mit Steuerausfällen rechnen müssen, gnädig stimmen kann, indem er bei der Bildung mehr Mittel lockermacht.

Qualitätspakt

"Wir arbeiten deshalb an einem politischen Gesamtkunstwerk", hatte Bildungsministerin Schavan vor Tagen nebulös angekündigt. Inzwischen sind Teile des "Kunstwerks" durchgesickert. Die Bundesregierung will den Ländern am 16. Dezember nach Informationen der dpa offenbar einen "Qualitätspakt" für das in die Kritik geratene Bachelor-Studium vorschlagen. Außerdem will der Bund den Ländern bei der Ausbildung von Lehrern und Erziehern unter die Arme greifen. Bei Kindern mit schlechten Deutschkenntnissen würde er künftig die Hälfte der Förderkurs-Kosten übernehmen.

Beim ersten Bildungsgipfel im Oktober vergangenen Jahres in Dresden hatten sich Kanzlerin und Ministerpräsidenten darauf geeinigt, die Ausgaben von Staat und Wirtschaft für Bildung und Forschung bis 2015 auf zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen. Die "Lücke" beziffert der Bund jetzt in seinem Eckwertepapier mit 15 Milliarden Euro. Bisher war vereinbart, dass die Länder davon 50 Prozent übernehmen, die Kommunen 16, die Wirtschaft 24 und der Bund rund 10 Prozent. Nun ist der Bund offenbar bereit, den Ländern dabei entgegenzukommen. Wie genau jedoch die Gelder aus dem Bundestopf in die Länder geschleust werden sollen, ist noch unklar. Schließlich sind seit der Förderalismusreform allein die Länder für Schulen und Hochschulen zuständig.

Die Bundesregierung will dazu beitragen, dass die Qualität der Lehre wie auch die Betreuung der Studenten bei den Bachelor-Studiengängen deutlich verbessert wird. Als Konsequenz aus den Studentenprotesten hatten die Kultusminister bereits am 10. Dezember in Bonn Kurskorrekturen bei den neuen Studiengängen beschlossen. Weniger Lernstoff, weniger Prüfungen - lautet die Botschaft aus Bonn. Eindringlich hatten die Hochschulrektoren an die Ministerpräsidenten appelliert, mehr Geld in Lehre und Betreuung zu stecken.

Bafög soll steigen

Auf der Tagesordnung des Bildungsgipfels steht auch die geplante Bafög-Erhöhung. Die Bundesregierung schlägt vor, die Fördersätze um zwei Prozent und die Elternfreibeträge um drei Prozent anzuheben. Auch ein Stipendienprogramm für begabte Studenten steht auf der Agenda. Beides soll zum 1. Oktober 2010 in Kraft treten.

Vorschläge des Bundes liegen nun also in letzter Sekunde auf dem Tisch, allein wie die Länder reagieren werden, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass knallhart ums Geld gepokert werden wird. Denn die Ministerpräsidenten der Länder wissen genau, dass dem Bund die Zeit wegläuft und er Kompromisse schließen muss. Schließlich hatten mehrere CDU-geführte Länder gedroht, die Verabschiedung des Steuerpakets am 18. Dezember zu blockieren.

Der bildugspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ernst Dieter Rossmann, kitisierte Schavans "weihnachtliches Überraschungspäckchen". Es löse längst nicht die Probleme mit den Bachelor-Studiengängen. Für einen vernünftigen Studienpakt mit einer Personaloffensive für eine bessere Lehre seien mindestens drei Milliarden Euro erforderlich. Dass es beim bevorstehenden Bildungsgipfel vor allem darum gehe, die Länder für das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit ins Boot zu holen, bezeichnete Rossmann als "unwürdig". Auf dem ersten Bildungsgipfel in Dresden hätten die Regierungen von Bund und Ländern "den Mund gespitzt, jetzt müssen sie mit dem Pfeifen beginnen" sagt er.

Für Nicole Gohlke von der Linksfraktion ist klar, ohne mehr Geld werde es nicht möglich sein, mehr Lehrpersonal einzustellen, weitere Studienplätze anzubieten und die Studiengebühren abzuschaffen. "Die Ministerpräsidenten müssen gerade vor diesem Hintergrund an ihrer Ablehnung der schwarz-gelben Steuerreform unbedingt festhalten", fordert Gohlke.

Die FDP-Politikerin Sylvia Canel hält es für falsch, beim Thema Bildung immer mit dem Finger auf den Bund zu zeigen. Stattdessen will sie bei der Finanzierung von Schulen und Hochschulen die Länder stärker in die Pflicht nehmen. "Sie müssen ihre Haushalte prüfen und notfalls auch zugunsten der Bildung in anderen Politikbereichen kleinere Brötchen backen", sagt die bildungspolitische Sprecherin der Liberalen. In ihrer Heimatstadt Hamburg etwa sehe sie noch Sparpotenziale. Die Probleme der Studenten, sagt Canel, seien ohnehin nicht neu. Auch die Unterfinanzierung des Bildungssystems sei "ein alter Hut". Ihre Forderung: "Auch innerhalb der Bildung müssen wir Prioritäten setzen." Wenn zum Beispiel nicht genug in die frühkindliche Bildung investiert werde, dürfe sich am Ende niemand wundern, wenn viele die Schule ohne Abschluss und Perspektive verließen. "Wir brauchen für die Kleinsten die besten Ressourcen", fordert Canel, die vor ihrer Wahl in den Bundestag als Lehrerin gearbeitet hat und für ihre Fraktion nun im Bildungsausschuss sitzt.

Geschacher um Geld

Der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Uwe Schummer warnte indes davor, den Bildungsgipfel mit immer mehr Themen zu überfrachten. Ihm sei wichtig, dass anders als beim ersten Gipfel im Oktober 2008 "nicht wie auf dem Basar um Geld geschachert wird". Es müsse um inhaltliche Ziele gehen. "Ob die erfüllt werden oder nicht, muss dann bei weiteren Treffen überprüft werden", sagt Schummer. In Zukunft sollten Bund und Länder bei der Bildung mehr und nicht weniger zusammenarbeiten. Allerdings ist dies seit der Föderalismusreform nahezu unmöglich geworden. Eine Entscheidung, die immer mehr Bildungspolitiker als Fehler bezeichnen - auch Bildungsministerin Schavan.