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Pro Kopf in den Topf

Krankenkassen Im Zusatzbeitrag sieht die Opposition den Einstieg in die ungeliebte Gesundheitsprämie

01.02.2010
2023-08-30T11:25:46.7200Z
3 Min

Der Gescholtene stützte erst den Kopf in die linke Hand, um ihn wenig später energisch zu schütteln. Am Rednerpult hielt Grünen-Vizefraktionschef Fritz Kuhn dem neuen Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) vor, für ihn seien die bevorstehenden Zusatzbeiträge einiger Krankenkassen der willkommene "Einstieg in die Kopfpauschale". In einer Aktuellen Stunde, von Bündnis 90/Die Grünen beantragt, schossen sich am 29. Januar im Bundestag alle Oppositionsfraktionen auf diese Argumentationslinie ein.

»Erblast«

Die FDP freilich will mit den jetzt angekündigten Zusatzbeiträgen, die einige Krankenkassen demnächst von ihren Versicherten verlangen werden, nicht in Verbindung gebracht werden. "Die acht Euro Zusatzbeitrag sind eine Erblast von Ulla Schmidt", empörte sich denn auch der FDP-Gesundheitspolitiker Jens Ackermann.

Tatsächlich sind die Zusatzbeiträge ein Nebenprodukt des Gesundheitsfonds, der noch von der großen Koalition eingeführt wurde. In den Gesundheitsfonds fließen seit gut einem Jahr die Versichertenbeiträge sowie Steuermittel. Die Kassen, die mit dem ihnen aus dem Fonds zugewiesenen Geld nicht auskommen, müssen einen Zusatzbeitrag verlangen, der ohne Einkommensprüfung acht Euro, ansonsten höchstens ein Prozent des Bruttomonatseinkommens betragen darf. Als erste Krankenkasse hat die DAK in der vergangenen Woche einen Zusatzbeitrag von acht Euro ab 1. Februar beschlossen. Einige weitere Kassen wollen in Kürze folgen. Nach dem Willen von Union und SPD sollten die Zusatzbeiträge auch in Zeiten des Einheitsbeitragssatzes - derzeit bei 14,9 Prozent - Preiswettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen gewährleisten.

Der CDU-Abgeordnete Jens Spahn bestätigte: "Diese Zusatzbeiträge waren politisch gewollt." Damit habe die damalige Koalition "für Transparenz im Versicherungsmarkt gesorgt". Im Übrigen hätten mehr als 50 Kassen angekündigt, in diesem Jahr keinen Zusatzbeitrag zu nehmen. Versicherte, die keinen Zusatzbeitrag bezahlen wollen, könnten die Krankenkasse wechseln. Die Union stehe zu den Entscheidungen und mache sich anders als die SPD "nicht politisch vom Acker", betonte Spahn.

Die SPD-Abgeordnete Carola Reimann, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, konterte, die schwarz-gelbe Koalition tue gerade so, als sei der Zusatzbeitrag von der SPD erfunden worden: "Das ist grober Unfug." Vielmehr sei der Obulus der SPD seinerzeit von der Union für einen Kompromiss bei der Gesundheitsreform abgerungen worden. Fritz Kuhn von den Grünen pflichtete ihr bei. Er warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Heuchelei vor. Die Union sei mitverantwortlich für Gesundheitsfonds und Zusatzbeiträge. "Das haben Sie beschlossen und Sie können das ändern, wenn Sie das ändern wollen", rief er.

Kuhn fügte hinzu, um von den jetzigen Zusatzbeiträgen zu einer echten Kopfpauschale zu kommen, müsse die Koalition nur wenige gesetzgeberische Rädchen drehen, etwa die Überforderungsgrenze von einem Prozent abschaffen. Für Die Linke betonte Kathrin Vogler: "Die kleine Kopfpauschale bereitet den Weg in die schwarz-gelbe Kopfpauschale." Derzeit würden im Gesundheitsfonds Strukturen geschaffen, in denen "Arme künftig mehr und die Reichen weniger bezahlen", kritisierte die Gesundheitspolitikerin. Fritz Kuhn ergänzte in Umkehrung eines FDP-Slogans aus dem Bundestagswahlkampf, es gehe um "weniger Netto vom Brutto".

»Kuschelrunden«

Die FDP-Haushälterin Ulrike Flach erinnerte daran, dass die Koalition für die einheitliche Gesundheitsprämie - von der Minister Rösler lieber spricht als von Kopfpauschale - einen Sozialausgleich aus Steuermitteln auf den Weg bringen will. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte, dies laufe "darauf hinaus, dass mit einer Steuersubvention die Gutverdiener und die Arbeitgeber entlastet werden". Lauterbach forderte von Rösler, im Gesundheitssystem zu sparen. Die geplanten Gespräche des Ministers mit der Pharmaindustrie seien dafür aber untaugliche "Kuschelrunden". Das sei so ähnlich, als wenn "Sie die Frösche bitten, nach vorne zu treten und Vorschläge zur Trockenlegung des Sumpfes vorzutragen".

Unterdessen kündigte Flach an, die von Schwarz-Gelb eingesetzte Kommission werde Mitte des Sommers Vorschläge vorlegen. "Der Sozialausgleich wird so unbürokratisch wie möglich gefasst", betonte sie. An Minister Rösler gewandt fügte sie hinzu: "Es wird eine schwere Aufgabe, aber wir sind an ihrer Seite."

Flankenschutz beider Koalitionsfraktionen nahm Rösler schon mal in der Aktuellen Stunde in Anspruch. So saßen dem 36-Jährigen sowohl die parlamentarische Staatssekretärin der Union, Annette Widmann-Mauz, als auch derjenige der FDP, Daniel Bahr, zur Seite.