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Kooperation auf Augenhöhe

WISSENSCHAFTSEXPORT Bundestag debattiert Internationalisierungsstrategie der Regierung

15.02.2010
2023-08-30T11:25:47.7200Z
4 Min

Wer nach hiesigen Standards studieren möchte, muss dies nicht unbedingt in Deutschland tun. Die Bundesrepublik unterstützt den Export deutscher Hochschulstandards ins Ausland. Dieser Wissenschaftsexport ist Teil der Internationalisierungsstrategie von Wissenschaft und Forschung der Bundesregierung (16/13852), über die der Bundestag am 9. Februar debattiert hat. Zu dieser Strategie gehört auch die Deutsche Universität in Kairo (GUC). 2003 ist die private ägyptische Hochschule mit mittlerweile 7.000 Studenten eröffnet worden und bietet seitdem vor allem technische Studiengänge an - in englischer Sprache.

Know-how aus Ulm

Deutsche Universität heißt sie, weil die Lehre sich nach deutschen Curricula richtet, ein akademisches Selbstverständnis nach deutschem Vorbild, also der Verknüpfung von Forschung und Lehre, vorherrscht und die Studenten Deutsch lernen. Alle Dozenten werden zudem an deutschen Hochschulen ausgebildet und etwa die Hälfte der Professuren an der GUC werden mit Deutschen besetzt.

Außerdem unterstützen die Universitäten Ulm und Stuttgart ihre Partneruniversität am Rande der ägyptischen Hauptstadt mit akademischem Know-how, und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert zusammen mit dem Auswärtigen Amt Aufenthalte von Mitarbeitern und Studierenden der GUC in Deutschland - rund 600 pro Jahr. Die GUC ist damit ein Beispiel der Internationalisierungsstrategie, deren Ziel es ist, ausländische Wissenschaftler nach Deutschland zu holen und das deutsche Wissenschaftssystem im Ausland bekannt zu machen.

Vier Ziele

Weitere Ziele der Regierung, die im Bericht vom Sommer 2009 benannt werden, stellte der parlamentarische Staatssekretär beim BMBF, Helge Braun (CDU), im Bundestag vor: "Das erste Ziel ist die Intensivierung der Forschungszusammenarbeit mit den weltweit Besten. Das zweite Ziel ist das Erschließen internationaler Innovationspotenziale. Das dritte Ziel ist die deutliche Stärkung der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern. Das vierte Ziel ist die Übernahme globaler Verantwortung bei der Bekämpfung und Beantwortung globaler Herausforderungen." Die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern sei ein Ziel, das gut gedeihe, sagte Braun. Es sei der Regierung wichtig, mit den Schwellen- und Entwicklungsländern "auf Augenhöhe" zu handeln und sich "gemeinsam mit den Herausforderungen von Hunger, Dürre oder vernachlässigten Erkrankungen anwendungsnah auseinandersetzen".

Der positiven Bilanz der Regierung, die Braun vortrug, wollten sich die Oppositionsfraktionen nicht anschließen - auch die SPD nicht, die für den Bericht als Teil der damaligen Regierung noch mitverantwortlich zeichnet. Die Sozialdemokratin Ulla Burchardt sagte zunächst, dass man in rot-grüne Zeiten zurückblicken müsse, um die Anfänge dessen, was heute positiv zu bewerten sei, auszumachen. Die frühere Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und die rot-grüne Koalition hätten bereits 1998 mit der gezielten Förderung der Internationalisierung des Hochschul- und Forschungsstandorts Deutschland begonnen. Dazu gehöre nicht nur die Juniorprofessur oder die Exzellenzinitiative, sondern auch die Gründung der deutschen Universitäten in Kairo und Amman. "Nach Jahren der Stagnation war dieser Aufbruch überfällig, und er war erfolgreich", sagte Burchardt. Der Braindrain, die Abwanderung von Akademikern ins Ausland, sei gestoppt worden, und es gebe schon seit Jahren mehr ausländische Studierende in Deutschland als je zuvor. Für die Zukunft forderte Burchardt einen "mentalen Aufbruch", der nötig sei, "um den Herausforderungen der globalen Wissensgesellschaft tatsächlich gerecht zu werden und eine globale Gestaltungsperspektive zu entwickeln". Es gelte zu fragen, erklärte die Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Forschung: "Was kann unser spezifischer deutscher Beitrag sein, um den globalen Strukturwandel mit Wissenschaft und Forschung so zu gestalten, dass die Kluft zwischen Arm und Reich wenn nicht überwunden, so doch zumindest kleiner wird, sodass Wohlstandsgewinne für alle dabei herumkommen?"

Bildungsmarkt Deutschland

Martin Neumann von der FDP stimmte Burchardt zu, dass Deutschland als Studienstandort bei den ausländischen Studierenden immer beliebter werde: "Das erklärt sich aber leider auch aus der Tatsache, dass ein Studium in Deutschland für die Studierenden kostenlos ist." Auffällig sei, dass 15 Prozent der Studenten aus dem Ausland ein Ingenieurstudium absolvierten, aber nur 9 Prozent der deutschen Kommilitonen. "Hier liegen aus meiner Sicht große Potenziale für die Gewinnung von Hochqualifizierten für die Wirtschaft", sagte er. In der Debatte über Studiengebühren müsse zudem künftig intensiver über den "Bildungsmarkt Deutschland" nachgedacht werden.

Politisches Marketing

Petra Sitte von der Linksfraktion warf der Regierung darauf hin vor, sie sei bei der "Gewinnung von Nachwuchseliten" aus dem Ausland vor allem am wirtschaftlichen Nutzen interessiert und nicht an den Chancen junger Zuwanderer. "Solange Sie Wissen ökonomisieren und als Ware künstlich verknappen", blieben die gesteckten Ziele "Etikettenschwindel". Die Regierung verfolge die Logik "Konkurrenz vor Kooperation".

Krista Sager von den Grünen äußerte Zweifel daran, dass die "sogenannte Internationalisierungsstratgie" für alle Akteure und Institutionen gleichermaßen geeigent sei. Für sie sei der Begriff eher "politisches Marketing".