Piwik Webtracking Image

Kurz notiert

22.02.2010
2023-08-30T11:25:48.7200Z
13 Min

Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Für die Stiftung mit Sitz in Berlin hat der Bund 2010 mehr als 204 Millionen Euro eingeplant. Zu ihr gehören die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv, das Ibero-Amerikanische Institut und das Staatliche Institut zur Musikförderung. Außerdem zählen zur Stiftung 16 Museen, darunter die Alte und Neue Nationalgalerie sowie das Pergamon-Museum. 1957 gegründet, ist eine ihrer wichtigsten Aufgaben die Sanierung der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gebäude auf der Berliner Museumsinsel. Die Stiftung wird nicht ausschließlich vom Bund, sondern auch von den Ländern finanziert.

Museen

Der Bund fördert zwei Ausstellungshäuser und drei Museen in Berlin und Bonn. Die größten Zuweisungen erhält das "Haus der Geschichte" in Bonn mit seinen Dependancen in Leipzig und Berlin. Die Regierung stellt hierfür 19,4 Millionen Euro im Jahr 2010 bereit. Das Museum konzentriert sich vor allem auf die Geschichte Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg.

Das Deutsche Historische Museum in Berlin wird mit rund 19,2 Millionen Euro gefördert. Millionenhilfen erhalten auch das Jüdische Museum sowie die Kunsthäuser, der Martin-Gropius-Bau in Berlin und die Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn.

Archive und Bibliotheken

Bei diesen Einrichtungen sind an erster Stelle das Bundesarchiv und die Deutsche Nationalbibliothek zu nennen. Im Bundesarchiv werden unter anderem Schriftstücke von Verfassungsorganen der Bundesrepublik, aber auch Dokumente aus dem Deutschen Reich gepflegt. Der Bund stellt dafür in diesem Jahr 52,6 Millionen Euro zur Verfügung. Die Nationalbibliothek in Frankfurt und Leipzig soll alle deutschen und deutschsprachigen Publikationen ab 1913, im Ausland erscheinende Germanica und Übersetzungen deutschsprachiger Werke sowie die zwischen 1933 und 1945 erschienene Werke deutschsprachiger Emigranten sammeln. In diesem Jahr erhält sie dafür rund 66,7 Millionen Euro vom Bund. Zu den kleineren Einrichtungen gehört das Bacharchiv in Leipzig mit 661.000 Euro Fördermitteln.

Deutsche in Osteuropa

Bund und Länder sind aufgrund des Bundesvertriebenengesetzes verpflichtet, die kulturellen Traditionen ehemals deutscher Gebiete im historischen Bewusstsein der Deutschen zu bewahren. Insgesamt stehen für die Förderung von entsprechenden Museen und Forschungseinrichtungen in diesem Jahr 10,5 Millionen Euro bereit. Darunter fallen das Westpreußische Landesmuseum im Münsterland, das 610.000 Euro erhält, aber auch das Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Universität München. Die Einrichtung erforscht Geschichte, Literatur und Sprache der ostmittel- und südosteuropäischen deutschen Siedlungsgebiete. Im Haushalt 2010 sind für sie 657.000 Euro veranschlagt.

Deutsche Digitale Bibliothek

Im Dezember 2009 billigte das Bundeskabinett die Einrichtung der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB). Das mit Mitteln des Konjunkturprogramms II finanzierte Projekt soll die Datenbestände von mehr als 30.000 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland bündeln. Über ein Internetportal sollen dann ab 2011 digitale Kopien von Büchern, Bildern, Archivalien, Musik und Filmen zugänglich sein. Die DDB ist der deutsche Beitrag zu der von der EU getragenen Europäischen Digitalen Bibliothek (www.europeana.eu). Für den Aufbau der Infrastruktur der DDB wurden aus dem Konjunkturpaket II zunächst 5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Für den Betrieb der zentralen Infrastruktur und die Aufgaben des dafür verantwortlichen "Kompetenznetzwerks DDB" - einem Verbund von namhaften Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen aus Bund, Ländern und Kommunen - stehen ab 2011 insgesamt 2,6 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Diese werden je zur Hälfte von Bund und Ländern bereitgestellt.

Deutscher Computerspielpreis

Der Deutsche Computerspielpreis ist die höchste Auszeichnung für interaktive Unterhaltungsmedien in Deutschland. Er wurde 2009 zum ersten Mal verliehen (Seite 14). Prämiert werden Spiele in zehn Kategorien, unter anderem "Bestes Kinderspiel" und "Bestes Jugendspiel". Alle Preisträger erhalten zwischen 50.000 und 150.000 Euro Preisgeld, die sie in Deutschland in die Neuentwicklung von Spielen investieren müssen.

Deutscher Kulturrat

1981 gegründet, definiert sich der Deutsche Kulturrat e.V. als Ansprechpartner für Politik und Verwaltung des Bundes, der Länder und der Europäischen Union in allen "übergreifenden kulturpolitischen Angelegenheiten". Er ist der "Dachverband der Dachverbände". Ihm gehören nach eigenen Angaben 234 Bundeskulturverbände und Organisationen an. Der Verein teilt sich in acht Sektionen, in denen Verbände von A wie Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland (ARD) bis V wie Vereinigung freischaffender Architekten organisiert sind. Der Deutsche Kulturrat veröffentlicht Stellungnahmen zu politischen Maßnahmen, Studien und Bücher zu Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Zeitschrift "politik und kultur".

Landeskulturräte

Es gibt nicht in jedem Bundesland einen eigenen Kulturrat und die vorhandenen sind keine Unterorganisationen des Deutschen Kulturrates. In Nordrhein-Westfalen besteht ein Rat seit 1996. Ihm gehören eigenen Angaben zufolge über 80 Organisationen an, darunter der Verband deutscher Schriftsteller NRW und die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokulturelle Zentren. In Bayern hat sich 1998 ein Kulturrat gegründet. Zu seinen Mitgliedern gehören neben der Deutschen Angestelltengewerkschaft und dem Interessenverband Deutscher Schauspieler auch das Festival junger Künstler Bayreuth.

Kulturpolitische Gesellschaft

Die Kulturpolitische Gesellschaft ist ein "Zusammenschluss kulturpolitisch interessierter und engagierter Menschen" aus Kunst, Kultur und Publizistik sowie Politik und Verwaltung. Sie will ausdrücklich kein "berufsständischer Interessenverband" sein, sondern ein bundesweites Forum bilden, um programmatische Debatten über die Grenzen der Bundesländer hinweg anzustoßen, die aufgrund des Föderalismus die Zuständigkeit für Kulturpolitik haben. 1976 gegründet, wollte sie eigenen Angaben zufolge Bundeskanzler Willy Brandts Losung "Mehr Demokratie wagen" in den Kulturbereich tragen. Inzwischen gehören ihr mehr als 1.400 Mitglieder an. Ihr Präsident ist der Geschäftsführer der Ruhr.2010, Oliver Scheytt. Dem Vorstand gehört unter anderem der kulturpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Siegmund Ehrmann, an; im Kuratorium sitzt beispielsweise Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).

Gewerkschaften

Es gibt keine Gewerkschaft für den gesamten Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft. Doch haben zum Beispiel Journalisten eigene Gewerkschaften. Die Größte in ganz Europa ist nach eigenen Angaben der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Er zählt rund 39.000 Mitglieder und wurde 1949 gegründet. Darauf folgt die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), die 1951 gegründet wurde. Sie gehört inzwischen zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die beispielsweise auch Schauspieler vertritt, und hat nach eigenen Angaben circa 20.000 Mitglieder.

Der Bund

Die aktuellste Statistik zu den Ausgaben des Staates ist der Kulturfinanzbericht 2008 des Statistischen Bundesamtes. Demzufolge gaben Bund, Länder und Gemeinden im Jahr 2007 gut 8,1 Milliarden Euro für Kultur aus, das entspricht rund 1,6 Prozent ihres Gesamtetats. Der Bund hatte dabei den geringsten Anteil: Er steuerte etwa 13 Prozent der Förderung bei, das waren mehr als eine Milliarde Euro.

Seit 1995 haben sich die Ausgaben allerdings erhöht. Spendierte der Bund 1995 noch 966 Milliarden, waren es 2005 rund 1 Milliarde Euro. Für das Jahr 2010 sind etwa 1,2 Milliarden Euro eingeplant. Der Bund übernimmt vor allem die Förderung, die der gesamtstaatlichen Repräsentation dient. Die Regierung stellt Gelder unter anderem für die Förderung der Hauptstadt zur Verfügung, etwa die Restaurierung der Gebäude auf der Museumsinsel, für den Schutz des kulturellen Erbes und für Auswärtige Kulturpolitik, zum Beispiel die Goethe-Institute.

Die Bundesländer

Laut Kulturfinanzbericht investierten die Länder im Jahr 2005 - dem damals aktuellsten Jahr, für das endgültige Zahlen vorlagen - mehr als 3,3 Milliarden Euro. Das waren rund 42 Prozent der staatlichen Ausgaben (Bund, Länder und Gemeinden) und entsprach 40,60 Euro pro Einwohner. Die höchste Summe der Flächenländer investierte Bayern mit 465 Millionen Euro, die niedrigste Summe das Saarland mit 37,8 Millionen Euro. Von den Stadtstaaten investierte Berlin mit mehr als 498 Millionen Euro am meisten.

Umgerechnet auf die Einwohnerzahl stellt sich die Situation in den Bundesländern wie folgt dar: Hier lag der Freistaat Sachsen 2005 mit 155,40 Euro pro Kopf vorn, das Schlusslicht bildete das Saarland mit 50,10 Euro. Aufgeteilt in Sparten, wurden vor allem die Bereiche Denkmalschutz und -pflege (62 Prozent) sowie Kunsthochschulen (96 Prozent) überwiegend von den Bundesländern finanziert.

Die Gemeinden

Die Gemeinden trugen im Jahr 2005 den größten Anteil der öffentlicher Ausgaben für Theater und Musik sowie für Bibliotheken. Die Höhe der Zuschüsse schwankt, unter anderem weil sie auch von den Einnahmen, etwa durch Theateraufführungen, abhängig ist. Die Kommunen übernahmen 2005 über 44 Prozent der staatlichen Kulturausgaben; mehr als 3,6 Milliarden Euro.

An der Spitze liegen bayerische Gemeinden mit gut 518 Millionen Euro, das Schlusslicht bilden Kommunen des Saarlands mit fast 15 Millionen Euro. Rund ein Fünftel der Ausgaben entfiel auf die elf Städte, die mehr als 500.000 Einwohner haben und nicht zu den Stadtstaaten gehören. Diese stellten 2005 für Kultur 122,32 Euro je Einwohner aus allgemeinen Haushaltsmitteln bereit. Bei Gemeinden mit 10.000 bis 20.000 Bürgern sind die Investitionen naturgemäß niedriger: Sie lagen bei 15,65 Euro pro Kopf. Verteilt auf alle Kommunen ergibt sich ein Durchschnitt von 45,07 Euro je Einwohner.

Überall sitzen junge Männer mit langen Haaren. Dieser Einheitslook fällt als erstes auf, wenn man durch die Großraumbüros streift. Auf den Tischen stapeln sich neben den Tastaturen gelbe und grüne Plastikgewehre, an den Wänden hängen Figurenskizzen, Galerien von Monstern, die alle eine Ähnlichkeit mit Wirbellosen haben. Auf den Bildschirmen drehen sich bizarre Fantasiewelten, ein Mitarbeiter fummelt gerade an einem kopflosen braunen Wesen herum, das aussieht wie eine braune Socke. Hier ist es also, das Schlaraffenland für Computerfreaks.

"Es ist noch ein bisschen leer hier", sagt Bernd Beyreuther und schwenkt seinen Arm einmal quer durch den Raum. Der 39-Jährige ist einer der Gründer von "Radon Labs", einer der erfolgreichsten deutschen Computerspielfirmen. Sie sind erst vor einem halben Jahr hier in den sechsten Stock gegenüber vom Berliner Alexanderplatz gezogen, es war so viel zu tun, fürs Einrichten war einfach noch keine Zeit. "Aber immerhin haben wir unsere Spielekonsolen aufgebaut", fügt er hinzu, "unsere Leute müssen ja auch ausprobieren, was sie entwerfen".

"Unsere Leute", das sind 90 Mitarbeiter, Grafiker, Programmierer, Buchhalter, die ganze Bandbreite. Und das bekannteste, was sie derzeit entwerfen, ist die Welt von "Drakensang", ein Rollenspiel im Universum von "Das Schwarze Auge". Es ist eine friedliche, gemütliche Fantasy-Welt, alles versehen mit einem Hauch von Caspar David Friedrich-Romantik. Teil Zwei ist nun erschienen, ein Add-On ebenfalls, das Spiel ist ein Erfolg. "In dem Spiel fließen 20 Jahre Erfahrung zusammen", sagt Beyreuther, der an der Filmhochschule Potsdam Trickfilmzeichnen studierte, und schon immer "fiktive Welten beleben wollte".

Millionenumsätze

Lange arbeiteten sie, wie in der Branche üblich, von Projekt zu Projekt; seit sie die Nachwehen der geplatzten New Economy zu spüren bekamen, haben sie sich breiter aufgestellt, entwerfen nun auch Pferdespiele, Spiele zu Fernsehserien, Lernspiele für Schulbuchverlage. Mittlerweile machen sie 3 bis 4 Millionen Euro Umsatz jährlich, 20 Projekte laufen parallel. Es gibt viel zu tun, das sieht man auch an Beyreuthers tiefen Augenringen. In der Zeit des Umbruchs wurde deutlich, dass ihrer Branche eine Interessenvertretung fehlte. Sie gründeten "G.A.M.E" mit, den heutigen Bundesverband der Computerspielentwickler. Die Szene professionalisierte sich, wurde ernster genommen.

Sie sind nichts weniger als Computerspiel-Pioniere, Beyreuther und seine Schulfreunde André Weißflog und André Blechschmidt, die Köpfe hinter "Radon Labs". Als Jungs haben sie angefangen, im Keller, zu Hause im Erzgebirge. Hier tüftelten und löteten die Jungs, bauten Spiele wie "Pac Man" nach. Die Bastel-Keller waren voller Radon, wegen des uranhaltigen Granitbodens der Gegend, daher auch der Name, "Radon Labs". "Man kann sagen, André Weißflog war der einzige, der in der DDR mit der Entwicklung von Computerspielen Geld verdiente", erzählt Beyreuther.

Der Doppelgewinn

Ihrer Vorreiterrolle wurden sie im vergangenen Jahr erneut gerecht, sie heimsten gleich in zwei Kategorien den erstmals ausgelobten Deutschen Computerspielepreis ein; Kulturstaatsminister Bernd Neumann sagte damals, man sei überzeugt, dass dieser Preis den Wirtschaftsstandort Deutschland im Hinblick auf die Entwicklung kulturell und pädagogisch wertvoller Computerspiele fördere und nachhaltig stärke. Bernd Beyreuther kann ihm da nur recht geben: "Der Preis war für uns in dem einen Jahr schon enorm wertvoll. Er ist nicht nur ein Etikett, es ist etwas Handfestes. Banken, Investoren, alle können daran ablesen: Die taugen etwas."

Denn eine Ware wie ihre stellt Banken vor ein Problem: Ein Computerspiel ist ein virtuelles Produkt, Kredite gibt es dafür nicht. "Zum Glück ändert sich das mittlerweile", sagt Beyreuther. Dennoch: Ohne Mischfinanzierung geht es nicht, ein Teil sind öffentliche Mittel. Doch auch das war lange kompliziert, bekamen sie doch höchstens Förderungen für technologische Entwicklungen. Weil die Mitteldeutsche Medienförderung auch projektbezogene Standortpolitik betreibt, hat "Radon Labs" nun eine Zweigstelle in Halle: "Sonst hätten wir ,Drakensang' nicht realisieren können", macht Beyreuther klar. Er freut sich, dass inzwischen auch einige auf die Kreativwirtschaft spezialisierte Förderinstitutionen ihre Richtlinien erweitert haben, und nun nicht nur Filme finanzieren, sondern auch explizit Computerspiel-Projekte. Und er wünscht sich etwas, das nicht nur für seine Branche wichtig ist: "Schnelles Internet - für alle".

Manchmal ist die Realität subversiver als jede Fiktion. Da ist dieser große kastige Bau, das Eingangsportal in der Mitte, zwei ausladende Gebäudeflügel rechts und links. Er steht in einer Seitenstraße am Berliner Volkspark Friedrichshain, in den 1930er Jahren war er Sitz der NSDAP-Zentrale Ost-Berlins. Und ausgerechnet hier residiert heute die "Vergangenheitsagentur".

Reiner Zufall, sagt Alexander Schug und schiebt sich seine Woody Allen-Brille zurecht. Der 36-jährige promovierte Historiker hat sich mit seiner Agentur darauf spezialisiert, die Geschichte von Firmen, Institutionen und Vereinen zu recherchieren - und aufzuschreiben. Und dazu gehört auch oft, deren NS-Vergangenheit aufzudecken.

"Wir mussten unseren Beruf selbst erfinden", sagt Schug und meint damit sich selbst und den Mitgründer Hilmar Sack. Der einstige Kompagnon ist nun nur noch für einzelne Projekte mit an Bord. Beide ahnten, dass sie fürs klassische Archivarendasein nicht geschaffen waren. "Ich passte nicht ins Raster definierter Berufe", sagt Schug, er arbeitete in PR-Agenturen, im Journalismus, in Museen - alles nicht sein Ding. Die Magisterarbeit, eine historische Aufarbeitung einer deutschen Werbeagentur, öffnete ihnen die Augen: Sie hatten ihre Marktlücke gefunden.

Vergangenheit als Marke

"History Marketing", nennt Schug seine Arbeit: die Vergangenheit für Werbezwecke nutzen. "Wer auf 100 Jahre Qualitätsarbeit verweisen kann, schafft Vertrauen und schärft gleichzeitig das Markenprofil", erklärt er den Mehrwert dokumentierter Unternehmenshistorie.

In den USA gibt es den Dienstleistungszweig "History Marketing" schon seit einigen Jahrzehnten, in Deutschland kam diese Branche erst mit der Zwangsarbeiter-Debatte in den 1990er Jahren ins Laufen. Damals standen deutsche Unternehmen und Institutionen im Zentrum öffentlicher Diskussionen um ihre Rolle während des Nationalsozialismus. Viele mussten ihre Unternehmensgeschichte neu schreiben, Transparenz schaffen stand bei vielen auf einmal hoch im Kurs. Auch eine Imagefrage. "Davon haben wir profitiert", sagt Schug.

Wenn es gut läuft, heißt das, dass er Aufträge hat für ein, zwei, drei größere Projekte, für zwei, sechs, zwölf Monate. Brot für die Welt steht auf seiner Referenzliste, Banken, Brauereien, Lebensmittelkonzerne, auch ein Archiv für den Palast der Republik hat er aufgebaut; im Herbst 2009 kam als Spin-Off noch der "Vergangenheitsverlag" dazu. Wie viel Umsatz er macht, möchte er nicht sagen, nur so viel: "Ich verdiene besser, als wenn ich einen Job im Museum angenommen hätte". 60-Stunden-Wochen sind die Regel, er arbeitet nachts, an Wochenenden. Man kann sagen, sein Berufsalltag ist ein Paradebeispiel für das, was oft "Entgrenzung der Arbeitszeit" genannt wird.

Kein Interesse an Förderung

Angefangen hat alles in kleineren Dimensionen, "es war ein schleichendes Gründen", wie Schug es formuliert. Ihre Doktorandenstellen waren für sie eine Art Gründungszuschuss. "Wir hatten nicht einmal einen Businessplan." Und als Schugs Wohnung eines Tages aus allen Nähten platzte, weil ein Unternehmen auf einen Schwung 20 Kartons voller Aktenordner geschickt hatte, war klar: Die Werbechefs großer deutscher Firmen in der eigenen Einzimmerwohnung zu empfangen, das geht nicht mehr. Mit seinen vier festen Mitarbeitern und den beiden Praktikanten teilt er sich nun die drei Büroräume, die die Agentur in dem geschichtsträchtigen Gebäude gemietet hat, und eine Archivkammer gibt es obendrein. Ein Ikeasofa, ein Nierentisch, Tischplatten, die sich an der Wand entlang ziehen, ein Mikrofon für Aufnahmen, eine Flipchart: Alles wirkt ein wenig provisorisch zusammengewürfelt, überhaupt nicht durchgestylt, wie es das Berliner Gründerklischee so will.

Und noch etwas ist ungewöhnlich: "Fördermittel, Kulturfonds und dergleichen haben für uns noch nie eine Rolle gespielt", sagt Schug. "Es ist mir schlicht zu aufwendig, all die Anträge zu formulieren - in der Zeit schreibe ich zwei Bücher." Er hat sich dann aber doch noch helfen lassen: Von Beratern mit BWL-er Blick, ein Service des "Kreativ Coaching Center". Das Angebot, das unter anderem von der Investitionsbank Berlin finanziert wird, ist auf Kulturschaffende spezialisiert, die sich selbstständig machen, ihre Firmenideen verwirklichen wollen. Das Konzept hat Alexander Schug so überzeugt, dass er gerade an einem neuen Projekt sitzt: ein Buch mit Gründungstipps für die Kreativszene. Er weiß ja jetzt, wie es geht.

Die Autorin arbeitet als freie Journalistin in Berlin.