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Urheberrecht zwischen Schutz und Abschaffung

Kulturflatrate Die kulturpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen über das Für und Wider einer pauschalen Abgabe

22.02.2010
2023-08-30T11:25:48.7200Z
5 Min

Im Internet können Musik und Filme heruntergeladen werden, ohne dass die Urheber dafür entschädigt werden. Ist eine Pauschalabgabe auf Internetanschlüsse die Lösung?

Die Union

will den finanziellen Wert kultureller und kreativer Leistungen stärker im gesellschaftlichen Bewusstsein verankern. Kulturgenuss ohne die Bereitschaft, das Werk von Künstlerinnen und Künstlern zu honorieren, führt letztlich zur kulturellen Verarmung unserer Gesellschaft.

Eine Kulturflatrate entzieht den Künstlerinnen und Künstlern sowie den Rechteinhabern entscheidende Rechte an der Verbreitung und Veröffentlichung ihrer Werke. Sie wären de facto gezwungen, einer massenhaften Vervielfältigung und Vermarktung ihrer Werke zuzustimmen. Derzeit arbeitet die Wirtschaft an eigenen Geschäftsmodellen, zum Beispiel im Musikbereich, die für die Zahlung einer bestimmten Summe eine unbegrenzte Zahl von Downloads ermöglichen. Diese zarten Pflänzchen wären durch die staatliche Regelung einer Kulturflatrate zum Sterben verurteilt. Und niemand hat uns bisher sagen können, ob die derzeit diskutierte Höhe der Pauschale von 5 bis 10 Euro den berechtigten finanziellen Interessen der Kreativen wirklich angemessen wäre. Blieben für den einzelnen Kreativen wirklich mehr als nur Brotsamen übrig? Kurzum: Die Flatrate ist nicht geeignet, die Aushöhlung der Urheberrechte insbesondere im Internet einzudämmen und sie verhindert individuelle Leistungsanreize.

Im Regierungsprogramm

zur Bundestagswahl 2009 hat sich die SPD für die Prüfung einer Kulturflatrate eingesetzt, weil es aus unserer Sicht eine ergebnisoffene Diskussion über mögliche Formen der Verwertung und Vergütung des geistigen Eigentums in der digitalen Welt geben sollte.

Mit einer Kulturflatrate könnte die legale Verwertung geistigen Eigentums in der digitalen Welt vereinfacht und Einkommen von Künstlerinnen und Künstlern auch im Internet generiert werden. Ähnlich wie in der analogen Welt könnten Verwertungsgesellschaften kollektiv die Rechte der Urheber an der Verwertung wahrnehmen.

Gleichwohl kann ich die bestehende Skepsis gegenüber einer Kulturflatrate nachvollziehen, erst Recht, solange die rechtlichen (Eingriff ins Eigentum, Datenschutz), wirtschaftlichen (Wann rechnet sich das Modell für die Beteiligten?) und technischen Fragen (Wer zieht ein, wer schüttet aus? Pauschale Abgabe auf einen Internetzugang oder Abgabe nach Nutzung?) noch unklar sind. Schließlich existieren bisher noch sehr unterschiedliche Modelle einer Kulturflatrate, die von einer Abgeltung für jegliche Nutzung von Werken im Internet bis hin zu sehr ausdifferenzierten Modellen reichen, die zum Beispiel nur für das Herunterladen von Musik gelten oder sich auf den Bereich der privaten Nutzung beschränken.

Im Rahmen eines Kreativpaktes im Dialog mit Kultur- und Medienschaffenden, Künstlern, Kreativen sowie mit Netzbetreibern, Internet-Service-Providern und Verwertungsgesellschaften werden wir praktikable Lösungen erarbeiten.

Das Urheberrecht

hat auch in der digitalen Welt eine Schlüsselfunktion. Es schafft nicht nur die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Kulturwirtschaft, sondern ist mit seinen eigentums- und persönlichkeitsrechtlichen Ausprägungen auch der Humus für kulturelle Vielfalt.

Wir müssen das Urheberrecht deshalb laufend weiterentwickeln, um das hohe Schutzniveau gerade auch im digitalen Umfeld zu erhalten. Aus diesem Grund ist das Konzept der "Kulturflatrate" verfehlt.

Ein solches Vergütungsmodell würde rechtswidrige Nutzungen im Internet faktisch legalisieren, das Urheberrecht als Eigentumsrecht in der digitalen Welt damit vollständig entwerten und das Fundament der Kulturwirtschaft zerstören.

Im Kern bedeutet die "Kulturflatrate" die Abschaffung des Urheberrechts. Sie ist die falsche Antwort auf die offenen Fragen im Urheberrecht. Für das Inkasso und die Verteilung dieser Abgabe müsste zwangsläufig ein neues bürokratisches Monstrum geschaffen werden.

Schließlich ist eine Kulturflatrate auch sozialpolitisch ein Irrweg: Damit eine solche Abgabe wenigstens annähernd die Verluste der Rechteinhaber ausgleichen könnte, wäre sie sehr hoch anzusetzen.

Im Übrigen müsste diese Internetsteuer auch von Menschen bezahlt werden, die tatsächlich keine geschützten Werke aus dem Internet herunterladen. Bisher illegale Downloads würden durch die "Kulturflatrate" kostenmäßig auf alle Internetnutzer pauschal umgelegt. Eine solche Sozialisierung der Kosten lehnt die FDP ab.

Eine Kulturflatrate

im Sinne einer allgemeinen Medienabgabe auf das Internet ist problematisch. Sie führte zu Zwangsvergütung aller kostenfreien Inhalte, zu einem beständigen Streit um Vergütungsquoten und in ungeahnte Höhen. Schließlich sind nahezu alle Kulturgüter digital darstellbar und erhöhten eine pauschale Medienabgabe kontinuierlich. Etwas anderes gilt für eine Kulturflatrate im Sinne eines Abschlusszwangs für Internet-Provider, die allein als Ausgleich für illegale Downloads gewährt würde. Der Tausch von urheberrechtlich geschützten Inhalten würde dann über eine Abgabe an die Verwertungsgesellschaften abgegolten, die diese an die Urheber und Verwerter weiterreichten. Das setzt allerdings voraus, drei Sachverhalte zu klären.

Erstens: Das Ausmaß urheberechtswidriger Downloads muss messbar sein. Möglich wäre dies durch die Erhebung von statistisch gesicherten Stichproben oder durch die Etablierung eines statistischen Panels ähnlich der Nutzungsforschung im Rundfunkbereich. Zweitens: Die Verwertungsgesellschaften erhalten bereits heute Urheberrechtsabgaben aus dem Verkauf von Leermedien (CD/DVD/Blu-ray) und Hardware. Vor Erhebung einer neuen Abgabe müssen diese gegengerechnet werden. Drittens: Das System der Verwertungsgesellschaften selbst muss auf den Prüfstand. Erforderlich ist die Gewährleistung einer demokratischen Teilhabe aller Wahrnehmungsberechtigten - insbesondere der nicht etablierten Künstler und Urheber sowie der Kleinveranstalter - in den Entscheidungsgremien und bei der Verteilung der Einnahmen.

Angesichts

der unzähligen Veröffentlichungs- und Vervielfältigungsmöglichkeiten des Internets müssen wir eine Lösung finden, die Kulturschaffenden eine angemessene Vergütung sichert und Bürgerinnen und Bürgern den legalen und barrierefreien Zugang zu digitalen Kulturgütern für private Zwecke ermöglicht. Die momentane Situation ist unüberschaubar, intransparent und ungerecht: Große Unternehmen wie Apple machen Milliardengewinne mit Werken, deren geistige Urheberinnen und Urheber nur einen winzigen Bruchteil der Erlöse abbekommen. Gleichzeitig werden Nutzerinnen und Nutzer pauschal kriminalisiert, wenn sie Angebote aus dem Netz herunterladen. Die Politik muss hier die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen fairen Interessensaustausch schaffen. Die Grünen fordern eine transparente Lösung, die in erster Linie den Urheberinnen und Urhebern und Nutzerinnen und Nutzern zugute kommt. Eine Kulturflatrate könnte bei entsprechender Ausgestaltung ein richtiger Weg sein. Das Institut für Europäisches Medienrecht kam im März 2009 zudem Ergebnis, dass die Einführung einer Kulturflatrate nach deutschem und europäischem Recht machbar wäre. Nun muss die konkrete Ausgestaltung diskutiert werden.

Die Definition einer angemessenen Vergütung ist angesichts der Vielfalt der Werke eine der entscheidenden Fragen. Eine Pauschalvergütung darf das Internet nicht endgültig zur Plattform quantitativer Beliebigkeit degradieren. Es müssen Wege gefunden werden, Qualität und fruchtbaren Wettbewerb im Netz zu gewährleisten, ohne die kulturelle und mediale Teilhabe für alle aus dem Blick zu verlieren.