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Die Lücke am Bau

BAU Mit der Konjunktur kommt auch die Bauwirtschaft langsam wieder in Gang. Die Erholungstendenzen dürfen den Blick auf die Zukunft nicht verstellen: In…

22.02.2010
2023-08-30T11:25:48.7200Z
3 Min

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes sprechen eine deutliche Sprache: 2008 wurden in Deutschland 174.600 Wohnungen genehmigt. Das waren etwas weniger als 2007 mit 182.315 Wohnungen. In den ersten neun Monaten des Jahres 2009 setzte sich der Abwärtstrend fort. So zählten die Statistiker von Januar bis September 128.842 Baugenehmigungen, was gegenüber dem Vorjahreszeitraum einem Rückgang um 3,1 Prozent entspricht. Zwar glauben die Landesbausparkassen eine "Belebung im Wohnungsbau" zu spüren, weil die Unsicherheit potenzieller Bauherren zurückgehe und die Riester-Wohnungsbauförderung erste Wirkungen zeige. Und auch die KfW Bankengruppe glaubt, dass die Talsohle durchschritten ist. Aber selbst wenn die von den Bausparkassen veröffentlichte Prognose von 195.000 Baugenehmigungen in diesem Jahr eintreffen würde, könnte der Bedarf nicht gedeckt werden. Der wird auf 400.000 Wohnungen pro Jahr geschätzt. "Das Neubauniveau ist immer noch zu gering", bestätigt auch die KfW.

Ersatzbedarf

Warum so viele Wohnungen gebraucht werden, erklärt das Eduard-Pestel-Institut in Hannover: Der klassische Wohnungsbedarf, der demografisch und durch Zuwanderung begründet wird, macht bis 2013 rund 250.000 Wohnungen aus, sinkt danach aber auf 150.00 Wohnungen bis zum Jahr 2025. In Westdeutschland müssen veraltete Geschosswohnungen aus der Nachkriegszeit in einer Größenordnung von 80.000 Wohnungen pro Jahr ersetzt werden. Auch andere bis 1978 gebaute Wohnungen sind bereits veraltet und müssen ersetzt werden (150.000 bis 200.000 pro Jahr).

"Die niedrige Bautätigkeit führt in Ballungszentren und vielen Regionen in Deutschland bereits heute zu einem Wohnungsmangel, von dem Familien und Senioren besonders betroffen sind", schreibt das Verbändebündnis "Kampagne Impulse für den Wohnungsbau", in dem sich die Industriegewerkschaft Bau, das Bau- und Fachgewerbe, Immobilienunternehmen sowie der Deutsche Mieterbund zusammengeschlossen haben.

Das Bündnis verlangt mehr staatliche Förderung für den Wohnungsbau und ist sich dabei sicher, den Wünschen breiter Schichten zu entsprechen: Nach einer aktuellen Umfrage von Prognos und Allensbach wollen 1,5 Millionen Mieter Wohneigentum erwerben. Aber 40 Prozent geben an, sich ohne staatliche Förderung den Traum von den eigenen vier Wänden nicht erfüllen zu können. Auch Klimaschutzziele könnten mit Neubauten besser realisiert werden, so das Bündnis.

Allerdings wurde die staatliche Eigenheimzulage gestrichen und ihre Abschaffung noch im jüngsten Subventionsbericht als wichtiger Beitrag zum Subventionsabbau (17/465) gefeiert. Die inzwischen als kleiner Ersatz eingeführte Riester-Wohnungsbauförderung ist nach Ansicht des Verbändebündnisses ungeeignet. So darf eine Riester-geförderte Immobilie auch bei einem beruflich bedingten Wohnortwechsel nicht vermietet werden. "Wer seine Immobilie über Wohn-Riester erworben hat, muss sie entweder wieder verkaufen oder Förderbeträge zurückzahlen", moniert Walter Rasch, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Das Verbändebündnis fordert daher nicht nur eine Lockerung der Förderungsbedingungen für Wohn-Riester, sondern auch "den Bestandsersatz als eine Variante der Modernisierung zu betrachten", so Hans-Hartwig Löwenstein, Präsident des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes.

Alle in der Sanierung möglichen Förderungen müssten auch für Ersatzneubauten gelten. Rückbaukosten und die Kosten für ein Umzugsmanagement seien ebenfalls zu berücksichtigen. Als Förderungsmittel besonders für junge Familien wird die Wiedereinführung der Eigenheimzulage gefordert.

Der Bau gilt als Motor der Konjunktur. Dass die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland schon vor der Krise so niedrig waren, dürfte am Niedergang der Bauwirtschaft liegen. Zwei Zahlen machen das deutlich: Der Anteil der Bauwirtschaft an der Bruttowertschöpfung sank von sieben Prozent im Jahr 1994 auf 4,2 Prozent im Jahr 2008. Und die Zahl der am Bau Beschäftigten ging von 1995 (3,2 Millionen) auf nur noch 2,2 Millionen zurück.

Impulse der Branche

Von einer Renaissance der Bauwirtschaft könnten starke Konjunkturimpulse ausgehen. Das Verbändebündnis rechnet mit mehr als 700.000 neuen Arbeitsplätzen bei 400.000 Wohnungen pro Jahr. Auch für Vater Staat würde sich mehr Bauförderung schnell amortisieren: 20 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen werden erwartet. Die bestehenden Wohnungen aus der Nachkriegszeit sind in den seltensten Fällen altengerecht und schon gar nicht behindertengerecht. Die Bäder sind zu klein, Türen zu eng, und es gibt oft Treppen in den Wohnungen, die für alte und kranke Menschen ein unüberwindbares Hindernis darstellen können. Behindertengerechte Neubauten könnten zu einer Entlastung der Pflegeheime beitragen, die angesichts des wachsenden Anteils älterer Menschen sich einer großen Nachfrage nach Heim- und Pflegeplätzen konfrontiert sehen. Wenn mehr Senioren in der eigenen, barrierefreien Wohnung bleiben und bei Bedarf dort auch von Pflegediensten versorgt werden könnten, werden erhebliche Einsparungen für die Pflegeversicherung erwartet. Die Rede ist von 2,1 Milliarden Euro pro 100.000 neuen Wohnungen.