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Ein Perspektivenwechsel

AFGHANISTAN Tauziehen um das neue Mandat

01.03.2010
2023-08-30T11:25:48.7200Z
2 Min

Viele Abgeordnete hatten bis zuletzt mit sich gerungen. "Dies ist kein leichter Tag für das Parlament ", fasste der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Frank-Walter Steinmeier, die Stimmung im Bundestages an diesem Morgen des 26. Februar zusammen. Die Atmosphäre bei der Abstimmung über das neue Afghanistan-Mandat der Bundeswehr war schon angespannt, bevor Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) Abgeordnete der Linksfraktion des Saales verwies (siehe Seite 4).

Steinmeier hatte seiner Fraktion - trotz "Zweifeln an der Führungsfähigkeit der Regierung" sowie der Notwendigkeit zusätzlicher Soldaten - die Zustimmung zum Mandat empfohlen. Es stelle einen "Perspektivenwechsel vom Daueraufenthalt deutscher Streitkräfte in Afghanistan hin zur Beendigung des Militäreinsatzes" dar, erklärte er. Doch 16 SPD-Abgeordneten reichte das nicht. Sie stimmten gegen das Mandat; acht weitere enthielten sich. Lars Klingbeil - der selbst mit Ja stimmte - begründete die Bedenken seiner Kollegen: Es gebe Fehlentwicklungen in Afghanistan, zudem werde das Mandat unmittelbar nach der Afghanistan-Konferenz und ohne öffentliche Debatte durch "das Parlament gejagt". Die sei kein "verantwortungsvolles Handeln einer Regierung".

Offene Fragen

Noch größer war der Widerstand bei den Grünen. Von 64 anwesenden Abgeordneten votierten nur acht mit Ja. Fraktionschefin Renate Künast freute sich zwar, "dass es bei vielen Schatten auch Licht gibt, dass es verstärkte Bemühungen um regionale Lösungen geben soll und es eine Verständigung auf eine Aufbau- und Abzugsperspektive gibt." Doch klare Konzepte fehlten ihr: Unklar sei zum Beispiel, wie die Ausbildung der afghanischen Polizisten vonstatten gehen soll, auf welcher Rechtsgrundlage die Polizisten arbeiten werden und wie die Regierung sicherstellen wolle, dass die zusätzlichen Mittel für die zivile Hilfe auch bei den Menschen ankommen. Viele Fragen, keine Antworten, bemängelte Künast: "Das, was Sie bisher vorlegen, ist anspruchslos." Offenkundig sei der "Mangel an Systematik".

Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Stinner, wertete das Mandat demgegenüber als einen "grundsätzlicher Neuanfang". Es trage dazu bei, aus eigenen Fehlern zu lernen und besser zu werden. Priorität habe der zivile Aufbau in Afghanistan. "Dafür brauchen wir weiterhin die Bundeswehr", betonte Stinner. Andreas Schockenhoff (CDU) erklärte, das Mandat sei das Ergebnis einer "umfassenden Überprüfung und Neuausrichtung unserer Anstrengungen in Afghanistan". Deutschland habe sich in seinem Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans "klare Ziele gesetzt, um eine selbsttragende Sicherheit zu erreichen". Auf diese Weise fördere das Mandat eine "Übergabe in Verantwortung". Doch Zweifel an dieser Lesart gab es offenbar auch innerhalb der Koalition. Das zeigen drei Enthaltungen und eine Nein-Stimme bei der FDP und zwei Nein-Stimmen bei der CDU.

Erwartet worden war indes das erneute Nein der Linksfraktion. Unmittelbar bevor sie den Plenarsaal verließ, sagte ihre Abgeordnete Christine Buchholz: "Solange die zivile Hilfe dem Ziel der militärischen Aufstandsbekämpfung untergeordnet ist, wird sie niemals in der Lage sein, die Lebensbedingungen der Afghanen zu verbessern. Der Krieg wird weitergehen. Weitere Menschen werden getötet werden."