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»Mr. Big«

Biographie Marc Hujer schildert den Aufstieg Arnold Schwarzeneggers als eine Flucht vor der österreichischen Provinz

01.03.2010
2023-08-30T11:25:49.7200Z
4 Min

Alles war gut - zumindest bis zum 26. Dezember 2005. Arnold Alois Schwarzenegger, der Gendarmen-Bub aus Thal in der Steiermark, hatte es geschafft. Vom österreichischen Naturburschen, aufgewachsen in Enge und Armut, hatte er sich zum unumstrittenen Dream-Boy Kaliforniens gemausert. "Arnie", das war Österreichs Exportschlager Nummer Eins. Ein einstiges "Landei", das sich allein durch die Kraft des Kaiserschmarrns zum stärksten Mann der Welt hochgepäppelt hatte. So wollte es der Mythos. Dann kam jene Nacht vor fünf Jahren. In Graz, wo man den einstigen "Terminator" 1999 noch mit dem Ehrenring der Stadt ausgezeichnet hatte, begann ein merkwürdiges Schauspiel. Vor dem Arnold-Schwarzenegger-Stadion machten sich damals Handwerker daran, das große Namensschild über dem Eingangsportal zu zerlegen. Jene Sportstätte, in deren Katakomben Schwarzenegger einst sein erstes Bodybuilding-Training absolviert hatte, sollte fortan lieber wieder "Liebenauer Stadion" heißen. "Arnie" hatte als Vorbild ausgedient.

Das war das Ende: Eine Beziehung war gescheitert, die all die Jahre ohnehin nur einseitig gewesen war. Für Schwarzenegger war seine österreichische Heimat stets eine Bürde gewesen: "Ich habe in Österreich immer ein klaustrophobisches Gefühl gehabt. Ich musste weg - es war für mich nur eine Frage der Zeit", hat er einmal in einem Interview gesagt. Jetzt also hatte das kleine Heimatland nachgezogen, ihm nicht verziehen, dass er in seiner Rolle als 38. Gouverneur von Kalifornien das Gnadengesuch eines zum Tode verurteilten Mehrfachmörders abgelehnt hatte. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass unter seiner Regentschaft ein verurteilter Mörder hingerichtet worden war. Dieser Tote aber war einer zuviel. Für Österreich gab es kein "I'll be back" mehr.

"Knirps aus Thal"

Anzunehmen ist, dass Arnold Schwarzenegger selbst dieser Begebenheit vor dem "Liebenauer Stadion" keine Bedeutung beigemessen hat. Für Marc Hujer aber war dieser 26. Dezember 2005 ein Ereignis. Der 42-jährige "Spiegel"-Redakteur ist Schwarzeneggers Biograph und hat sich über viele Monate mit dem austro-amerikanischen Schwergewicht beschäftigt. Er hat zahlreiche Personen aus dem näheren Umfeld des einstigen "Mr. Universe" getroffen, hat Zeitungsartikel studiert und alte Filme "gescreent". Und am Ende, da hat er ihn sogar selbst getroffen: den "Gouvernator" - jenes politische Ausnahmetalent, das es 2003 vom Muskelmann zur Allzweckwaffe der US-Republikaner geschafft hatte.

Für Hujer scheint die Sache klar zu sein: Diese kalifornische Erfolgsgeschichte versteht nur, wer sie als Steirischen Traum erzählt. Mag der Gouverneur letztlich auch eine durch und durch amerikanische Figur sein, immer steckt hinter seiner Muskelmasse auch ein "Knirps aus Thal". Schwarzenegger ist der, der aus der Enge kommend das Weite suchte. Der das Große wollte, weil er das Kleine früh fürchten gelernt hatte. Sein Freiheitsstreben und seine spätere liberale Wirtschaftspolitik sind nicht nur von republikanischen Vorbildern wie Ronald Reagan und Richard Nixon geprägt worden. In dem zuweilen grobschlächtigen "Mr. Big" steckt auch die Unbeugsamkeit eines Andreas Hofer. "Im Kern", schreibt Hujer, "ist Schwarzenegger ein österreichischer Konservativer geblieben, fleißig, sparsam und auch ein Macho."

Gerade diese europäische Perspektive auf die zwei Karrieren Arnold Schwarzeneggers ist es, die Hujers Biographie interessant macht. Der Autor erzählt nicht das übliche Gewäsch von Tellerwäschern und Millionären. Sein Buch ist der Bericht von einem transatlantischen Wertekonflikt, den das Schicksal zufällig in den Körper eines "Michelinmännchens" gezwängt hat.

Lange Zeit hat man Schwarzenegger weder in Europa noch in den USA verstanden. Für die Alte Welt war er ein hirnloser Fitness-Freak, für die Neue ein edler Wilder. Erst als er mit Filmen wie Terminator und Last Action Hero jene Aufmerksamkeit bekommen hatte, nach der er sich als Sohn eines autoritären Vaters lange gesehnt hatte, wurde aus einem österreichischen "G'scheiten" ein unumstrittener Superheld. 1986 schließlich, nachdem er die Kennedy-Nichte Maria Shriver geehelicht hatte, schien "Arnie" nichts mehr stoppen zu können.

An Kampfeswillen hat es Schwarzenegger nie gemangelt. Was fehlte, das waren eher Visionen. Der Held jedenfalls, von dem Marc Hujer in seinem Buch berichtet, hat seine stärksten Momente im Kampf mit dem Gegner. Blass bleibt er indes, wenn er in die Niederungen des politischen Alltags hinabsteigt. So scheint seine 2003 gefällte Entscheidung, gegen den damaligen kalifornischen Gouverneur Gray Davis antreten zu wollen, ebenso frei im Raum zu schweben wie seine Steuer- oder Umweltpolitik. Das letzte, das politische Drittel im Leben des Arnold Schwarzenegger kommt in Hujers Biografie zu kurz. Vielleicht ist das aber weniger dem Autor als dem komplexen Thema geschuldet. Einen Bizeps-Umfang kann man schließlich in Zentimetern messen. Bei den politischen Visionen für das finanziell angeschlagene Kalifornien fällt die Vermessung um einiges schwerer.

Marc Hujer:

Arnold Schwarzenegger. Die Biographie.

Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009; 319 S., 19,95 €