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Gedächtnis mit Lücken

Kultur Ausschuss informiert sich über Kölner Archivunglück

08.03.2010
2023-08-30T11:25:50.7200Z
2 Min

Es gibt nichts, was nicht beschädigt wurde. Mit dieser Kurzformel fasste Georg Quander, Kulturdezernent der Stadt Köln, die Lage ein Jahr nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs in Köln zusammen. Der Ausschuss für Kultur und Medien hatte ihn und Bettina Schmidt-Czaia, die Direktorin des Archivs, am 3. März eingeladen, um Informationen über die aktuelle Situation und die Perspektiven des Archivs zu erhalten.

Zwar seien 85 Prozent der Bestände geborgen, aber "geborgen heißt noch nicht gerettet", betonte Quander. Kein einzelnes Stück könne ohne aufwändige Restaurierung zugänglich gemacht werden. "Das ist eine generationenübergreifende Aufgabe", die über 30 Jahre dauern würde, wenn 200 Restauratoren gleichzeitig an der Rettung arbeiten würden, rechnete er vor. Immer noch lägen 10 Prozent der Bestände im Grundwasser, Experten gingen von einem Totalverlust von 5 Prozent aus. Bisher geborgene Archivalien, führte Quander weiter aus, seien auf 19 "Asylarchive verteilt" worden.

Ein Generationenprojekt

Als problematisch erweise sich in diesem Zusammenhang aber nun vor allem, einen Überblick über diese Bestände zu bekommen. "Momentan können wir den Nachlassgebern die Frage nicht beantworten, was mit den Dokumenten geschehen ist, die sie uns überlassen haben." Derzeit sind nach seinen Ausführungen 90.000 Stücke mit einer speziellen Software identifiziert worden. Auch über die Kosten gab Quander einen Überblick: 153 Millionen Euro bringt die Stadt Köln von 2009 bis 2013 für "einsturzbedingte Aufwendungen" aus, davon entfallen 61 Millionen Euro auf die Rettung und Wiederherstellung der Archivalien. Um diesen enormen Finanzierungsaufwand zu sichern, wird eine "Stiftung Stadtgedächtnis" gegründet, an der sich neben Köln auch das Land Nordrhein-Westfalen und beide großen Kirchen beteiligen werden. Außerdem gebe es "positive Signale", dass sich auch der Bund an der Stiftung beteiligen wird, sagte Quander.

Digitalisierung als Chance

Bettina Schmidt-Czaia betonte: "Um Schönheitsreparaturen geht es nicht, es geht schlicht um die Nutzbarkeit und Restaurierung der Archivalien." Neben den Schäden an den einzelnen Stücken erweise es sich vor allem als Problem, dass die Bestände "ihren Kontext völlig verloren" hätten. Es helfe einem Nutzer ja nicht, führte sie aus, einen Brief eines Politikers vor sich zu haben, wenn er nicht weiß, in welchem inhaltlichen Zusammenhang dieser geschrieben worden sei.

Neben der Identifizierung der Stücke gehe es demnach vor allem um das Wiederherstellen der Kontexte, die Vorbereitung für die Restaurierung aber auch um die Digitalisierung, sagte sie. Zwar habe man auch vor dem Einsturz schon mit der Digitalisierung begonnen, doch sei es gewissermaßen eine Chance dieser Tragödie, dieses Projekt nun unter ganz anderen Vorzeichen voranzutreiben und zu intensivieren. Sie kündigte an, dass im Juli und August die letzten Exemplare aus dem Grundwasser geborgen werden sollen.