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Die erste Hürde ist genommen

INDIEN Das Oberhaus hat nach 13 Jahren Debatte beschlossen, künftig 33 Prozent der Parlamentssitze für Frauen zu reservieren

15.03.2010
2023-08-30T11:25:50.7200Z
3 Min

Es waren zwei turbulente Tage am 8. und 9. März 2010 im indischen Oberhaus, doch schließlich haben die Vertreter der Landesparlamente - pünktlich zum Internationalen Frauentag - die "Women's Reservation Bill" zur Einführung der Frauenquote auf den Weg gebracht. Einige Abgeordnete hatten versucht, den Wahlgang zu blockieren, indem sie sich vor den Vorsitzenden stellten, nach seinen Mikrofonen griffen und das Gesetzespapier in der Luft zerrissen. Doch das politische Theater fruchtete nicht. Ordner führten die störenden Parlamentarier aus dem Saal, dann erfolgte die Abstimmung: 186 Ja-Stimmen, eine Nein-Stimme und 39 Enthaltungen. Vor den Toren des Parlamentsgebäudes in Neu-Delhi feierten Frauenrechtsgruppen das Ergebnis.

Das Gesetz ist auf eine Laufzeit von 15 Jahren (voraussichtlich drei Wahlperioden) begrenzt. In einem Rotationssystem sollem jeweils 33 Prozent der zur Wahl stehenden Sitze in allen Volksvertetungen des Landes für Frauen reserviert werden. Die Gesetzesvorlage muss allerdings erst mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit das Unterhaus, die Lok Sabha, passieren. Dort wird eine heftige Debatte erwartet. Würden ein Drittel der Sitze in den indischen Parlamenten besetzt, hätte Indien eine der höchsten Frauenquoten weltweit.

Wenig Repräsentation

In der größten Demokratie der Welt werden Frauen nach wie vor in nahezu allen Lebensbereichen chronisch benachteiligt. Gerade ihre politische Beteiligung ist auch 63 Jahre nach der Staatsgründung gering. Im direkt gewählten Unterhaus sind nur 59 der insgesamt 545 Abgeordneten Frauen (10,9 Prozent), im Oberhaus (Rajya Sabha) sind nur 21 der 250 Sitze von Frauen besetzt (8,4 Prozent).

Die jetzige Gesetzesvorlage wurde bereits 1996 von der Regierungskoalition unter Deve Gowda diskutiert, erhielt aber nicht den nötigen politischen Rückenwind. Auch zwei weitere Anläufe unter Premierminister Atal Bihari Vajpayee lieferten kein Ergebnis. Erst die von der Kongress-Partei geführte Koalition brachte das Gesetzesvorhaben zur Abstimmung. "Der Erfolg ist zum einen zurückzuführen auf den heute vorherrschenden gesellschaftlichen Konsens, dass dieser Schritt notwendig ist", sagt Professor Yogendra Yadav vom "Centre for the Study of Developing Societies" (CSDS) in Neu-Delhi. "Zum anderen ist auch die Bedeutung der Vorsitzenden der Kongress-Partei, Sonia Gandhi, nicht zu unterschätzen. Sie wollte diese Vorhaben unbedingt durchbringen."

Für die von Premierminister Manmohan Singh (Kongress-Partei) geführte Regierungskoalition war es eine Zerreißprobe. Einige der eigenen Koalitionspartner verließen aus Protest den Saal. Sie hatten eine "Quote innerhalb der Quote" für ihre eigenen Wählergruppe gefordert. Andere enthielten sich der Stimme. Die Opposition unter Arun Jaitley (BJP) stimmte für das Vorhaben. Auch die oppositionellen linken Parteien unterstützten die Frauenquote.

Brinda Karat von der Kommunistische Partei sagt: "Wir haben den Prozess der Reservierung von Sitzen für Frauen bereits in den 1990er Jahren auf Gemeindeebene vorangetrieben. Dadurch haben sich die alten stereotypischen Vorstellungen von Frauen geändert. Dieses Gesetz ist der nächste logische Schritt." Durch eine Frauenquote im Parlament werde sich die Chance erhöhen, dass Frauen zu Wort kommen und genügend Zeit gefunden wird, um frauenspezifische Probleme zu diskutieren, meint sie.

Sharad Joshi aus Maharashtra ist der einzige Vertreter in der Rajya Sabha, der gegen das Gesetz votiert hat. Er nennt das Quotensystem ein "Lotterieprinzip": "Dieses Verfahren führt dazu, dass gewählte männliche Vetreter eines Wahlkreises wissen, dass sie bei der nächsten Wahl nicht mehr kandidieren dürfen. Dadurch verlieren sie die direkte Verantwortung gegenüber ihrem eigenen Wahlkreis", argumentiert er.

Dieses Problem sieht auch Professor Yadav: "Das Gesetz setzt eines der fundamentalen Prinzipien der repräsentativen Demokratie außer Kraft", sagt er. Die Quotenregelung sei ein "Reflex der politischen Kultur Indiens", in der es immer wichtig gewesen sei, auch benachteiligten Schichten der Bevölkerung Chancen im politischen Leben zu eröffnen. Doch auch er betont: Das Gesetz sein ein "wichtiger symbolischer Sieg für die Frauen".