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Die Honigbiene stirbt

LANDWIRTSCHAFT Die Bestäuber machen sich vom Acker. Vielerorts droht ein Ernteeinbruch

15.03.2010
2023-08-30T11:25:51.7200Z
4 Min

Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben: keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr." Das soll der Physiker Albert Einstein einmal gesagt haben. Auch wenn Einsteins Urheberschaft nicht gesichert ist, so hat die Prognose eine beängstigende Aktualität. "Wir gehen in diesem Winter von etwa 25 Prozent Verlust bei den Bienen aus", sagt Christoph Otten vom Imkerinstitut Mayen. Dabei ist das Bienensterben keineswegs allein den extremen Wintertemperaturen geschuldet. Das nach Rindern und Schweinen drittwichtigste Nutztier Deutschlands macht sich buchstäblich seit Jahrzehnten nach und nach vom Acker: Gab es vor 50 Jahren in Deutschland 1,5 Millionen Bienenvölker, waren es Mitte des vergangenen Jahres noch lediglich 620.000, schlägt der Deutsche Imkerbund Alarm.

Bestäubung notwendig

Nicht auszumalen, was in Deutschlands Obstplantagen, Wäldern und Schrebergärten los wäre, sollte sich dieser negative Trend fortsetzen. Die fleißigen Flieger erarbeiten einen "volkswirtschaftlichen Nutzen" von einer halben Milliarde Euro pro Jahr, schätzt das Imkerinstitut. Immerhin sind 80 Prozent der hiesigen Pflanzen auf die emsigen Pollensammler und ihren "Nebenjob" als Bestäuber angewiesen. Die Rapsernte beispielsweise fällt dank der Bienen bis zu 30 Prozent größer aus. Das Bienensterben hat längst die Agrarexperten der Fraktionen aufgeschreckt. Die Forschung müsste unbedingt intensiviert werden, sagt Friedrich Ostendorff von den Grünen.

Rätsel Varroa

Denn bei den Themen Pestizide, Nahrungsmangel und Erkrankungen wie die Faulbrut sind nach wie vor viele Fragen offen. Die größten Rätsel allerdings gibt den Wissenschaftlern die Varroa-Milbe auf - die mit Abstand schlimmste Bedrohung für die Bienen. Der aus Asien eingeschleppte Parasit befällt vor allem die Brut der Bienen. Im Sommer können die durch die Milbe verursachten Verluste unter den Bienen durch genügend Nachwuchs ausgeglichen werden. Da jedoch im Winter kein Nachwuchs das Licht der Welt erblickt, kann die Varroa-Milbe in dieser Zeit ein Bienenvolk empfindlich schädigen oder auslöschen.

Darüber, dass die Bekämpfung der Varroa-Milbe an oberster Stelle stehen muss, sind sich die Agrar-Experten aller Fraktionen einig. Schon heute versuchen Bienenforscher durch ein sogenanntes Bienenmonitoring die Völker intensiv zu beobachten. Ein nachhaltig wirksames Mittel gegen die Varroa-Milbe ist laut Otten noch nicht gefunden. Man habe lediglich kleinere Erfolge mit konzentrierter Ameisensäure erzielt.

Die meist ehrenamtlichen Imker sind oft mit der Bekämpfung des Parasiten überfordert, da die Schulung oder die Erfahrung im Umgang mit den Stoffen zur Schädlingsbekämpfung fehle. Deshalb schlägt Kirsten Tackmann von der Linksfraktion die Einführung eines "Bienen-Führerscheins" vor, der eine Schulung in der Schädlings- und Krankheitsbekämpfung beinhalten solle.

In der Frage, was darüber hinaus für den Schutz der Honigbiene in Deutschland getan werden kann, gehen die Meinungen der Fraktionen auseinander. Beispielsweise können sich die Grünen ein weitreichendes Verbot von Pflanzenschutzmitteln vorstellen. So wenig Pestizide wie möglich hält auch die SPD für sinnvoll. Heinz Paula, agrarpolitischer Sprecher der Fraktion, erinnert an das Bienensterben entlang der Rheinschiene im Jahr 2008, das von mit Pflanzenschutzmittel fälschlich gebeiztem Mais ausgelöst wurde. Einem generellen Verbot von Pflanzenschutzmitteln steht er jedoch kritisch gegenüber.

Diese Ansicht teilt auch Christel Happach-Kasan von der FDP. Sie gibt zu bedenken, dass bestimmte Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft dringend benötigt werden und ein Verzicht erhebliche Ertragsminderungen zur Folge hätte. "Pilzbefall beispielsweise führt zu Belastungen der Nahrungs- und Futtermittel mit hochgiftigen Pilzgiften", so die FDP-Politikerin. In solchen Fällen sei ein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln durchaus sinnvoll. Es müsse aber darauf geachtet werden, dass Insekten und andere Organismen nicht geschädigt würden.

Probleme machen den Bienen auch die Monokulturen in der deutschen Ackerlandschaft, deren Auswirkungen laut Christoph Otten noch nicht abzuschätzen sind. "Es ist aber davon auszugehen, dass es in bestimmten Regionen für Bienen schon heute nicht möglich ist, von Frühling bis Herbst kontinuierlich ausreichend Nahrung zu finden. Besonders nach der Rapsernte herrscht vielerorts eine wahre Hungersnot für die Bienen". Das mache die Bienenvölker noch anfälliger für Parasiten. Eine Möglichkeit, dieser Nahrungsknappheit entgegenzuwirken, seien mischbepflanzte Grünstreifen zwischen den Äckern. In diesem Bereich gibt es schon einige Bemühungen, wie Josef Rief, Agrarexperte der CDU/CSU-Fraktion verdeutlicht: In den einzelnen Bundesländern gebe es zahlreiche Umweltmaßnahmen, "um eine größere Vegetationsvielfalt zu gewährleiten." Ein Beispiel sei das sogenannte "MEKA-Programm" in Baden-Württemberg. Hier werden Ausgleichsflächen mit Mischbepflanzung geschaffen, die vom Land bezuschusst werden. Das Ziel müsse sein, "Anreize für Bewirtschafter von Flächen zu geben, die einen sinnvollen Ausgleich von wirtschaftlichen und ökologischen Interessen gewährleisten", so Rief.

Anreize müssen auch geschaffen werden, um wieder mehr junge Menschen für den Imkerberuf zu begeistern. Denn nicht nur die Bienen, sondern auch die Imker werden in Deutschland immer weniger. Der (Neben-)Beruf gerät zunehmend in Vergessenheit.