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Milliarden-Schieber

BUNDESSCHULD Am Bankenplatz Frankfurt besorgt die »Finanzagentur« die Kredite zum Ausgleich des Staatshaushalts. Ein Besuch bei den Geldbeschaffern des Bundes

22.03.2010
2023-08-30T11:25:52.7200Z
4 Min

Karl-Heinz Daube ist in Sachen Schulden wieder einmal auf dem Sprung. In seinem Büro in der Frankfurter Lurgiallee ist der 49-jährige Banker eher selten anzutreffen. Auch in den nächsten Tagen wird sein Schreibtischstuhl verwaist sein. Die Bundesregierung, die Ministerien in Berlin brauchen Geld. Karl-Heinz Daube und seine rund 340 Mitarbeiter sollen es beschaffen - bei Versicherungen, Pensionsfonds und Pensionskassen, bei Banken in aller Welt, und zumindest zum kleinen Teil auch beim privaten Anleger. 343 Milliarden Euro sollen es in diesem Jahr werden.

Ausgabe von Wertpapieren

Daube ist seit gut zwei Jahren Chef der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH, wie sie exakt heißt. Vorher hat sich der gelernte Bankkaufmann und promovierte Wirtschaftswissenschaftler fast 15 Jahre dem Kapitalmarktgeschäft der HSH Nordbank gewidmet. Jetzt arbeitet er für ein privat organisiertes Unternehmen, das dem Bund gehört. Gegründet wurde die Finanzagentur vor zehn Jahren. Seit 2001 kümmert sie sich, einquartiert in einem eher tristen Büroklotz im Frankfurter Norden, um die finanziellen Bedürfnisse des Bundes, jedenfalls soweit sie nicht durch Steuereinnahmen gedeckt werden können. Da geht es um beträchtliche, tendenziell immer größere Summen, die durch die Ausgabe und den Verkauf von Bundes-Wertpapieren beschafft werden müssen. Dies soll natürlich zu möglichst günstigen Konditionen geschehen. Die Zinsen für Bundesanleihen, die auslaufende Papiere ersetzen, und für neue Anleihen sollen möglichst niedrig sein, damit die Ausgaben überschaubar bleiben und sich der Schuldenberg nicht zu schnell zu stark weiter auftürmt.

Das ist ein extrem wichtiger Job, auch wenn ihn die Öffentlichkeit nur bedingt wahrnimmt. Wer kennt schon die Finanzagentur? Der Bund zahlt für seine Schulden von mittlerweile 1.053,8 Milliarden Euro - also mehr als eine Billion - jedes Jahr fast 39 Milliarden Euro an Zinsen. 2010 sind es exakt 38,85 Milliarden Euro. Es ist mittlerweile der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt. Der Finanzagentur obliegt die Aufgabe, sich jedes Jahr um eine Zinsersparnis zwischen 500 und 750 Millionen Euro zu bemühen.

Die Finanzmanager in der Lurgiallee kümmern sich auch um das Konto des Bundes. Das führt zwar die Bundesbank, weil die Finanzagentur keine Banklizenz hat. Aber das Buch liegt trotzdem bei ihr. Jeden Morgen um acht Uhr von Montag bis Freitag schlagen es Chefhändler Thomas Weinberg und seine beiden Kollegen auf, jeden Abend um 18 Uhr wieder zu. Dann muss der Saldo bei Null stehen. Ein Minus oder ein Plus wie beim privaten Girokonto ist beim Konto des Bundes nicht erlaubt. Jeden Morgen bekommen die Händler vom Finanzministerium in Berlin eine Übersicht: Was geht heute raus, was kommt rein? Sind etwa Beamtengehälter zu zahlen, fließen Steuern herein? Gibt es zwischenzeitlich eine Lücke? Genau die müssen die Händler stopfen, in dem sie möglichst günstig für ein, zwei oder fünf Stunden am Kapitalmarkt Geld beschaffen. "Kleinere und größere dreistellige Millionenbeträge werden in der Regel an jedem Tag bewegt", sagt Boris Knapp, Sprecher der Finanzagentur. "Manchmal sind es auch Milliardenbeträge." 2009 ist das schon mal passiert. Da mussten Weinberg und seine Kollegen auch Geld für den Bankenrettungsfonds SoFFin auftreiben.

Arbeit ohne Ende

Überhaupt lässt die Finanz- und Wirtschaftskrise der Agentur die Arbeit nicht ausgehen. 329 Milliarden Euro mussten sie 2009 über "Bubills", also unverzinsliche Schatzanweisungen, über verzinsliche Bundesschätze, über Bundesobligationen und über Bundesanleihen mit Laufzeiten von 10 bis 30 Jahren hereinholen. Auslaufende Anleihen mussten erneuert werden, 49 Milliarden Euro an neuen Schulden mussten finanziert werden. In diesem Jahr werden es 343 Milliarden Euro sein, davon 80,2 Milliarden Euro für neue Verbindlichkeiten. Wie das geschehen soll, steht längst fest. Bis Ende März sogar auf den Tag genau. "Diese Verlässlichkeit ist eine unsere Stärken. Die Investoren schätzen diese Planbarkeit", sagt Knapp. Die Agentur hält sich an ihren Plan. Angekündigte Emissionen werden auch begeben. Verschiebungen wie in anderen Ländern gibt es in der Lurgiallee nicht. 56 Milliarden Euro wird die Agentur bis Ende März mit zehn Emissionen eingesammelt haben. Die letzte war eine zehnjährige Bundesanleihe zum Nominalzins von 3,25 Prozent.

29 Banken sind aktuell zur Bietergruppe zugelassen - europäische, japanische und US-Großbanken, Investmenthäuser und auch Landesbanken. Wenn eine Anleihe begeben wird, können sie von 8 bis 11 Uhr Gebote abgeben. Der Zuschlag wird nach wenigen Minuten erteilt. "In der Regel", sagt Knapp, "ist die Nachfrage doppelt so hoch wie das Angebot". Der Bund gilt eben immer noch als Top-Schuldner. Die Banken reichen den Großteil der Emission weiter an Pensionskassen, Versicherungen und andere Großanleger auch im Ausland.

Privatanleger halten nur ein Prozent der Bundesschuld. Ende 2008 waren es noch drei Prozent. Damals warfen Bundeswertpapiere noch deutlich höhere Zinsen ab.

Die Finanzagentur verwaltet rund 400.000 private Depots, in denen Anleger ihre Bundeswertpapiere kostenfrei deponieren können. Für Kunden hat sie zwei Filialen betrieben - in Frankfurt und in Berlin-Tempelhof. Die Berliner Filiale aber wird am 1. Mai geschlossen. Der Finanzminister hat sich dort ohnehin nie blicken lassen.