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An der Grenze der Handhabbarkeit

EUROPA Lammert fordert im Gespräch mit EP-Präsident Buzek Reform des EU-Sprachenregimes

29.03.2010
2023-08-30T11:25:52.7200Z
2 Min

Seit 1958 ist es in einer Verordnung festgelegt: Alle Amtssprachen sind in der Europäischen Union gleichberechtigt. Konkret heißt das: Jedes neue Mitgliedsland hat das Recht, eine Amtssprache mit in die EU einzubringen. Derzeit gibt es 23 Amtssprachen für 27 Mitgliedstaaten. Die Folge: Die EU unterhält den größten Übersetzungsapparat der Welt. Allein im Europäischen Parlament (EP) sind wöchentlich bis zu 1.000 Dolmetscher beschäftigt. Trotzdem musste der Bundestag im vergangenen Jahr rund 80 Vorlagen wegen fehlender oder unvollständiger Übersetzung an die EU zurückschicken.

Dass die EU mit diesem Sprachenregime und den damit verbundenen Auswirkungen die "Grenze der Handhabbarkeit" längst erreicht hat, bemängelte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am 22. März im Gespräch mit Jerzy Buzek, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments. Die EU müsse sich ernsthaft mit einer Reform ihres Sprachenregimes befassen, forderte Lammert, der bereits dem früheren EU-Kommissar für Mehrsprachigkeit, dem Rumänen Leonard Orban, vorgeschlagen hatte, dazu eine Arbeitsgruppe auf europäischer Ebene einzurichten. An Buzek appellierte er, diesen Vorschlag zu unterstützen. Der EP-Präsident sagte Interview mit "Das Parlament" zu, über einen Rahmen für eine ernsthafte Debatte über die Sprachenproblematik nachdenken zu wollen.

Einig waren sich Lammert und Buzek darin, dass der Vertrag von Lissabon ein wichtiger Schritt zur "Parlamentarisierung Europas" sei. Dies habe unter anderem die Ablehnung des Swift-Bankdaten-Abkommens mit den USA durch das EU-Parlament gezeigt. Im Gespräch mit Mitgliedern des Bundestags-Europaausschusses am 23. März kritisierte Buzek jedoch, dass dem EP das Dokument, über das abgestimmt werden musste, erst sechs Tage vor Ablauf der Frist vorgelegen hätte: "So geht es nicht", mahnte Buzek.

Thema des Gesprächs war zudem der geplante Europäische Auswärtige Dienst (EAD). "Alle Länder müssen am Europäischen Auswärtigen Dienst beteiligt sein", forderte Buzek, der tags zuvor eine Rede in der Berliner Humboldt-Universität zum Thema "Die Europäische Union nach Lissabon. Wie viel Europa brauchen die Bürger?" gehalten hatte. Darin kritisierte er, dass die Befürchtungen der Mitgliedstaaten bezüglich des EAD "Ausdruck nationaler Egoismen" seien. Der EAD sei jedoch eine Chance und keine Bedrohung, sagte Buzek und betonte: "Europa ist viel stärker, wenn es in der Welt mit einer Stimme spricht."

Europäische Identität stärken

In seiner Humboldt-Rede betonte der 69-Jährige Pole zudem, dass er sich eine Stärkung der europäischen Identität der Bürger wünsche. "Europäische Wahlen finden heute unter der nationalen Fahne statt", sagte Buzek. "Die Bürger sehen deshalb oft keinen klaren Zusammenhang zwischen dem Europäischen Parlament und den deutschen Parteien, die sich zur Wahl stellen." Er schlug deshalb vor, dass die nationalen Parteien jeweils Wahlkampf mit dem Logo ihres europäischen Pendants machen könnten. "Wenn beispielsweise die CDU das Logo der EVP verwendet", ist Buzek überzeugt, könne das bei den Bürgern die Einstellung zum "Europäisch-Sein" verändern.