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Welt ohne Waffen

ABRÜSTUNG Während der Bundestag über Atomwaffen diskutiert, beschließen die USA und Russland sie zu reduzieren

29.03.2010
2023-08-30T11:25:52.7200Z
4 Min

Es war ein historischer Moment. Der US-amerikanische Präsident Barack Obama, damals kaum sechs Wochen im Amt, präsentierte am 5. April 2009 in der tschechischen Hauptstadt Prag seine ambitionierte Vision einer atomwaffenfreien Welt. Sein Vorschlag: Nuklearwaffen sollten konsequent reduziert werden - bis sie irgendwann vollständig abgeschafft werden. Obama plädierte dafür, den Atomwaffensperrvertrag zu stärken. Das schließe Maßnahmen zur friedlichen Nutzung von Kernenergie für Staaten ohne Atomwaffen ein. Und drittens sollten Terroristen daran gehindert werden, an Atomwaffen zu gelangen.

Am 25. März sind die USA und Russland dem Ziel der nuklearen Abrüstung nach monatelangem Stillstand einen kleinen Schritt näher gekommen. Die Zahl der nuklearen Sprengköpfe soll um mehr als ein Viertel und die Zahl der Raketen-Abschussrampen um die Hälfte reduziert werden. Ein entsprechendes Abkommen soll den Ende 2009 ausgelaufenen Start-I-Vertrag ("Strategic Arms Reduction Treaty") ersetzen. Am 8. April werden Obama und der russische Präsident Dimitri Medwedew zur feierlichen Unterzeichnung erwartet. Ort des Geschehens: Wohl nicht zufällig Prag.

Wichtiges Signal

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erinnerte zu Beginn der Bundestagsdebatte zum Jahresabrüstungsbericht 2009 am 26. März an Obamas Rede: Der amerikanische Präsident habe vor knapp einem Jahr "ein wichtiges Signal für die weltweite Abrüstung gegeben", sagte der FDP-Politiker. Trotz des Nachfolgeabkommens zum Start-Vertrag sei noch nicht entschieden, ob die aktuelle Dekade ein "Jahrzehnt der Abrüstung oder ein Jahrzehnt der Aufrüstung" werde, sagte Westerwelle. Die Gefahr der Verbreitung von Nuklearwaffen sei nicht gebannt. Im Gegenteil: In zehn Jahren drohe sich die Zahl der nuklear bewaffneten Länder zu verdoppeln. Die New Yorker Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag im Mai 2010 müsse deshalb ein Erfolg werden. Die Welt dürfe nicht nochmals fünf Jahre verstreichen lassen, warnte der 48-Jährige mit Blick auf das Scheitern der letzten Konferenz im Jahr 2005.

Der US-amerikanische Präsident Barack Obama habe in seiner Prager Rede auch gesagt, dass nukleare Abrüstung eine ganze Generation dauern könne, goß Roderich Kiesewetter (CDU) Wasser in den Wein all jener, die sich vorschnelle Hoffnungen machen. Atomwaffen seien notwendig, sozusagen als "Aufrechterhaltung einer nuklearen Rückversicherung", sagte der 46-jährige ehemalige Oberst der Bundeswehr. Die Mittel zur Abschreckung solle man erst dann aufgeben, wenn keine Staaten mehr mit Atomwaffen drohen könnten. Ein Blick über die eigenen Landesgrenzen hinaus zeige, dass die Gefahr der nuklearen Weiterverbreitung nicht gebannt sei. Als Beispiel nannte Kiesewetter Nordkorea, Iran, Pakistan und Indien.

Nur ein erster Schritt

Das Start-Abkommen, das kurz vor der Unterzeichnung stehe, könne nur ein "erster Schritt" sein, fand Uta Zapf. Viele weitere müssten folgen, sagte die SPD-Politikerin. Nicht allein die nukleare Abrüstung sei betroffen, sondern auch die konventionelle: Wenn man auf den Nahen und Mittleren Osten schaue, auf Indien und Pakistan, wo sich beide Länder derartig aufrüsteten, "dass man das Schaudern bekommen kann", solle man das nicht aus den Augen verlieren. Zapf appellierte an die anerkannten Nuklearstaaten, ihre Atomwaffen nicht weiter aufzustocken. Besonders die Nato-Staaten und Russland müssten die Zahl ihrer Atomwaffen reduzieren.

Für die Linksfraktion machte Inge Höger deutlich, dass Abrüstung "eine entscheidende Überlebensfrage für die Menschen auf diesem Planeten" sei. Die Bundesregierung rede viel von Abrüstung, tue aber wenig: Beim Rüstungsexport beispielsweise sei Deutschland zum "Europameister beim Handel mit dem Tod" aufgestiegen, so ihr Vorwurf. Agnes Malczak (Bündnis 90/Die Grünen) schloss sich dem im Grundsatz an. Ihre Fraktion fordere die regelmäßige Vorlage eines Rüstungsexportberichts und ein parlamentarisches Widerspruchsrecht. Für die Jahre 2008 und 2009 fehle ein Bericht bis heute, so die Kritik der Fraktion. Einen entsprechenden Antrag (17/1167) überwies das Parlament an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie.

Positiver Abschluss

Beschlossen wurde ein Antrag (17/1159) der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/ Die Grünen. Im Vorfeld der Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag im Mai 2010 legen die Fraktionen darin ihre Positionen dar. "Deutschland kann national und international auf vielfältige Weise einen wirksamen Beitrag zu einer Welt ohne Atomwaffen leisten", heißt es darin. Doch "das seit 1970 weitgehend erfolgreiche Nichtverbreitungsregime" befinde sich heute an einer "Wegscheide". Die zivilie Nutzung der Atomenergie breite sich immer weiter aus und mit ihr die Gefahr militärischer Anwendungen. Andererseits kritisierten viele Nicht-Kernwaffenstaaten die "Ungleichbehandlung" beim Zugang zu Nukleartechnologien. In dieser Situation solle sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass im neuen "Strategischen Konzept" der Nato die Bedeutung von Nuklearwaffen verringert werde. "Mit Nachdruck" solle die Bundesregierung die USA zum Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland drängen. Die fünf anerkannten Nuklearmächte sollten auf Atomschläge gegen Nicht-Nuklearstaaten verzichten. Denn, so heißt es im Antrag: Eine Welt ohne Atomwaffen sei "keine Utopie, sondern konkrete Verpflichtung".