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»Netz-Qualität verbessern«

VERKEHR Bundesminister Peter Ramsauer will Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen

12.04.2010
2023-08-30T11:25:53.7200Z
5 Min

Das Verkehrsaufkommen steigt und steigt. Brauchen wir mehr Autobahnen oder weniger Güterverkehr?

Wir haben in Deutschland eine sehr exportorientierte Volkswirtschaft. Der Güterverkehr trägt in hohem Maße zu unserem Wohlstand bei. Deswegen bringt es nichts, wenn Transporte immer wieder verteufelt werden. Ich arbeite daran, die negativen Wirkungen zu minimieren. Wir stehen in den kommenden Jahren vor einer immensen Steigerung des Güterverkehrs. Dafür benötigen wir alle Verkehrsträger. Lkw, Bahn und Binnenschiff müssen bestmöglich verknüpft werden.

Mit einem Masterplan Logistik will die Regierung den Transport von Gütern klüger steuern. Was planen Sie konkret?

Wenn der Warentransport - wie prognostiziert - bis 2025 stark ansteigt, müssen wir die Vernetzung von Straße, Schiene und Wasserstraßen schnell vorantreiben. Vor diesem Hintergrund setze ich mich für eine Verlagerung eines möglichst großen Teils des Wachstums auf die Schiene ein. Anderenfalls wird es zu einem Verkehrskollaps auf hoch belasteten Autobahnen kommen. Dennoch wird über die Straße weiter ein Großteil des Güterverkehrs abgewickelt. Wir brauchen ein innovatives Baustellenmanagement und modernste Verkehrsleitsysteme. Und natürlich müssen wir die Infrastruktur weiter ausbauen. Dazu gehören auch Investitionen in die Umschlagterminals des Kombinierten Verkehrs.

Aber landet irgendwann nicht jede Lieferung auf der Straße?

Natürlich wird der Endkunde in erster Linie über die Straße beliefert. Entscheidend ist für mich aber, dass längere Transporte stärker in Ketten organisiert werden. Die Lkw müssen dann nicht durch ganz Europa fahren. Auf langen Strecken können auch Züge oder das Binnenschiff die Arbeit übernehmen. Für die Ballungsräume unterstützen wir umwelt- und klimafreundliche Konzepte für den städtischen Verkehr. Ein Erfolgsmodell sind die Güterverkehrszentren.

Wie kann die Logistikbranche selbst für einen reibungslosen Transport sorgen?

Unsere Logistikbranche ist bestens aufgestellt und profitiert von der hervorragenden Position des Logistikstandorts Deutschland. Die Branche ist natürlich gefordert, Transporte zu bündeln und Leerfahrten möglichst zu vermeiden. Ein wesentlicher Zeitfaktor im Güterverkehr sind die Wartezeiten an den Rampen. Durch kurze und unflexible Anliefer- und Abholzeiten entstehen Staus, Lärm und vermeidbare Schadstoffemissionen. Deswegen werde ich alle Beteiligten einladen, um mit ihnen gemeinsam Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Im Masterplan wird eine stärkere Trennung von Güter- und Personenverkehr angestrebt. Dürfen Lastwagen dann nur noch nachts fahren?

Eine zeitliche Begrenzung ist selbstverständlich nicht geplant. Wer auf der A 2 vom Ruhrgebiet Richtung Berlin unterwegs ist, fährt schon heute lange Strecken links - die rechte Spur ist kilometerweit von LkwW belegt. Wir brauchen zusätzliche Fahrstreifen sowie eine verstärkte Nutzung von Standspuren in Stauzeiten. Im Schienenverkehr wird die Trennung von Personen- und Güterverkehr stellenweise schon praktiziert: So findet der schnelle Personenverkehr zwischen Köln und Frankfurt auf der Neubaustrecke statt, während der Güterverkehr entlang des Rheins geführt wird.

Die umstrittenen 60-Tonner sollen in Deutschland nicht zugelassen werden. Dennoch hat die Koalition einen Feldversuch angekündigt. Was erwarten Sie davon?

Eine Zulassung von 60-Tonnern wird es in Deutschland nicht geben. Vor allem unsere Brücken sind für solche Fahrzeuge nicht ausgerichtet. In einem bundesweiten Feldversuch geht es vor allem um eine maßvolle Anhebung der Lkw-Längen. Die Frage ist: Können wir ohne Erhöhung des Gesamtge-wichts und durch maßvolles Anpassen der Abmessungen Fahrten vermeiden und klimaschädliche Emissionen einsparen? Zusammen mit den Ländern werden wir ein Konzept für diesen Probebetrieb erarbeiten. Mit dem Start rechne ich im kommenden Jahr. Vorher müssen wir die Strecken festlegen. Längere Fahrzeuge eignen sich in der Regel nicht für kleinere Straßen oder Innenstädte. Auch Fragen der Verkehrssicherheit werden eine Rolle spielen.

Wo sehen Sie Lücken im Bahnnetz, welche Autobahnen müssen noch ausgebaut werden?

Wir haben eines der besten Verkehrsnetze in Europa. Aber es gibt Engpässe, die beseitigt werden müssen. Mit 58 Schienenprojekten des vordringlichen Bedarfs und elf internationalen Projekten verbessern wir kontinuierlich die Qualität des Netzes. Durch die acht Neubauvorhaben wird das Netz zudem leistungsfähiger: Im Autobahnnetz ist auf hoch belasteten Strecken die Erweiterung um zusätzliche Fahrstreifen dringend notwendig. Ich denke an den sechsstreifigen Ausbau der A 3 von Aschaffenburg bis Würzburg, der A 6, Wiesloch-Rauenberg- Weinsberg, der A 7 in Hamburg und weiter bis Bordesholm oder der A 8 als wichtiger Ost-West-Verbindung. Wir werden auch Lücken im Autobahnnetz schließen: die A 94 von München bis Pocking gehört dazu. Und wir werden einige große Talbrücken in den alten Bundesländern instand setzen.

Der TÜV Süd schätzt, dass nach dem harten Winter 30 bis 40 Prozent aller Straßen stark beschädigt sind. Mit welchem Reparaturaufwand rechnen Sie?

Hier sind Bund, Länder und Kommunen gefordert. Durch den harten Winter sind die Frostschäden in unserem Zuständigkeitsbereich, also Autobahnen und Bundesstraßen, deutlich höher. Wir stellen deshalb zusätzlich 100 Millionen Euro zur Verfügung, um die Frostschäden zügig zu beseitigen. Eine Milliarde Euro erhalten die Länder ohnehin für die Erhaltung von Autobahnen und Bundesstraßen.

Mehr Verkehr bedeutet auch mehr Lärm und mehr CO2. Wie verträgt sich das mit den Klimazielen der Regierung?

Klima- und Lärmschutz habe ich sofort nach Amtsantritt zu einem Schwerpunktthema gemacht. Wir wollen, dass Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität wird. Wir bauen seit mehr als 100 Jahren die besten Autos der Welt. Dies muss auch für das 21. Jahrhundert gelten. Bis zum Jahr 2020 sollen in Deutschland eine Million Elektrofahrzeuge unterwegs sein, das ist mein Minimalziel. Durch die verstärkte Nutzung regenerativ erzeugten Stroms wird die Schiene ihre Rolle als klimaverträglicher Verkehrsträger in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Ich möchte aber auch, dass Flugzeug und Schiff einen größeren Beitrag zum Klimaschutz leisten als bisher. Wir setzen uns dafür ein, dass bei den internationalen Flug- und Schifffahrtsbehörden Instrumente, wie Emissionshandelssysteme zur Reduktion der CO2-Emissionen des Luft- und des Seeverkehrs eingeführt werden.

Das Interview führte Rudi Wais. Er ist Berliner Korrespondent der "Augsburger Allgemeinen".

Peter Ramsauer (56) ist seit Oktober 2009 Bundesverkehrsminister. Zuvor war er Vorsitzender der CSU-Landesgruppe.