Piwik Webtracking Image

Grünes Herz für Hamburg

TERMINAL STEINWERDER Der kohlendioxidfreie Hafen soll Realität werden. Wachstum ohne zusätztlichen Lkw-Verkehr

12.04.2010
2023-08-30T11:25:53.7200Z
5 Min

Die Metropolregion Hamburg (MRH) bildet das Ballungszentrum logistischer Warenströme. Die Freie und Hansestadt verfügt über mehr als 6.000 Logistikunternehmen und ist wichtiger Schifffahrtsstandort. Knapp zwei Drittel aller Zeitcharterverträge für Containerschiffe werden von Hamburger Schiffsmaklern vermittelt. Etwa ein Viertel der Weltcontainerschiffsflotte gehört Hamburger Unternehmen. Der Hamburger Hafen ist der größte Seehafen Deutschlands und der drittgrößte Containerhafen Europas. Für seine Infrastruktur ist die Hamburg Port Authority (HPA) verantwortlich. Die HPA, in der die meisten der früheren Hafenbehörden der Hansestadt zusammengefasst wurden, soll den Hafen modernisieren und dafür sorgen, dass er wettbewerbsfähig bleibt.

Umschlagmengen wachsen

Seit rund fünf Jahren verzeichnet der Hafen einen im-mensen Anstieg der Umschlagmengen, der in den Jahren 2007 und 2008 zunächst seinen Höhepunkt erreicht. Eine erfreuliche Entwicklung für die Metropolregion, die mit der Weltwirtschaftskrise 2009 jedoch einen herben Tiefschlag erleidet. Im Vergleich zu anderen Nordrange-Häfen (wichtige Häfen an der Nordsee) gehen fünf Prozent Marktanteil verloren. Für die Verantwortlichen ist das aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. "Der Hamburger Hafen besitzt auch künftig hohe Wachstumspotenziale, wenn wir die richtigen Schritte ergreifen", sagt der Hamburger Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU).

So soll als einer dieser Schritte im mittleren Hafen mit dem Central Terminal Steinwerder (CTS) auf einer Fläche von 125 Hektar ein modernes Terminal entstehen. Dieses wird über 1.500 Meter Kaimauer für vier Großschiffliegeplätze und 300 Meter Nebenkaimauer verfügen. Die Wassertiefe soll 17,70 Meter betragen. "Früher brauchte man für die Vielzahl kleinerer Schiffseinheiten viele Anlegeplätze, heute werden weniger, aber groß dimensionierte Liegeplätze mit großen Lagerflächen benötigt, um die modernen Containerschiffe schnell löschen zu können", erläutert CTS-Projektleiterin Iris Scheel. Im Zuge der Umstrukturierung des CTS werden rund 60 Hektar Wasserflächen zugeschüttet und 20 Hektar bestehende Landflächen wieder zu Wasserflächen umgestaltet. Zum Verfüllen werden rund 13,3 Millionen Kubikmeter Bodenmassen benötigt, davon lassen sich 8,5 Millionen Kubikmeter aus dem Bodenaushub im CTS-Gelände verwenden.

Universalhafen

"Ursprünglich war geplant, ein Containerterminal zu bauen", erläutert Projektleiterin Scheel. Doch die Strategie der HPA baut zunehmend auf den Universalhafen. Vor diesem Hintergrund hat sich die HPA daher entschlossen, das Containerkonzept zu hinterfragen und ein Markterkundungsverfahren (MEV) als Ideenwettbewerb einzuleiten. "Wir haben die Wirtschaftskrise bewusst genutzt, um den Markt nach seinen Anforderungen an den Hafen zu befragen", erläutert sie. "Wir waren erfreut über die große, besonders auch über die internationale Resonanz."

Mehr als 30 Firmen haben Interesse bekundet, 21 Bewerber, Einzelfirmen oder Konsortien, haben sich für das Markterkundungsverfahren gemeldet, davon sieben internationale Anbieter. Ins Juryverfahren schafften es schließlich zwölf ausgefeilte Konzepte. Wichtigste Kriterien des Ideenwettbewerbs waren, die Fläche im Herzen des Hamburger Hafens effizient zu nutzen und gleichzeitig Nachhaltigkeit, regenerative Energie und städtebauliche Akzente in den Fokus zu rücken. "Wir nehmen unsere Verantwortung gegenüber den Belangen der Bevölkerung sehr ernst und wollen bei ihr Akzeptanz finden, da der Hafen quasi im Zentrum der Stadt liegt", erläutert Scheel. Neben volks- und betriebswirtschaftlichen Funktionen soll der Hafen künftig noch ökologischer arbeiten und erlebbar werden.

Wassertaxis für Besucher

100.000 Euro Preisgeld waren für das Markterkungsverfahren ausgelobt. Als Sieger mit einer Prämie von 50.000 Euro ging Royal Haskoning (Großbritannien) mit einem CO2-neutralen Terminal hervor. Im Realisierungskonzept des britischen Unternehmens wird Steinwerder so umgestaltet, dass durch einen das Terminal umgebenden Kanal eine Halbinsel geschaffen wird. Mit Wassertaxis soll das Terminal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Es soll 3,5 Millionen Tonnen pro Jahr umschlagen können sowie vollautomatisch und Lkw-frei funktionieren. Die Container werden nach der Idee von Royal Haskoning ausschließlich mit Zügen und Feederschiffen verteilt. Feederschiffe sind speziell für den Transport weniger Container gebaute kleinere Schiffe. Das Konzept von Royal Haskoning sieht zudem vor, eine Wasserwand als Lärmschutz an der Ostseite der Terminalfläche zu schaffen und Elektrizität durch die Nutzung erneuerbarer Energien zu erzeugen.

Auf Platz zwei schaffte es die mit 20.000 Euro dotierte Idee von ECT Delta Terminals, der Niederlassung von Hutchison Port Holdings in Nordeuropa. Auch hier stehen Bin-nenschifffahrt und Bahnverkehre im Mittelpunkt, um einen umweltfreundlichen Hinterlandtransport sicherzustellen. Das Layout des vollautomatisierten Container- terminals sieht den Einsatz neuer und marktgängiger Technologien vor. Mit 150 Containerbewegungen in der Stunde erreicht dieses Konzept ebenfalls ein jährliches Umschlagvolumen von 3,5 Millionen 20-Fuß-Containern (TEU). Besonders pfiffig und auf Hafengeländen eher unüblich: Etwa 11 Prozent der Terminalfläche sind als Grünfläche vorgesehen. Lärm, Licht und andere Emissionen will ECT Delta Terminals auf ein Minimum reduzieren und vorzugsweise automatisierte elektrische Geräte einsetzen.

Die Buss Group als heimisches Unternehmen errang gemeinsam mit der Transcare AG aus Wiesbaden Platz drei. Beide Unternehmen wurden mit je 10.000 Euro für Ihre Ideen belohnt. Die Buss Group will in ihrem Mehrzweckkonzept unter anderem Flächen für Dienstleistungen wie Containerpacken, Lagerung und Kommissionierung schaffen. Das Unternehmen sieht eine schrittweise, am Markt orientierte Umsetzung vor. Um eine alternative Stromversorgung des Terminals gewährleisten zu kön-nen, schlägt die Buss Group vor, ein Holzhackschnitzelkraftwerk zu errichten.

Mit Strömungskraftwerk

Das Konzept von Transcare beinhaltet die verstärkte Integration des Verkehrsträgers Schiene, um ein Lkw-freies Terminal zu realisieren. Es soll ein sogenanntes Truck Entry Gate außerhalb des Hafens entstehen, von wo aus die Container mit Bahnshuttles zum CTS gelangen. In Anlehnung an die gläserne Manufaktur in Dresden, in der Volkswagen Luxuslimousinen herstellt, sollen Besucher den operativen Betrieb des Containerterminals live miterleben können. Um Umweltaspekten Rechnung zu tragen, integriert Transcare in ihrem Vorschlag Strömungskraftwerke in die Kaimauer und setzt Solartechnik sowie Energierückgewinnungssysteme ein.

Alles in allem verspricht das Wiesbadener Unternehmen mit dieser Idee 450 Arbeitsplätze in verschiedenen Berufen zu schaffen. Mit einem Sonderpreis würdigte die Jury die Idee einer vierstöckigen mit Lastwagen befahrbaren Lagerhalle von Prologis. "Weil wir uns mit dem Hafen nicht unbegrenzt ausdehnen können, ist eine solche Lösung durchaus vorstellbar", erläutert Projektleiterin Scheel.

Großer Ideenpool

In allen eingereichten Konzepten stecken laut HPA ausgezeichnete Ideen, weshalb die Behörde nicht nur mit den Siegern im Gespräch bleiben will. Die Ergebnisse aus dem Markterkundundungsverfahren sollen in die Planung für das neue Terminial Steinwerder fließen, aber auch in den Hafenentwicklungsplan aufgenommen werden. Der ist fünf Jahre gültig und wird derzeit erneuert. Scheel: "Wir können nun auf einen großen Pool von Ideen zurückgreifen und diese für den gesamten Hafen nutzen." Was das Steinwerder-Terminal betrifft, sollen bis zum Ende des Jahres die Überlegungen für die Ausschreibung und ein Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sein. Parallel dazu modellieren die Verantwortlichen ein Konzept für das CTS, das neben den Baumaßnahmen auch einen Zeitplan festschreibt. "Anschließend werden wir weltweit nach einem geeigneten Betreiber suchen", sagt die Projektleiterin. Die reine Bauzeit für die Umgestaltung wird auf mindestens sechs Jahre geschätzt.

Die Nachfrage nach neuen Logistikflächen im Hafen werde bis 2015 um 20 Hektar im Schnitt pro Jahr wachsen, schätzen die Experten. Deshalb werden dort Flächen geschaffen, wo keine sind. Mit dem Verfüllen von Hafenbecken werden Nutzungsmöglichkeiten erweitert oder heutigen Bedingungen angepasst. Eine von der Unternehmensberatung McKinsey erstellte Studie hat zudem ergeben, dass Hamburg in den nächsten 15 Jahren von mehreren Milliarden Euro zusätzlicher Wertschöpfung profitieren werde.