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Schnelle Hilfe im Härtefall

HAUSHALT Bei besonderem Bedarf wird Hartz IV aufgestockt. Änderung bei Kommunalförderung

26.04.2010
2023-08-30T11:25:54.7200Z
3 Min

Das Urteil des Bundesverfassungsgericht schlug Anfang Februar ein wie eine Bombe: Die Hartz- IV-Regelsätze müssen zum 1. Januar 2011 neu berechnet werden. Um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, musste der Gesetzgeber noch in diesem Jahr eine Härtefallregelung einführen. Das hat der Bundestag getan, indem er am vergangenen Donnerstag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung des Finanzplanungsrates (17/983) in geänderter Fassung (17/1465) mit den Stimmen der Koalition verabschiedete. Die Opposition votierte dagegen. Änderungsanträge von Bündnis 90/Die Grünen (17/1473) und der Linksfraktion (17/1474) lehnte der Bundestag ab.

In geänderter Fassung heißt, dass der Haushaltsausschuss am Mittwoch neben der Abschaffung des Finanzplanungsrates auf Antrag von CDU/CSU und FDP Änderungen im Sozialgesetzbuch beschloss. Mit einer Härtefallklausel soll sichergestellt werden, dass auch in "atypischen Bedarfslagen" Leistungen erbracht werden. Damit wird ein zusätzlicher Anspruch auf Leistungen "bei einem unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums" eingeführt. Anwendungsfälle der Härtefallklausel können zum Beispiel dauerhaft benötigte Hygienemittel bei bestimmten Erkrankungen oder Putz- und Haushaltshilfen für Rollstuhlfahrer sein. Kein Mehrbedarf besteht bei Praxisgebühren, Schulmaterialien und Schulverpflegung, Bekleidung und Schuhen in Übergrößen sowie Brillen, Zahnersatz oder orthopädischen Schuhen. Die Kosten werden für 2010 auf 100 Millionen Euro geschätzt.

Damit nicht genug. Bei den Ausschussberatungen änderten die Abgeordneten zudem auch noch das Zukunftsinvestitionsgesetz. Dabei geht es darum, die Voraussetzungen für Finanzhilfen an die Kommunen zu ändern. Bisher mussten die Vorhaben zusätzlich sein und zu zusätzlichen Ausgaben führen. Diese zweite Ausgaben- Zusätzlichkeit wurde gestrichen.

Otto Fricke (FDP) betonte, dass durch die Härtefallregelung zumindest vorläufige Rechtssicherheit geschaffen würde. Er kritisierte, dass die Länder zwar vom Bund Geld haben wollten, aber anschließend keine Kontrolle zuließen. Zu den Veränderungen im Zukunftsinvestitionsgesetz sagte Peter Götz (CDU/CSU), dass der Weg zur Stärkung der Konjunktur auf der einen Seite und die Stabilisierung der öffentlichen Haushalte auf der anderen Seite immer noch richtig sei.

Carsten Schneider (SPD) sprach von "bemerkenswerten Änderungen" beim Zukunftsinvestitionsgesetz. Dies sei ein "Kniefall" vor den Ländern. Die Streichung der "Zusätzlichkeit" werde von der SPD-Fraktion abgelehnt. Bei der Härtefallregelung bedauerte die Fraktion die Negativliste, die zu einer rigiden Praxis vor Ort führen werde.

Katja Kipping (Die Linke) kritisierte, dass ein Härtefall nur dann vorliege, wenn der Bedarf nicht durch Einsparmöglichkeiten bei Hartz IV gedeckt werden könne. Alexander Bonde (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass seine Fraktion zwar der Abschaffung des Finanzplanungsrates zustimme, alles andere jedoch ablehne.

Experten uneinig

Unterschiedlich bewerteten auch die Experten bei der öffentlichen Anhörung am vergangenen Montag die Änderungen im Sozialgesetzbuch. Für Klaus Lauterbach, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, war der Vorschlag der Koalitionsfraktionen "grundsätzlich geeignet, den Neuregelungsauftrag verfassungskonform umzusetzen". Der Ausnahmecharakter der Regelung könne aber deutlicher formuliert werden.

Die Bundesagentur für Arbeit begrüßte die wörtliche Übernahme der Tatbestandsvoraussetzungen aus dem Urteil. Dadurch werde sichergestellt, "dass ein gesetzlicher Anspruch auf zusätzliche Leistungen erst dann entsteht, wenn ein laufender unabweisbarer atypischer Bedarf besteht, der so erheblich ist, dass er nicht aus Einsparungen oder Leistungen Dritter gedeckt ist". Kritisch zu dem Vorhaben äußerte sich Professor Stefan Homburg von der Universität Hannover, der auf eine Erhöhung der Regelsätze um 23 Prozent (West) und 27 Prozent (Ost) innerhalb von fünf Jahren verwies.

Die Änderungen am Zukunftsinvestitionsgesetz bezeichnete der Finanzwissenschaftler Jan Schnellenbach (Universität Heidelberg) als "höchst problematisch", da die Bedingung der vorhabenbezogenen Förderung leicht umgangen werden könne. Nur ein zweites Kriterium könne solche Manöver verhindern. Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, warnte, das alleine verbleibende Kriterium der vorhabenbezogenen Zusätzlichkeit könne nicht mehr sicherstellen, "dass die Gebietskörperschaften mit ihren Investitionsausgaben eine anlässlich der Wirtschaftskrise notwendige gesamtstaatliche expansive Finanzpolitik stützen".