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Kurz rezensiert : Angelesen

03.05.2010
2023-08-30T11:25:54.7200Z
2 Min

Welche Funktion hatten Witze im Kommunismus? Einerseits nahmen sie den harten Alltag der Menschen aufs Korn, andererseits das totalitäre Regime. Im Prinzip also eine ideale Aufgabenbeschreibung für das legendäre Radio Eriwan. Natürlich zeugten die Witze über Leonid Breschnew und Erich Honecker vom Widerstand gegen das Regime, ermöglichten sie den Bürgern doch einen gewissen Freiraum gegen die Unterdrückung. Doch auch die Bemerkung eines hochrangigen rumänischen KP-Funktionärs klingt plausibel: Danach soll das Regime die Witze begrüßt haben, gaben sie doch den Unzufriedenen die Möglichkeit, Dampf abzulassen.

In seinem grandiosen Buch zeichnet der britische Filmemacher Ben Lewis die Entwicklung von der Oktoberrevolution 1917 bis zum Ende des Ostblocks 1989 nach. Seine Arbeit enthält eine erste Gesamtschau der Witze in den sozialistischen Staaten. "Das komische Manifest" macht seinem Titel alle Ehre: die Lektüre ist ein einziger Genuss. Die fehlenden Witze aus der Volksrepublik China vermisst man da kaum.

Ben Lewis:

Das komische Manifest. Kommunismus und Satire von 1917 bis 1989.

Blessing Verlag, München 2010; 464 S., 22,95 €

"Der Kommunismus ist die helle Zukunft der Menschheit" - dieser Satz begleitete jeden sowjetischen Bürger seit seiner Geburt. Sollte jemand daran zweifeln, landete er in "besseren" Zeiten in der Psychiatrie oder -während des Großen Terrors - in einem der Konzentrationslager des GULag. Schließlich wollte Lenin auch den "passiven Widerstand" brechen.

20 renommierte französische Autoren und zwei deutsche Historiker, Klaus Schroeder und Jochen Staadt vom Forschungsverbund "SED-Staat", haben in 170 Artikeln die jüngsten Erkenntnisse der Kommunismusforschung zusammengetragen. Dabei herausgekommen ist ein gut strukturiertes Wörterbuch, das sowohl die Vielfalt des Kommunismus darstellt als auch das gemeinsame Fundament: die kommunistische Ideologie, die die Menschen und Staaten miteinander verband - angefangen von der jüdischen Sekte der Essener 100 Jahre vor Christi Geburt bis zum trotzkistischen Präsidentschaftskandidaten in Frankreich. Die Autoren beschreiben die historisch-geografischen Räume des Kommunismus und zeigen, wie die Regime ihren Machtanspruch mit Terror durchsetzten.

Stéphane Courtois (Hg.):

Das Handbuch des Kommunismus. Geschichte, Ideen, Köpfe. Piper Verlag, München 2010; 846 S., 49,95 €