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Spitze braucht Breite

Bildung Die Koalition will den Anteil der Stipendiaten auf acht Prozent erhöhen

10.05.2010
2023-08-30T11:25:55.7200Z
4 Min

Fast zwei Jahre ist es her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) große Worte für einen Politikbereich fand, der heute in jedem Wahlkampf eine Hauptrolle spielt - die Bildungspolitik: "Wohlstand für alle heißt heute Bildung für alle", lautete im Juni 2008 ihre Abwandlung des bekannten Satzes von Ludwig Erhard anlässlich des Festaktes zum 60-jährigen Geburtstag der sozialen Marktwirtschaft. Merkel erklärte Bildung zur Chefsache und rief die "Bildungsrepublik Deutschland" aus. Zwei Jahre später präsentiert die schwarz-gelbe Koalition nun ihre aktuellsten Projekte, mit denen sie aus ihrer Perspektive diesem Ziel einen Schritt näher kommen will: Am vergangenen Freitag diskutierte der Bundestag erstmals sowohl einen Gesetzentwurf für ein nationales Stipendienprogramm (17/1552) als auch einen zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) (17/1551) .

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) verteidigte beide Projekte als "klares Signal dafür, dass das Studium nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern darf". Die öffentliche Diskussion der vergangenen Wochen, in der vor allem die Oppositionsparteien, Gewerkschaften, aber auch Studentenvertreter das Stipendienprogramm als "Eliteförderung" kritisiert hatten, bezeichnete Schavan als "absurd". Denn Deutschland müsse beides leisten, Breiten- und Spitzenförderung. Die geplante Erhöhung der BAföG-Bedarfssätze um zwei Prozent und die Einführung eines 300-Euro-Stipendiums für "begabte Studierende" dienten diesem Ziel. "Breite ist Voraussetzung für Spitze. Und ein Land, das seine Spitze nicht im Blick hat, hat als Wissenschaftsstandort verloren", sagte die Ministerin.

Private Geldgeber im Visier

Was plant die Koalition konkret? Zum einen will sie die Zahl der Stipendiaten unter den Studierenden von zwei Prozent auf künftig acht Prozent erhöhen. Zu diesem Zweck sind Stipendien in Höhe von 300 Euro geplant, die je zu einem Viertel von Bund und Ländern und zur Hälfte aus privaten Mitteln getragen werden sollen. Dieser private Anteil soll dabei von den Hochschulen "bei Unternehmen, Stiftungen, Vereinen und Privatpersonen, etwa Alumni", also ehemaligen Absolventen einer Universität, eingeworben werden. Bei der Vergabe der Stipendien soll zum einen die Leistung, zum anderen aber auch das gesellschaftliche Engagement der Studierenden berücksichtigt werden.

Parallel dazu planen CDU/CSU und FDP, ab Herbst 2010 die BAföG-Bedarfssätze um zwei Prozent und die Freibeträge auf die Elterneinkommen um drei Prozent anzuheben. Begleitet wird diese Erhöhung von weiteren strukturellen Veränderungen. Unter anderem soll die Altersgrenze für Masterstudiengänge auf 35 Jahre angehoben werden. Das vergrößert die Chance, nach dem Bachelor zunächst einige Jahre Berufserfahrung zu sammeln und dennoch den Anspruch auf eine BAföG-Finanzierung nicht zu verlieren.

Die Oppositionsparteien beeindruckten diese Pläne allerdings wenig. Einhellig hielten SPD, Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen auch im Bundestag an ihrer Ablehnung des Stipendienprogramms als "Eliteförderung" fest. Als Alternative dazu präsentierten Grünen- und Linksfraktion eigene Anträge, die vor allem darauf abzielen, das BAföG zu stärken. Während die Grünen in ihrem Antrag (17/1570) fordern, die für das Stipendienprogramm vorgesehenen Mehrkosten für eine Aufstockung der BAföG-Sätze zu verwenden, plädiert die Linksfraktion in ihrer Vorlage (17/1558) dafür, die Bedarfssätze um zehn Prozent anzuheben.

»Mickrige Erhöhung«

In der lebhaften Debatte kritisierte Nicole Gohlke (Die Linke) die Idee, bei der Finanzierung der Stipendien auf ehemalige Absolventen zu setzen, als realitätsfern. Denn nach dem Studium müssten die meisten Akademiker bereits an die eigene Altersvorsorge, die Rückzahlung eventuell selbst erhaltener BAföG-Mittel und an Bildungskredite für ihre Kinder denken. Sie könnten es sich deshalb nicht leisten, auch noch Stipendien zu finanzieren. "Wenn Sie die Mäzene stärker in die Pflicht nehmen wollen, dann erhöhen Sie doch einfach den Spitzensteuersatz und führen die Vermögensteuer wieder ein", appellierte Gohlke an die Ministerin.

Auch die Grünen sparten nicht mit deutlichen Worten. "Ihre mickrige BAföG-Erhöhung verblasst völlig im Schatten Ihres monströsen Stipendienprogramms von 300 Millionen Euro", sagte Kai Gehring. Es sei eine der "schwarz-gelben Lebenslügen", zu behaupten, Stipendien orientierten sich nur an Leistung. Habitus und Herkunft seien für eine erfolgreiche Bewerbung viel mehr von zentraler Bedeutung, sagte der Grünen-Abgeordnete.

Dem hielt Albert Rupprecht (CSU) entgegen, keinesfalls nur die Elite im Blick zu haben: "Wir machen die Säule BAföG stärker denn je", betonte er. Zudem sei erst unter Ministerin Schavan der Anteil der "bildungsfernen" Schichten an den Universitäten gestiegen, wohingegen er unter Rot-Grün gesunken sei. Wenn es die Opposition mit ihrer Kritik ernst meine, müsse sie zuerst einmal die Begabtenförderung durch ihre jeweiligen Stiftungen einstellen.

Neue Möglichkeiten

Sein Koalitionskollege Patrick Meinhardt (FDP) verteidigte die Pläne als "Startschuss für eine gute Bildungsdebatte". Der Staat ziehe sich nicht zurück, sondern eröffne vielmehr neue Fördermöglichkeiten. "Beide Gesetze bedeuten eine moderne breiten- und spitzenorientierte Förderung. Genau das ist sozial gerecht", sagte er. Meinhardt begründete dies unter anderem damit, dass das Stipendium nicht auf andere Einkommen wie zum Beispiel die BAföG-Leistungen angerechnet würde.

Die Vorsitzende des Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), konnte das Argument nicht überzeugen. Sie betonte, ihre Fraktion sei keineswegs gegen Stipendien. Doch "bei Ihnen wird die Existenzsicherung zum Lotteriespiel", hielt sie der Koalition vor. Außerdem stünden die Hochschulen durch die Pläne vor einem enormen Verwaltungsaufwand, für den 2.000 neue Stellen nötig seien. Burchardt forderte deshalb, das "Programm zum Bürokratieaufbau an den Hochschulen" zu stoppen. Die Erfolgsaussichten dafür sind momentan jedoch eher gering.