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Strengere Kontrollen, weniger Spekulation

EURO-KRISE Die Europaparlamentarier wollen die Finanzmärkte stärker regulieren als viele EU-Mitgliedstaaten. Etwa bei den Hedgefonds pochen sie auf schärfere…

25.05.2010
2023-08-30T11:25:56.7200Z
5 Min

Eigentlich hatten sich die Abgeordneten vergangenen Mittwoch mit der Frage befassen wollen, wie die Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen der Europäischen Wachstums- und Beschäftigungsstrategie Europa 2020 verbessert werden kann. Doch dann kam alles anders: Angesichts eines weiter fallenden Eurokurses und drohender Staatspleiten in nunmehr drei Euroländern debattierten die Parlamentarier über die Themen, mit denen sich auch Rat und Kommission intensiv befassten: Finanzmarktregulierung, Euro-Rettungsschirm und engere makroökonomische Abstimmung im Rahmen einer europäischen Wirtschaftsregierung.

Sowohl der spanische Ratsvertreter, Europaminister Diego López Garrido, als auch Währungskommissar Olli Rehn forderten das Europaparlament auf, gemeinsam mit Rat und Kommission rasch das Paket zur Finanzmarktregulierung zu verabschieden. Bei den geplanten Richtlinien zu Hedgefonds, Bankenaufsicht und Managervergütung hat das EU-Parlament - anders als beim Milliarden-Rettungsschirm für den Euro - Mitentscheidungsrecht. Sollte die Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten groß sein, könnten die Gesetze noch in der Julisitzung des EU-Parlaments verabschiedet werden. Doch danach sieht es im Moment nicht aus. Die Abgeordneten wollen sich nicht unter Druck setzen lassen; siee können mit Recht darauf verweisen, dass sie seit Jahren eine Finanztransaktionssteuer, eine europäische Ratingagentur und eine strenge Aufsicht über die Finanzwirtschaft anmahnen. Da sich die europäischen Regierungen in den meisten Details nicht einig sind, wurden die Vorlagen bisher im Rat verwässert. Das Parlament beharrt aber auf strengeren Kontrollen - und die will es jetzt auch durchsetzen.

So fragte der sozialdemokratische Abgeordnete und Finanzexperte Udo Bullmann fragte in der Debatte: "Warum war es nicht möglich, in einer konzertierten Aktion der Mitgliedstaaten die toxischen Produkte wie Leerverkäufe oder den Handel mit Kreditausfallversicherungen zu verbieten?" Sein Fraktionskollege Martin Schulz kritisierte: "Wir reagieren immer zu spät. Wir regeln jetzt Hedgefonds, aber wann kommt die europäische Ratingagentur? Ist es normal, dass in dem Augenblick, wo Griechenland ruiniert ist, die Agenturen schon das nächste Ziel ansteuern und Portugal nach unten stufen?" Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament, Rebecca Harms, forderte, nicht länger Symptome zu bekämpfen. Der Staat müsse "mit großer Entschiedenheit auf die Finanzmärkte zurückkehren. Wir brauchen eine Finanztransaktionssteuer nicht für Sonntagsreden, sondern um das zu refinanzieren, was wir mit öffentlichem Geld leisten."

Engere Verzahnung

Der britische Tory-Abgeordnete Timothy Kirkhope wollte den Ruf nach mehr europäischer Einmischung nicht gelten lassen. Bei jeder Krise werde nach mehr EU verlangt - dabei erlaubten die Verträge schon jetzt enge haushaltspolitische Koordinierung und Sanktionen für Defizitsünder. Strengere Maßnahmen nützten nichts, wenn sich keiner daran halte. Das Grundproblem sei, dass es in den Mitgliedstaaten keine einheitliche Position gebe, wie eine "Wirtschaftsregierung" oder "Wirtschaftskoordinierung" aussehen könnte.

Damit hat der Euroskeptiker einen wunden Punkt getroffen. Einigkeit gibt es in dieser Frage nicht einmal zwischen den befreundeten Nachbarn Luxemburg und Deutschland. Nach dem Treffen der Finanzminister der Eurozone am 17. Mai hatte Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker sehr deutlich gemacht, dass er eine engere Verzahnung nur innerhalb der Eurozone für sinnvoll hält. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen will eine "Wirtschaftsregierung", die alle Mitgliedsländer der EU einschließt.

Wie weit Europa von einer solchen Koordination noch entfernt ist, zeigt auch die jüngste Entscheidung der deutschen Bankenaufsicht (Bafin), die in Brüssel wie eine Bombe einschlug. In der Nacht zum 19. Mai verbot sie überraschend und mit sofortiger Wirkung hochspekulative Wetten von Investoren auf fallende Kurse, sogenannte ungedeckte Leerverkäufe. Auch ungedeckte Credit Default Swaps (CDS), also Kreditausfallversicherungen ohne reale Grundlage, sind seither verboten. Beim Finanzministertreffen am Vortag in Brüssel hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) noch betont, dass "nationale Maßnahmen zu Derivaten, Leerverkäufen und Credit Default Swaps eng mit den europäischen verzahnt werden müssen." Doch über die Entscheidung der Bafin waren weder seine Kollegen noch die EU-Kommission informiert. Der für den Finanzmarkt zuständige Binnenmarktkommissar Michel Barnier kritisierte den deutschen Alleingang: "Diese Maßnahmen werden noch wirksamer sein, wenn sie auf europäischer Ebene abgestimmt werden", betonte er. Das wird auch auf den Märkten so gesehen, denn der Euro setzte nach der Nachricht aus Berlin seine Talfahrt fort.

Kommissar Barnier kündigte derweil an, in den kommenden Tagen konkrete Vorschläge für eine europäische Bankenabgabe vorzulegen. Damit wolle die Kommission sicherstellen, dass Finanzinstitute die Kosten künftiger Finanzkrisen teilweise übernähmen, erklärte er. Für den Plan warb am vergangenen Donnerstag auch Kanzlerin Merkel auf der Konferenz zur Regulierung der Finanzmärkte in Berlin.

Bereits drei Tage zuvor hatten sich die EU-Finanzminister auf eine strengere Kontrolle von Managern der als hochspekulativ in Verruf geratenen Hedgefonds geeinigt. Die Richtlinie für alternative Investmentfonds sieht vor, dass sich Manager von Hedgefonds, privaten Beteiligungsfonds (Private Equity-Fonds) und anderen Spezialfonds registrieren lassen und ihre bisher streng geheimen Anlagestrategien und Risiken offenlegen müssen.

Verschärfte Richtlinie

Die Einigung ist ein Fortschritt nach langer Hängepartie: Einen schon seit April 2009 vorliegenden Entwurf der EU-Kommission hatte Großbritannien, wo 80 Prozent der in der EU tätigen Fonds angesiedelt sind, ein Jahr lang aus Sorge um die Zukunft seines Finanzplatzes blockiert. Doch der neue konservative Finanzminister George Osborne lenkte ein. Andere Mitgliedsländer hatten Druck auf die spanische Ratspräsidentschaft ausgeübt, nicht länger den Konsens zu suchen. Ein Vetorecht gibt es in dieser Frage nicht, die qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten reicht aus.

Der Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments stimmte bereits am vergangenen Mittwoch über die Hedgefonds-Richtlinie ab - und verschärfte den Kommissionsentwurf erheblich. Der Entwurf der Abgeordneten, der von Konservativen, Sozialdemokraten und Grünen unterstützt wurde, sieht unter anderem ein EU-weites Verbot von Leerverkäufen vor. Außerdem fordert der Wirtschaftsausschuss, dass künftig alle außereuropäischen Fondsmanager zentral in Brüssel registriert werden sollen - eine Forderung, die auch die USA und Großbritannien erheben. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten will hingegen an einer nationalen Regelung festhalten.

Rat, Europaparlament und EU-Kommission müssen nun über die endgültige Fassung der Richtlinie verhandeln. Der grüne Finanzexperte Sven Giegold ist optimistisch, dass sich das Parlament mit seinen Forderungen durchsetzen kann: "Letztlich ist der öffentliche Druck entscheidend. Weder die Bundesregierung noch andere Mitgliedstaaten können es sich derzeit erlauben, gegen die wirksame Kontrolle zu sein, die sie selbst ständig öffentlich einfordern."

Auch der deutsche Finanzminister glaubt an eine rasche Einigung - aber im Sinne des Rates. Es sei ausreichend, die Zulassung und Beaufsichtigung der Manager durch die jeweilige nationale Aufsichtsbehörde abzuwickeln, argumentierte Schäuble. Sollte ein Fonds in mehreren EU-Mitgliedstaaten angesiedelt sein, würden die zuständigen nationalen Behörden eben eng zusammenarbeiten.