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Rot eingefärbt

PROPAGANDA Ob Rechenaufgaben, Romane oder Geschichtsbücher - die USA sind immer der Feind

07.06.2010
2023-08-30T11:25:57.7200Z
6 Min

In den Tagen vor dem 25. April konnte ich miterleben, wie sich die Straßen in Pjöngjang rot einfärbten. An den Ecken der Kreuzungen wurden rote Flaggen gehisst, rote Wimpel über die Straßen gespannt und auf ebenfalls roten Plakaten mit weißen Schriftzügen die Koreanische Volksarmee verherrlicht, die an diesem Tag ihren 78. Gründungstag feiern sollte.

Es gibt viele solcher Feiertage im nordkoreanischen Kalender, die Anlass bieten, Parolen und Losungen plakativ in der Stadt zu verteilen. Über das ganze Jahr hindurch bleiben ohnehin an wichtigen Plätzen die "aufbauenden" Bilder von entschlossen dreinblickenden Soldaten mit vorgestrecktem Maschinengewehr oder der rotwangigen Bäuerin, die wohlgenährt und voller Kraft die Ähren schneidet, erhalten. Größer, besser - die Komparative sind allgegenwärtig und sollen die letzten Kraftreserven bei den eher blassen und keineswegs wohlgenährten Nordkoreanern mobilisieren helfen.

Ewige Feinde

Und dann gibt es noch die vielen Bilder sowie überdimensionierten Statuen von Kim Il-sung. Der Staatsgründer und ‚geliebte Führer' thront auf einem Hügel in Pjöngjang wie ein gottgleicher Vater, oder er ist als freundlich-jovialer Herr umringt von nordkoreanischen Arbeitern abgebildet, die gebannt seinen Worten lauschen. Auf manchen der Bilder ist auch sein Sohn Kim Jong-il dabei, aber im Straßenbild dominiert noch immer der ältere Kim. Früher fand man dazu zahlreiche Plakate mit nordkoreanischen Soldaten, die mit ihrem Bajonett auf die Karikatur eines US-Soldaten mit langer Nase einstachen. Inzwischen aber beschränken sich anti-amerikanische oder anti-japanische Propaganda-Bilder auf die staatlichen Gebäude oder Schulen.

"Die Yankees sind die ewigen Feinde unserer Massen; wir können nicht mit ihnen unter einem gemeinsamen Himmel leben." Das ist ein kurzer Ausschnitt einer Rede Kim Jong-ils, die in der nordkoreanischen Zeitschrift "Chollima" abgedruckt wurde, eines von vielen Beispielen für die Verteufelung der USA. In einem Mathematik-Lehrbuch für die Grundschule ist die vermeintliche, eigene Überlegenheit gleich in die Aufgabe integriert: "Drei Soldaten der Volksbefreiungsarmee merzen 30 amerikanische Bastarde aus. Wie lautet das Verhältnis der Soldaten, die kämpfen?"

In den Propaganda-Schriften für die eigene Bevölkerung werden die USA als Schwächling dargestellt, als ein Staat, der vor der nordkoreanischen Macht zittert - vor allem seitdem das Land zur Atommacht aufgestiegen ist. Aber die USA sind nicht nur der Erzfeind, sie werden von den nordkoreanischen Ideologen auch als Sündenbock ausgeschlachtet, in dem sie einfach für all die Schwierigkeiten verantwortlich gemacht werden, mit denen die Nordkoreaner seit dem Zusammenbruch des früheren Ostblocks fertig werden müssen. Ohne die Sanktionen, erklärte unlängst der Generalsekretär der deutsch-koreanischen Freundschaftsvereinigung in Pjöngjang seinem Besucher, wäre unser Land wirtschaftlich sehr erfolgreich.

Beeindruckende Siege

In der offiziellen Geschichtsschreibung haben Kim Il-sung und später Kim Jong-il beeindruckende Siege gegen die USA errungen, aber den Feind niemals ganz bezwungen: "1945, während Kim Il Sung damit beschäftigt war, die Japaner in die Flucht zu schlagen, nutzten die Yankees den Augenblick der Verwirrung, um den südlichen Teil der Halbinsel zu besetzen. Dort massakrierten sie die demokratischen Kräfte und setzten eine Marionetten-Regierung (...) ein. Am 25. Juni 1950 starteten die Yankees und ihre Lakaien einen Überraschungsangriff auf die DPRK (Demokratische Volksrepublik Korea), aber die heroische Volksarmee hat sie zurückgeschlagen. In ihrer Verzweiflung griffen die Yankees auf die willkürliche Bombardierung von zivilen Zielen zurück. Aber das koreanische Volk gab nicht nach und am 27. Juli 1953 war es soweit, dass die USA gezwungen waren, eine demütige Kapitulation zu unterzeichnen."

Die Niederlagen der USA ziehen sich durch die nordkoreanischen Geschichtsbücher bis heute. Jüngstes Beispiel ist der Besuch des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton in Pjöngjang im Sommer 2009. Dieses Ereignis bot Kim Jong-il nach den vielen Gerüchten um seinen schlechten Gesundheitszustand eine willkommene Möglichkeit, seinen "Untertanen" einen zerknirschten Bittsteller zu präsentieren und der Welt einen noch immer machtbewussten Herrscher.

Nach dem ersten Atombombentest im Oktober 2006 begründete die nordkoreanische Propaganda die Rückkehr zu den Sechs-Parteien-Gesprächen damit, dass die USA aus Angst vor der militärischen Stärke Nordkoreas wieder um Gespräche gebeten hätten. Dieses Erklärungsmuster wird auch angewendet, wenn es darum geht, der eigenen Bevölkerung zu vermitteln, warum Nordkorea Nahrungsmittelhilfe aus dem Ausland respektive den USA annimmt, wie dieser Ausschnitt aus einem der vielen Propaganda-Romane belegt:

"Exzellenz! Wir im (US)-Verteidigungsministerium hoffen darauf, ihre Militäreinrichtung in Kumchangni offengelegt zu bekommen, was auch immer es kosten möge. Bitte nennen Sie uns den Preis für eine Besichtigung." Pong Myong-ju blickte herab mit einem würdevollen Lächeln. "Wegen ihrer wirtschaftlichen Blockade und einigen Naturkatastrophen durchleben wir gerade [...] Schwierigkeiten. All das von einem humanitären Aspekt aus betrachtet und in Übereinstimmung mit den Konsequenzen unseres Konflikts mit ihnen, halten wir 700 Tausend Tonnen Getreide für angemessen."

Es gibt eine Reihe solcher Romane, die angeblich viel gelesen werden. Allerdings wird es für die Propaganda-Abteilungen in Pjöngjang immer schwieriger, ihre Wirklichkeit als die wahre Wirklichkeit zu verkaufen. Immer mehr Informationen dringen über die chinesisch-koreanische Grenze in das einst vollständig isolierte Land. Nach Aussagen von nordkoreanischen Flüchtlingen, ist die Bereitschaft, ausländische Nachrichten zu konsumieren, mittlerweile stark angestiegen, auch wenn darauf harte Strafen stehen. Das Wohlstandsgefälle zwischen dem völlig verarmten Norden und dem reichen Süden ist ohnehin nicht mehr zu leugnen.

Während der sogenannten "Sonnenschein"-Politik unter Kim Dae Jung und seinem Nachfolger Roh Moo-hyun näherten sich die beiden verfeindeten Staaten an. Der Süden war bereit, im großen Stil Nahrungsmittel- und Wirtschaftshilfe zu leisten, um die Beziehungen zu verbessern. Direkte, verbale Angriffe auf die südkoreanischen Präsidenten blieben deshalb aus - zumindest in den offiziellen Verlautbarungen der staatlichen, nordkoreanischen Nachrichtenagentur. Aber in den Schulbüchern und Propaganda-Romanen war Südkorea weiterhin ein Marionettenstaat der USA, in dem die Menschen in ständiger Unsicherheit leben müssen. "In der an Katastrophen reichen "Republik", mit den Verkehrsunfällen und den zusammenstürzenden Häusern, in diesem Land, das seine früheren Präsidenten ins Gefängnis steckt, tragen die Medien nicht zur Aufklärung der Menschen über die Dinge der Welt bei, sondern halten sie im Dunkeln. (...) Wissen sie wie viele Autos dort jedes Jahr gestohlen werden? Die Gegend ist voller Diebe. Jeden Tag verschwinden 120 Menschen; überall gibt es Überfällle, gewälttätige Banden, die U-Bahn ist die Hölle (...)."

Nach dem Amtsantritt des konservativen, südkoreanischen Präsidenten Lee Myung-bak im Februar 2008 endete die "Sonnenschein"-Politik. Es dauerte nicht lange und die staatliche, nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA beschimpfte ihn als Verräter: "Während seines Besuchs bei den amerikanischen und japanischen Herren hat der Verräter Lee Myung-bak nichts anderes gemacht, als die Würde der Nation und das Interesse des südkoreanischen Volkes zu verkaufen sowie die anachronistische Konfrontation mit der DPRK anzustacheln." Die harschen Worte hatten ihren Grund in der harten Haltung von Lee Myung-bak gegenüber dem Norden. Erst wenn Zugeständnisse bezüglich des nordkoreanischen Atomprogramms erfolgen würden, sei er zu weiteren Hilfslieferungen bereit.

Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem Lee in den nordkoreanischen Medien nicht als Verräter bezeichnet wird. Besonders geeignet für die staatliche Propaganda sind Demonstrationen in Südkorea, um im Gegensatz zum zerstrittenen Süden die Einheit im Norden als das "Paradies auf Erden" darstellen zu können.

"Wenigstens 1.000 Mitglieder der Demokratischen Partei und viele Bürger Südkoreas haben am 6. August in Seoul demonstriert. Dem südkoreanischen Rundfunk MBC zufolge protestierten die Menschen gegen die Bemühungen der verräterischen Gruppe von Lee Myung-bak, die Kontrolle über die Medien zu erlangen."

Nimmt man die Propaganda ernst, führt derzeit kein Weg zu einer Annäherung zwischen den beiden Koreas. Ob aus dem Säbelrasseln, das zahlreich in den staatlichen Verlautbarungen zu finden ist, irgendwann einmal ernst wird, muss sich zeigen.

"Die USA und die südkoreanische Marionetten-Armee arbeiten mit blutunterlaufenen Augen daran, jederzeit einen Präventiv-Schlag gegen die DPRK vornehmen zu können (...) Sollten die US-Imperialisten und die südkoreanischen Kriegstreiber ihre aggressiven Militärübungen abhalten, dann wird die KVA (Koreanische Volksarmee) starke militärische Gegenmaßnahmen ergreifen und wenn nötig all ihre offensiven wie defensiven Mittel mobilisieren inklusive der nuklearen Abschreckung, um erbarmungslos das Bollwerk der Aggression zu zerstören."

Der Autor ist ARD-Hörfunkkorrespondent und berichtet unter anderem über Nord- und Südkorea.