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Aus Plenum und Ausschüsse : Koalition: Keine öffentlichen Vernehmungen mehr

21.06.2010
2023-08-30T11:25:58.7200Z
3 Min

KUNDUS-AUSSCHUSS

In der Benennung des Desasters stimmen Koalition und Opposition überein. Aus Sicht von Unions-Obmann Ernst-Reinhard Beck wie von Grünen-Sprecher Omid Nouripour kam es am vergangenen Donnerstag im Kundus-Untersuchungsausschuss, der den verheerenden Luftschlag vom 4. September in Afghanistan erhellen soll, zu einem "Eklat". Beck sieht das Gremium auf einem "gewissen Tiefpunkt" angelangt. Damit haben die Gemeinsamkeiten aber auch schon ein Ende. Nach dem gegen scharfen oppositionellen Protest von Union und FDP gefassten Beschluss, anders als bisher die Öffentlichkeit von Zeugenvernehmungen im Prinzip auszuschließen und davon nur im Einzelfall abzuweichen, ist das Klima aufgeheizt und vergiftet. Wie der Bruch gekittet werden soll, ist nicht abzusehen. SPD, Linke und Grüne wollen die Justiz einschalten und drohen mit einem neuen Untersuchungsausschuss.

Zur Aufklärung des Kundus-Bombardements hatten sich Koalition und Opposition auf die Umwandlung des eigentlich nichtöffentlich tagenden Verteidigungs- in einen Untersuchungsausschuss geeinigt. Teil des Kompromisses war die Vereinbarung, dass Zeugen aus der Leitungsebene "grundsätzlich in öffentlicher Sitzung einvernommen werden", nämlich Minister und eventuell die Kanzlerin, Staatssekretäre, Abteilungsleiter und Pressesprecher sowie der Generalinspekteur der Bundeswehr und dessen Vize. SPD-Obmann Rainer Arnold betont, nur unter dieser Bedingung habe man auf die Einberufung eines regulären Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes verzichtet, bei dem Öffentlichkeit die Regel ist.

Der Widerruf der ursprünglich gemeinsam getragenen Übereinkunft durch die Koalition erfolgt mitten im Streit um die von der Opposition angestrebte öffentliche Gegenüberstellung von Minister Karl-Theodor zu Guttenberg mit den von dem CSU-Politiker im Zuge der Kundus-Affäre in die Wüste geschickten Topbeamten Wolfgang Schneiderhan, seinerzeit Generalinspekteur, und Peter Wichert, damals Staatssekretär. Beck begründet das Vorgehen von Union und FDP mit einer zwischenzeitlich vom CDU-Abgeordneten Siegfried Kauder erarbeiteten juristischen Expertise, nach der die pauschale Regelung zur öffentlichen Vernehmung bestimmter Zeugen der Geschäftsordnung des Bundestags widerspreche. Beck zeigt sich "dankbar", dass Kauder mit seinem Vorstoß die Koalition vor rechtswidrigem Verhalten bewahre. Im Einzelfall könne man immer noch über eine öffentliche Anhörung entscheiden, sagte er. Arnold hingegen kritisiert, dass Union und FDP mit ihrer Mehrheit bei jedem Zeugen die Öffentlichkeit verhindern könnten, und das sei wohl auch beabsichtigt.

Die Opposition wirft der Koalition vor, den Ausschuss mundtot machen zu wollen. Linken-Obmann Paul Schäfer empört sich über den "Obstruktionskurs", Nouripour über "Tricksereien" - der neue Beschluss sei eine "Lex Merkel", um deren öffentliche Befragung zu verhindern.

Weil dies nach den Ausschussregeln nicht geboten sei, lehnten Union und FDP zudem eine Gegenüberstellung Guttenbergs mit Schneiderhan und Wichert ab. Die Opposition dringt auf eine solche Zeugenkonfrontation, weil sich ihrer Ansicht nach zwischen den Aussagen des Ministers und der beiden Ex-Topleute diverse Widersprüche aufgetan hätten.

Dieser Konflikt könnte über die Zukunft des Ausschusses entscheiden. Die Opposition will nämlich vor dem Bundesgerichtshof die umstrittene Gegenüberstellung durchsetzen. Für den Fall, dass die Klage Erfolg hat und die Koalition den Dreier-Auftritt nur nichtöffentlich genehmigen will, droht Arnold die Einsetzung eines regulären Untersuchungsausschusses an. Man poche auf die Minderheitenrechte, betonten auch Schäfer und Nouripour. Für Beck ist die Beweiserhebung im Ausschuss inhaltlich "eigentlich zu Ende". Doch angesichts der neuen Streitereien erscheint der ursprünglich für November avisierte Abschluss der Zeugenanhörungen durchaus fraglich.