Piwik Webtracking Image

»Den Funken am Glimmen halten«

DISKUSSION Wie die Parlamentspräsidenten des Weimarer Dreiecks die Zukunft Europas sehen

20.09.2010
2023-08-30T11:26:03.7200Z
3 Min

"20 Jahre Deutsche Einheit - unsere Zukunft in Europa" hieß das Erfolgsstück, aufgeführt am Mittwochabend im überfüllten griechischen Theater der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Es wurde für die Protagonisten - den neuen Präsidenten des polnischen Sejm, des Deutschen Bundestages und den Vorsitzenden der deutsch-französischen Parlamentariergruppe, Yves Bur - ein Abend unter Gleichgesinnten. Man feierte über die deutsche Einheit hinaus das Wunder der europäischen Einigung; man feierte das "Weimarer Dreieck", das Polens Parlamentspräsident Grzegorz Schetyna als Chance sah, "zum Motor für Europa zu werden". Das Weimarer Dreieck entstand 1991 aus einem Treffen des deutschen, polnischen und französischen Außenministers.

Es waren die persönlichen Eindrücke, die das Thema plastisch machten. So sprach der Franzose einerseits von der "kalten Diktatur", die er im Mai 1989 in Ost-Berlin gespürt hatte, andererseits wusste er das Mistrauen seiner Landsleute über einen etwaigen "deutschen Sonderweg" so zu formulieren: "Die Dinge hätten auch anders laufen können." Hätten sie wirklich?

Demokratische Urgewalt

Einig war man sich über das Glück der deutschen Einheit. Norbert Lammert wünschte sich, etwas von dieser "demokratischen Urgewalt", deren "Vitalität wir alle buchstäblich noch vor Augen haben, über die Ereignisse hinwegzuretten" - ins Jetzt, ins Heute, 20 Jahre später, da die nostalgische Verklärung beginne. Dazu eigneten sich die gern belächelten Rituale, die die Politik nötig habe. Er nannte das "Weimarer Dreiecksverhältnis" erfolgreich, weil sie sich in der gegenwärtigen Finanzkrise zu Lösungen durchgerungen habe, wiewohl die einzelnen Länder ursprünglich "signifikant unterschiedliche" Lösungsansätze gehabt hätten. Und dabei gelten "Dreiecksbeziehungen normalerweise als instabil".

Angesprochen auf die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen, zog der Bundestagspräsident ein fast euphorisches Fazit: "Das hätten wir uns vor 20 Jahren vielleicht träumen lassen", warf er mit leidenschaftlicher Geste in den Saal, was inzwischen längst Realität geworden sei: Dass nämlich er mit seinem ehemaligen Kollegen und Freund Bronislaw Komorowski wie "Pat und Patachon" durch die europäischen Lande gereist sei.

Auf die Frage der Moderatorin, wie bei der rasanten Entwicklung Europa in 20 Jahren aussehen werde, reagierten die drei Podiumsteilnehmer auf ihre Weise optimistisch. Der Franzose Yves Bur, der Parlamentspräsident Bernard Accoyer wegen der schwierigen Debatte in der französischen Nationalversammlung um die Anhebung des Rentenalters von 60 auf 62 Jahre - Gelächter im Saal - vertreten musste, mahnte die gemeinsame Arbeit im Balkan, an den Toren Europas, an und verwies auf das Problem: "Wie können wir unsere Werte verteidigen in einer globalen Welt, die uns keine Zeit lässt?"

Pragmatische Politik

Der neue polnische Sejm-Marschall, Grzegorz Schetyna, der Lammert zuvor seinen Antrittsbesuch gemacht hatte, schlug einen Bogen - von der Gründung der Solidarnosc 1980 über den Fall der Mauer bis zum Beitritt Polens 2007 zum Schengener Abkommen. Er endete mit zwei Wünschen: "Gebt uns Zeit" und: "Lasst uns normal arbeiten." Lammert warnte, man möge mit der Phantasie ein bisschen vorsichtig umgehen. Es gelte den "Funken (der Begeisterung von 1989) am Glimmen zu halten".

Nüchterner, pragmatischer, erfolgreicher kann Politik nicht zu sein.