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Warten auf die Regelsätze

Arbeit und Soziales Von der Leyen verteidigt Kürzungen - Opposition spricht vom »Sparen ins Blaue«

20.09.2010
2023-08-30T11:26:04.7200Z
3 Min

Wer gehofft hatte, dass Ursula von der Leyen (CDU) eine kleine Andeutung über die mit Spannung erwarteten neuen Hartz-IV-Regelsätze für Kinder machen würde, der wurde am vergangenen Donnerstag enttäuscht. In der Debatte über den Haushalt ihres Ministeriums ließ die Bundesarbeitsministerin die Katze noch nicht aus dem Sack.

Stattdessen überschüttete von der Leyen die Zuhörer zu Beginn ihrer Rede mit guten Nachrichten - wohlweislich, dass die Debatte über Einsparungen später noch ungemütlich werden würde. Die Arbeitslosigkeit sei nach der Krise auf einem Niveau, das niemand für möglich gehalten habe. Es könne "gelingen, gegen Ende des Jahres die 3-Millionen-Marke zu unterschreiten", freute sich von der Leyen und rechnete vor, dass durch die Wirtschaftskrise die Arbeitslosigkeit im Schnitt aller EU-Länder um 28 Prozent gestiegen sei, in Deutschland aber nur um 3 Prozent.

Der Etat für Arbeit und Soziales ist mit 131,85 Milliarden Euro der größte Posten im Bundeshaushalt. Weil die Wirtschaft wieder anzieht und die Arbeitslosigkeit sinkt, kann die Ministerin für das Jahr 2011 mit rund 11,35 Milliarden Euro geringeren Ausgaben rechnen, als in der mittelfristigen Finanzplanung noch vorgesehen waren.

Und dann ist da noch das Sparpaket: 4,3 Milliarden Euro müssten gespart werden, um die Schuldenbremse einzuhalten, sagte von der Leyen. Das sei "schmerzlich, aber das ist nicht unverhältnismäßig." Die Ministerin verteidigte die geplanten Sparmaßnahmen. "Wir sparen da ein, wo nach reiflichen Überlegungen das eingesetzte Geld kaum Wirkung hat." So will die Regierung die Beiträge von Langzeitarbeitslosen zur Rentenversicherung streichen. "Der Bund zahlt zum Beispiel jährlich 1,8 Milliarden Euro dafür, das ein Langzeitarbeitsloser später gerade einmal zwei Euro Rente mehr im Monat hat", sagte von der Leyen. Ein weiterer großer Sparposten ist die Kürzung der Mittel für Umschulungen, Qualifizierungen und Weiterbildungen von Arbeitslosen. Mit den in diesem sogenannten Eingliederungstitel eingeplanten Mitteln liege man noch über dem Niveau des Jahres 2008, obwohl damals die Arbeitslosigkeit höher gewesen sei. Sie halte das alles für "verhältnismäßig", betonte die Ministerin.

"Dann weiß ich nicht, was verhältnismäßig sein soll", konterte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner. Es sei schon verwunderlich, dass die Regierung das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger streiche, während die nichtarbeitende Bankiersgattin es weiterhin bekomme. Die SPD-Sozialpolitikerin hält es auch für falsch, beim sogenannten Eingliederungstitel zu sparen. Maßnahmen, auf die Arbeitslose bisher einen Rechtsanspruch hatten, in Ermessensspielräume umzuwandeln, führe zu einer "Politik nach Gutsherrenart", so Ferner.

Weil die Rentenversicherung kein Geld mehr für Langzeitarbeitslose bekomme, könne die Regierung die ab 2014 ursprünglich geplante Beitragssenkung "schon mal knicken". Beim Thema Hartz-IV-Regelsätze richtete Ferner mahnende Worte in Richtung Regierungsbank. Bis Ende des Jahres müssen die Sätze neu berechnet werden, da das Bundesverfassungsgericht die bisherige Art der Berechnung als verfassungswidrig verworfen hatte. Für Regelsätze "nach Kassenlage" würde es von der SPD-Fraktion und von den SPD-geführten Bundesländern keine Zustimmung geben.

In die gleiche Kerbe schlug die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katja Kipping. Den von der Regierung für das Arbeitslosengeld II eingeplanten Betrag in Höhe von 20,9 Milliarden Euro bezeichnete sie als "Luftbuchung", die Regierung könne doch noch gar nicht wissen, wie hoch die Hartz-IV-Sätze ausfallen werden. Sie warnte vor "Manipulation" und bezichtigte die Regierung der "Geheimniskrämerei" bei den Daten für die Berechnung der Sätze.

"Sie sparen ins Blaue hinein", kritisierte Markus Kurth, sozialpolitischer Sprecher der Grünen. Die Botschaft, die hinter der Kürzung des Elterngeldes für Hartz-IV-Bezieher stehe, sei klar: "Wir wollen nicht, dass ihr Kinder bekommt." Der Etat sei kein "Sparhaushalt", sondern verschiebe die Lasten auf andere: auf die Bundesanstalt für Arbeit - die im kommenden Jahr keinen Zuschuss sondern nur ein Darlehen bekommen soll - auf die Rentenversicherung, auf die Zukunft, da weniger Geld für Weiterbildung da sei.

CDU/CSU und FDP halten die Kürzungen der Mittel im Eingliederungsbudget hingegen sehr wohl für vertretbar. Im Jahr 2006 habe pro Arbeitslosen 2.860 Euro zur Verfügung gestanden, 2011 würden es wegen sinkender Arbeitslosenzahlen 4.400 Euro sein, rechnete Claudia Winterstein (FDP) vor. "Von einem sozialen Kahlschlag" könne keine Rede sein. Ressortübergreifend seien für 2011 insgesamt 158,8 Milliarden Euro für Sozialausgaben vorgesehen, das entspreche 51,7 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes. Michaela Hoffmann