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Umstrittener Meiler-Stein

ENERGIE Die Debatte um die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken lässt die Emotionen hochkochen

04.10.2010
2023-08-30T11:26:05.7200Z
6 Min

Ist das neue Energiekonzept der Bundesregierung ein "Meilenstein der deutschen Wirtschaftsgeschichte" und der Aufbruch in ein Zeitalter der erneuerbaren Energieversorgung? Oder ist die schwarz-gelbe Regierungskoalition vor den Atomkraftwerksbetreibern eingeknickt und hat ihnen längere Laufzeiten zugestanden, ohne die Gewinne angemessen abzuschöpfen?

Als am vergangenen Freitagmorgen die Regierungsfraktionen von Union und FDP insgesamt fünf Gesetzentwürfe einbrachten, mit denen das neue Energiekonzept umgesetzt werden soll, kochten im Sitzungssaal des Bundestages die Emotionen hoch: Minister und Regierungsfraktionen verteidigten das Gesetzespaket, die Opposition übte scharfe Kritik.

Kommunen benachteiligt

Es war auch ein Krieg um Zahlen und Fakten: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte, dass 50 Prozent der zusätzlichen Gewinne, die die Kraftwerksbetreiber durch die verlängerten Laufzeiten erzielten, von der Regierung abgeschöpft würde. Damit würden dann die Kosten für "den Umbau ins Zeitalter der erneuerbaren Energien" bezahlt.

Andere stellten diese Zahl in Frage: Nach den Berechnungen von Hermann Scheer, der für seine Verdienste um die Verbreitung der Solarenergie vor elf Jahren den alternativen Nobelpreis erhielt und für die SPD im Bundestag sitzt, werden nur 28 Prozent der zusätzlichen Gewinne der Kraftwerksbetreiber abgeschöpft. Die Energieversorger könnten die Brennelementesteuer, die die Regierung einführen will, schließlich von der Gewerbe- und der Körperschaftssteuer absetzen, sagte Scheer. Weil sie weniger Gewerbesteuern einnehmen könnten, würden durch die Regelung auch die Kommunen benachteiligt, beklagte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi.

Brüderle kritisierte, dass die rot-grüne Bundesregierung 2001 zwar den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, den Ausbau der Leitungen aber vernachlässigt habe: Wer eine dezentrale Energieversorgung wolle, beispielsweise durch kleinere Kraftwerke oder Windparks, müsse auch dem Ausbau der Netze zustimmen. Die Grünen, wetterte er, würden auf lokaler Ebene in vielen Gemeinden die Proteste dagegen anführen. Jürgen Trittin, Umweltminister zur Zeit des Atomausstiegs und heute grüner Fraktionsvorsitzender, widersprach umgehend: Die damalige Bundesregierung habe sehr wohl die Netze ausbauen wollen, sei aber am Votum des Bundesrates gescheitert - wo die Union die Mehrheit stellte.

Neue Sicherheitsstandards

Umstritten war auch die Frage, wie viel radioaktiver Atommüll durch die Laufzeitverlängerungen anfallen würde. Unions-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs ging davon aus, dass es nicht mehr als vier Prozent zusätzlich sein würden; Solaraktivist Hermann Scheer widersprach aufgeregt: Die Menge an besonders giftigem Atommüll aus Kraftwerken, würde durch die Laufzeitverlängerung um insgesamt 25 Prozent steigen.

Auch bei der Frage nach den Sicherheitsstandards lieferten sich Regierung und Opposition heftige Redeschlachten. Michael Fuchs warf der damaligen rot-grünen Regierung vor, beim Atomausstieg den Kraftwerksbetreibern - quasi als Gegenleistung - zusätzliche Sicherheitsstandards erspart zu haben. Dagegen habe CDU-Umweltminister Norbert Röttgen durchgesetzt, dass der "Sicherheitsstandard von Kernkraftwerken permanent entsprechend dem fortschreitenden Stand von Wissenschaft und Technik verbessert werden" müsse. SPD-Umweltexperte Ulrich Kelber hielt dagegen, dass Energiekonzerne ihre Kraftwerke schon heute an aktuelle Sicherheitsstandards anpassen müssten. Außerdem kritisierte der Sozialdemokrat, dass Sicherheits-Investitionen von mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr und Kraftwerk von der geplanten Brennelementesteuer abgezogen werden könnten.

Erkundung umstritten

Die Erkundung des Salzstockes Gorleben als Endlager für Atomabfälle, die seit vergangenem Freitag wieder möglich ist, war umstritten: Jürgen Trittin warf der Regierung vor, die Sicherheitsstandards senken zu wollen. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) beklagte, die Opposition würde mit "Falschbehauptungen" arbeiten und betonte, Gorleben könnte nur auf Grundlage eines regulären Verfahrens als Endlager genomment werden. Der Minister würdigte das neue Energiekonzept als "Meilenstein in der Wirtschaftsgeschichte" Deutschlands und kündigte eine schnelle Umsetzung an.

Ist das neue Energiekonzept der Bundesregierung ein "Meilenstein der deutschen Wirtschaftsgeschichte" und der Aufbruch in ein Zeitalter der erneuerbaren Energieversorgung? Oder ist die schwarz-gelbe Regierungskoalition vor den Atomkraftwerksbetreibern eingeknickt und hat ihnen längere Laufzeiten zugestanden, ohne die Gewinne angemessen abzuschöpfen?

Als am vergangenen Freitagmorgen die Regierungsfraktionen von Union und FDP insgesamt fünf Gesetzentwürfe einbrachten, mit denen das neue Energiekonzept umgesetzt werden soll, kochten im Sitzungssaal des Bundestages die Emotionen hoch: Minister und Regierungsfraktionen verteidigten das Gesetzespaket, die Opposition übte scharfe Kritik.

Kommunen benachteiligt

Es war auch ein Krieg um Zahlen und Fakten: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte, dass 50 Prozent der zusätzlichen Gewinne, die die Kraftwerksbetreiber durch die verlängerten Laufzeiten erzielten, von der Regierung abgeschöpft würde. Damit würden dann die Kosten für "den Umbau ins Zeitalter der erneuerbaren Energien" bezahlt.

Andere stellten diese Zahl in Frage: Nach den Berechnungen von Hermann Scheer, der für seine Verdienste um die Verbreitung der Solarenergie vor elf Jahren den alternativen Nobelpreis erhielt und für die SPD im Bundestag sitzt, werden nur 28 Prozent der zusätzlichen Gewinne der Kraftwerksbetreiber abgeschöpft. Die Energieversorger könnten die Brennelementesteuer, die die Regierung einführen will, schließlich von der Gewerbe- und der Körperschaftssteuer absetzen, sagte Scheer. Weil sie weniger Gewerbesteuern einnehmen könnten, würden durch die Regelung auch die Kommunen benachteiligt, beklagte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi.

Brüderle kritisierte, dass die rot-grüne Bundesregierung 2001 zwar den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, den Ausbau der Leitungen aber vernachlässigt habe: Wer eine dezentrale Energieversorgung wolle, beispielsweise durch kleinere Kraftwerke oder Windparks, müsse auch dem Ausbau der Netze zustimmen. Die Grünen, wetterte er, würden auf lokaler Ebene in vielen Gemeinden die Proteste dagegen anführen. Jürgen Trittin, Umweltminister zur Zeit des Atomausstiegs und heute grüner Fraktionsvorsitzender, widersprach umgehend: Die damalige Bundesregierung habe sehr wohl die Netze ausbauen wollen, sei aber am Votum des Bundesrates gescheitert - wo die Union die Mehrheit stellte.

Neue Sicherheitsstandards

Umstritten war auch die Frage, wie viel radioaktiver Atommüll durch die Laufzeitverlängerungen anfallen würde. Unions-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs ging davon aus, dass es nicht mehr als vier Prozent zusätzlich sein würden; Solaraktivist Hermann Scheer widersprach aufgeregt: Die Menge an besonders giftigem Atommüll aus Kraftwerken, würde durch die Laufzeitverlängerung um insgesamt 25 Prozent steigen.

Auch bei der Frage nach den Sicherheitsstandards lieferten sich Regierung und Opposition heftige Redeschlachten. Michael Fuchs warf der damaligen rot-grünen Regierung vor, beim Atomausstieg den Kraftwerksbetreibern - quasi als Gegenleistung - zusätzliche Sicherheitsstandards erspart zu haben. Dagegen habe CDU-Umweltminister Norbert Röttgen durchgesetzt, dass der "Sicherheitsstandard von Kernkraftwerken permanent entsprechend dem fortschreitenden Stand von Wissenschaft und Technik verbessert werden" müsse. SPD-Umweltexperte Ulrich Kelber hielt dagegen, dass Energiekonzerne ihre Kraftwerke schon heute an aktuelle Sicherheitsstandards anpassen müssten. Außerdem kritisierte der Sozialdemokrat, dass Sicherheits-Investitionen von mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr und Kraftwerk von der geplanten Brennelementesteuer abgezogen werden könnten.

Erkundung umstritten

Die Erkundung des Salzstockes Gorleben als Endlager für Atomabfälle, die seit vergangenem Freitag wieder möglich ist, war umstritten: Jürgen Trittin warf der Regierung vor, die Sicherheitsstandards senken zu wollen. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) beklagte, die Opposition würde mit "Falschbehauptungen" arbeiten und betonte, Gorleben könnte nur auf Grundlage eines regulären Verfahrens als Endlager genomment werden. Der Minister würdigte das neue Energiekonzept als "Meilenstein in der Wirtschaftsgeschichte" Deutschlands und kündigte eine schnelle Umsetzung an.