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Parlamentarisches Profil : Der Abweichler: Manfred Kolbe

25.10.2010
2023-08-30T11:26:07.7200Z
3 Min

Manfred Kolbe gehört zu einer Minderheit. Mit nur fünf weiteren Abgeordneten der Union votierte er bei der Bundestagsabstimmung im Mai 2010 gegen das europäische Rettungspaket für Griechenland. "Die Steuerzahler sollen die Lasten alleine tragen, während die Banken aus ihrer Verantwortung entlassen werden", kritisiert der 57-jährige CDU-Abgeordnete aus Sachsen. Heute, angesichts der zunehmenden Verschuldung Irlands, fühlt Kolbe sich bestätigt: "Die Griechenland-Hilfe ist keine nachhaltige Lösung."

Auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise im Frühjahr stellten der Internationale Währungsfonds und die Länder der Eurozone 110 Milliarden Euro zur Verfügung. 80 Milliarden davon entfielen auf die europäischen Staaten. Die gigantische Summe sollte dazu dienen, den Bankrott des griechischen Staates zu verhindern, der damals seine Staatsanleihen am Kapitalmarkt nur noch zu extrem hohen Zinsen verkaufen konnte. Bei diesem Rettungspaket blieb es nicht: Wenig später folgte der europäische Rettungsschirm, mit dem die Europäische Union 750 Milliarden Euro bereitstellte, um auch anderen potenziell gefährdeten Euro-Ländern wie Spanien oder Irland zur Seite zu stehen.

Manfred Kolbe, der den Wahlkreis Nordsachsen mit der Stadt Torgau an der Elbe vertritt, begründet seine Kritik an den Finanzhilfen so: "Wir müssen Griechenland helfen, aber bitte unter Einbeziehung der Banken und Spekulanten, die von hohen griechischen Zinsen profitieren." In einer Notsituation sei es zwar akzeptabel, dass die Regierungen einem bedrohten Staat schnell unter die Arme greifen. Am Ende dürfe man aber nicht die kompletten Lasten den Steuerzahlern aufbürden. "Im Gegenteil: Die Banken, Fonds und Investoren sollten die Milliardenschulden abtragen." Um dies wenigstens teilweise durchzusetzen, plädiert Jurist Kolbe für eine "Umschuldung". Soll heißen: "Die Hälfte der griechischen Staatsschulden müssten annuliert werden, und die Gläubiger damit auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten."

Aber wären dadurch nicht unter anderem deutsche Banken in die Knie gegangen, weil sie nach der bereits eingetretenen Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 einen abermaligen Milliarden-Verlust nicht hätten wegstecken können? Hätte das Griechenland-Desaster damit nicht doch noch zum großen Bankencrash geführt? "Nein", meint Kolbe. Man müsse die Institute verpflichten, die Lasten über viele Jahre nach und nach abzubezahlen. Die gegenwärtige Konstruktion der Hilfen jedenfalls verletze ein grundlegendes Prinzip der Marktwirtschaft, sagt Kolbe. "Wer sich unternehmerisch betätigt, kann nicht nur Gewinne kassieren, sondern muss auch für Verluste haften. Wenn wir den zweiten Teil des Leitsatzes außer Kraft setzen, führt das zu einer Art Manager-Sozialismus der Eliten. Damit diskreditiert die Regierung die Marktwirtschaft", sagt Kolbe.

Nicht nur der sächsische Abgeordnete, auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat dieses Problem inzwischen erkannt. Deshalb versucht die Regierung auf europäischer Ebene, ein neues Insolvenzrecht für Staaten durchzusetzen, das auch die Gläubigerbanken einbeziehen würde. Die Realisierung steht allerdings in den Sternen. Manfred Kolbe hält die Chancen für gering - und befürchtet weitere Milliarden-Kosten, die durch Spanien, Irland und andere Länder auf die Steuerzahler zukommen könnten.

Die Schieflage der Banken- und Euro-Rettung beunruhige viele Bürger zutiefst, weiß Kolbe aus seinem Wahlkreis, den er 2009 mit knapp 41 Prozent der Stimmen wieder als Direktkandidat gewann. Er kann das beurteilen: Der gebürtige Sachse wuchs in Bayern und Rom auf, studierte unter anderem in West-Berlin, und kehrte schon kurz nach der Wende nach Ostdeutschland zurück. Fragen der gesellschaftlichen Gerechtigkeit hätten in Ostdeutschland eine größere Relevanz als im Westen, meint Kolbe. Diese besondere Sensibilität dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, warum der Abgeordnete den bisherigen Kurs zur Bewältigung der Krise nicht mittragen kann.