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Raubtiere schleichen an

wertpapierrecht Im Streit um Hochtief entdeckt die Koalition auch positive Seiten an Übernahmen

15.11.2010
2023-08-30T11:26:09.7200Z
3 Min

Wir wollen das heimliche und feindliche Anschleichen von Unternehmenserwerbern möglichst verhindern", begründete Vizefraktionschef Joachim Poß den SPD-Vorstoß zur Verschärfung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmerechts. Doch tatsächlich ging es bei der Bundestagsdebatte am vergangenen Donnerstag vor allem um eben die vom spanischen Unternehmen ACS angestrebte Übernahme des Essener Baukonzerns Hochtief.

Schonungslos formulierten die Redner von CDU/CSU und FDP ihre Absage. Den Linken ging der Vorstoß der Sozialdemokrarten dagegen nicht weit genug. Bündnis 90/Die Grünen mochten sich mit dem Vorhaben auch nicht anfreunden, wollen es aber zum Anlass nehmen, bei den Ausschussberatungen über verbesserten Arbeitnehmerschutz zu beraten.

Poß fand große Worte: "Der Raubtierkapitalismus muss endlich gezähmt werden." Dazu zähle auch jene Stelle im Übernahmerecht, die die SPD ändern möchte: Es soll nicht nur einmal ein Pflichtangebot an die anderen Aktionäre geben, wenn ein Erwerber auf mindestens 30 Prozent der Stimmrechte kommt, sondern weitere Angebote, wenn er seinen Anteil weiter aufstockt.

Denn, so Poß: "Gesunde und erfolgreiche Unternehmen in Deutschland dürfen nicht ins Visier von windigen Finanzinvestoren geraten, nur weil sie derzeit an der Börse un-terbewertet sind." Die SPD wolle "erschweren", dass "ein hervorragendes Unternehmen wie zum Beispiel Hochtief von einem hochverschuldeten Unternehmen viel zu günstig" erworben werde, um "anschließend zerschlagen und filetiert" zu werden - auch wenn dies dementiert werde.

Mathias Middelberg (CDU/CSU) konterte mit voller Breitseite. "Märchenonkel" Poß habe "ziemlich am Thema vorbei gesprochen": "Das Horrorgemälde hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun." Selbst wenn der Baukonzern Hochtief übernommen werde: Der Blick auf Fremdübernahmen in Deutschland zeige, dass es "viel mehr positive als negative Beispiele" gebe. Middelberg beschied bündig: "Es gibt keine Lücke im Übernahmerecht, die wir schließen müssen."

Kein Anschleichen

Bei Hochtief gehe es nicht um Anschleichen oder Einschleichen, die ACS-Aktivitäten liefen seit dreieinhalb Jahren. Middelberg hielt dem Essener Management vor, es hätte sich "viel rechtzeitiger" um eine Verteidigungsstrategie gegen die Übernahme kümmern müssen. Das sei "kein Fall für den Gesetzgeber".

Wie auf dem Basar

Ulla Lötzer (Die Linke) hob hervor: "Unternehmen sind keine Schnäppchen auf dem Basar für Heuschrecken und Aktionäre." Aufgabe der Politik sei es, dafür zu sorgen, dass bei einer Übernahme die Beschäftigten "der Gier von Zockern zum Opfer fallen". Sie konzentrierte sich ganz besonders auf den Fall Hochtief: "Es geht um den Schutz eines wirtschaftlich gesunden Unternehmens vor einer feindlichen Übernahme durch ein angeschlagenes".

Für Lötzer ist die SPD-Initiative "richtig, aber nicht ausreichend". Die Linke dränge auf weitergehende Korrekturen des bestehenden Gesetzes, darunter ein "Vetorecht für Betriebsräte und Gewerkschaften" - zudem das "Recht auf einen Tarifvertrag", der Beschäftigungssicherung, Erhalt von Standards und gewerkschaftliche Rechte festschreibe.

Volker Wissing (FDP) bescheinigte der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung, sie sei "weder übernahmefreundlich, noch übernahmefeindlich". Der Vorschlag der SPD "führt dazu, Spekulationen auf immer neue Übernahmepreise anzuheizen", kritisierte er: "Der Gesetzgeber sollte eine solche Casino-Mentalität nicht befördern." Wissing befand: Die "Offenheit für ausländische Investitionen in Deutschland" sei "eine Grundlage für ein erfolgreiches Engagement deutscher Unternehmen im Ausland".

Der FDP-Politiker rief der SPD in Erinnerung, das gegenwärtige Übernahmerecht stamme aus dem Jahr 2001, also der rot-grünen Regierungszeit.

Kerstin Andreae (Grüne) stellte zu dem vom Bundestag an die Ausschüse überwiesenen Gesetzentwurf fest: "Die SPD schürt Erwartungen bei den Beschäftigten von Hochtief, die sie nicht erfüllen kann." Das Übernahmegesetz "schützt die Anleger und Eigentümer und nicht die Arbeitsplätze". Pferdefuß des SPD-Vorstoßes ist für sie, dass es mit neuen Pflichtangeboten für die Aktionäre immer attraktiver wird, ihre Aktien zu verkaufen. Indes: "Die Kosten müssen ja irgendwie erwirtschaftet werden." Dadurch erhöhe sich der "Sanierungsdruck" für die Unternehmen. Freilich wollten die Grünen die SPD-Initiative "positiv aufnehmen", um "den Schutz der Beschäftigten und der Arbeitnehmer zu sichern" - von verbesserter Information für Betriebsräte bis zu Fusionstarifverträgen.