Piwik Webtracking Image

Parlamentarisches Profil : Die Kinderrechtlerin: Katja Dörner

29.11.2010
2023-08-30T11:26:10.7200Z
3 Min

In der Beratungswoche zum Bundeshaushalt geht es traditionell etwas härter zur Sache. Da nutzt die Opposition selbst so vermeintlich weiche Themen wie die Familienpolitik zur Generalabrechnung mit der Regierung. Katja Dörner nahm in diesem Herbst kein Blatt vor den Mund. Die kinder- und familienpolitische Sprecherin der Grünen nannte die Familienpolitik der christlich-liberalen Koalition schlichtweg perfide, zutiefst unsozial und bescheinigte der Regierung ein komplettes Versagen auf diesem Politikfeld. Dem nicht genug: "Sie hetzen die Leute auf, die wenig haben, gegen diejenigen, die noch weniger haben." Von Dörner vernahm man solche harschen Worte bisher eher selten. Sie zeigen vor allem eines: die neue Grünen-Abgeordnete ist angekommen in der politischen Streitkultur der Hauptstadt.

1976 in Siegen geboren, aufgewachsen in einem kleinen, beschaulichen Dorf im Westerwald, waren es nicht die klassisch grünen Motive wie der Umweltschutz oder die Friedensbewegung, die Dörner politisierten. Ihre geordnete Welt mit dem konservativ wählenden Elternhaus erschütterten zu Beginn der 1990er Jahre die rechtsextremistischen Pogrome gegen Ausländer in Hoyerswerda, Rostock und Solingen. Etwa zur selben Zeit verschärfte die damalige christlich-liberale Koalition unter Helmut Kohl das im Grundgesetz verankerte Asylrecht. Ausländern erschwerte dies fortan eine Anerkennung in Deutschland. Aus der Ablehnung der Kohlschen Asylpolitik erwuchs schließlich Dörners politisches Engagement. "Als Jugendliche", erklärt die Grünen-Politikerin, "habe ich gemerkt, dass eine Lücke klafft zwischen den Wertvorstellungen vieler Konservativer und der Art, wie sie dann tatsächlich leben und handeln". Was Dörner in ihrer nächsten Umgebung als Widerspruch empfand, das sah sie in der Asylgesetzgebung der 1990er Jahre im großen Stil verkörpert: christliche Nächstenliebe und ein verschärftes Asylrecht schienen ihr miteinander unvereinbar.

Festes Mitglied bei den Grünen wurde Dörner erst später. Es war der Wahlkampf 1998, das in greifbare Nähe rückende Rot-Grüne-Projekt, das sie endgültig zu den Grünen brachte. Politik schien nun zunehmend auch als möglicher Beruf interessant. Ihr Studium hatte sie bereits in diese Richtung gelenkt: seit 1995 war Dörner an der Universität Bonn für die Fächer Politikwissenschaft und Öffentliches Recht eingeschrieben. Nach ihrem Abschluss Ende 2000 sammelte sie erste Erfahrungen im nordrhein-westfälischen Landtag. Zunächst als persönliche Mitarbeiterin, dann als wissenschaftliche Referentin der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Sylvia Löhrmann, die heute gemeinsam mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die rot-grüne Minderheitsregierung in NRW anführt. Hier kristallisierten sich auch immer deutlicher jene Politikfelder heraus, in denen Dörner sich nun engagiert: die Kinder-, Jugend- und Familienpolitik.

Als Abgeordnete ficht die 34-Jährige für eine Kindergrundsicherung, die "auf das Leben mit Kindern im Allgemeinen und nicht auf das Leben mit Kindern in einer Ehe ausgerichtet sein muss". Dass zudem Kinderrechte ins Grundgesetz gehören, hat sie gleich in ihrer ersten Rede vor dem Parlament im November 2009 deutlich gemacht. Die Schnittmengen unter den Oppositionsfraktionen seien in diesen Punkten groß, betont Dörner. Doch würden die Grünen sich für Kompromisse nicht verbiegen. Kurz vor der NRW-Wahl im Mai 2010, als in den Medien vermehr über ein schwarz-grünes Bündnis nachgedacht wurde, stellte Dörner klar: "Nur weil es rechnerisch ginge, heißt das nicht, dass man es auch machen sollte." Regieren um jeden Preis, das ist nicht ihre Vorstellung von gelungener grüner Politik. Nach der geplanten Verlängerung der Laufzeit für Atomkraftwerke und den Querelen um das Projekt "Stuttgart 21" dürfte ein solches Bündnis ohnehin ferner liegen denn je. Die gängige Unterteilung der Grünen in Fundis und Realos - sie vermag bei Dörner nicht zu greifen. Die Abgeordnete verkörpert vielmehr ein neues Selbstverständnis ihrer Partei: streitbar sein und doch kompromissbereit bleiben. Oder in Dörners Worten gesprochen: "Die Grünen sind eben widerborstig und konstruktiv zugleich."