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Ernüchterung trotz Aufschwungs

WIRTSCHAFT Wirtschaftsminister Brüderle kündigt in der Etatdebatte Steuersenkungen an

29.11.2010
2023-08-30T11:26:10.7200Z
3 Min

Als die Haushälter aller Fraktionen sich Mitte November zur sogenannten "Bereinigungssitzung" trafen, drückten sie den Bundeshaushalt für 2011 noch einmal um 9 Milliarden Euro. Doch nicht alle Ressorts waren von den Kürzungen betroffen. Der Etat von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) stieg in der 16-stündigen Nachtsitzungsogar noch einmal an: Von etwa 6,06 Milliarden Euro auf 6,12 Milliarden Euro.

Dazwischengefunkt

Das liegt vor allem daran, dass mögliche Entschädigungszahlungen für die Leidtragenden der so genannten "digitalen Dividende" von 8 auf 70 Millionen Euro aufgestockt worden sind. Hintergrund ist ein technisches Problem: Wenn Mobilfunkunternehmen neue Frequenzbereiche nutzen, um beispielsweise auf dem Land kabelloses, schnelles Internet anzubieten, könnten die Funkmikrofone von Kultureinrichtungen gestört und müssen ausgetauscht werden. Weil der Bund durch die Versteigerung der Frequenzbereiche Milliarden eingenommen hat, fordern die Länder für ihre Kultureinrichtungen einen angemessenen Ausgleich. Eine Einigung ist bislang nicht in Sicht - weshalb die eingeplanten 70 Millionen Euro zunächst gesperrt sind. Nur der Haushaltsausschuss des Bundestages darf sie freigeben.

Um solche Details ging es in der Debatte zum Wirtschaftsetat am vergangenen Donnerstagvormittag jedoch nur selten. Hauptsächlich nutzten die Abgeordneten die Zeit, um den wirtschaftspolitischen Kurs der Regierung zu loben oder zu kritisieren - oder auch den der Vorgängerregierung. So etwa Garrelt Duin, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Er pries im Rückblick die Leistungen der großen Koalition: Ihre "weisen Entscheidungen" hätten maßgeblich zum aktuellen Aufschwung beigetragen, über den sich auch die SPD "unbändig" freue. Doch die Binnennachfrage bleibe ein Manko; deshalb forderte Duin, gegen Niedriglöhne und den Missbrauch bei Leih- und Zeitarbeit vorzugehen.

In die gleiche Kerbe schlug auch Michael Schlecht, "Chefvolkswirt" der Linksfraktion. Viele Menschen würden trotz Aufschwungs "vollkommen ernüchtert" feststellen, "dass ihr Lohn nach wie vor XS (kleine Kleidergröße Anm. d. Red.) ist". Der Aufschwung sei vor allem Folge steigender Exporte, "weil die Chinesen und US-Amerikaner gigantische Konjunkturprogramme aufgelegt haben". Fritz Kuhn, Wirtschaftsexperte von Bündnis 90/Die Grünen, griff Brüderle direkt an. Dieser sei kein "Wettbewerbsminister": Er habe das angekündigte "Entflechtungsgesetz" für mehr Wettbewerb noch nicht vorgelegt und mit der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke die Stellung von Monopolisten gestärkt.

Elektroautos und CCS

Brüderle ließ sich durch die Attacken nicht aus der Ruhe bringen. Deutschland sei unter Schwarz-Gelb zum "wirtschaftlichen Vorbild" geworden, die Deutschen seien "in Aufschwunglaune", freute er sich. Der Minister bekräftigte sein Ziel, "als Erstes" die Steuern zu vereinfachen. "Noch in dieser Legislaturperiode" sollen die Steuern dann auch gesenkt werden. Gegen beide Forderungen hatte es in letzter Zeit Widerspruch vom Koalitionspartner gegeben.

Die Abgeordneten der Koalition lobten den beschlossenen Wirtschaftsetat. Die FDP-Haushaltspolitikerin Ulrike Flach würdigte die Sparbemühungen: 100 Millionen Subventionen seien abgebaut worden, dafür werde die Elektromobilität von vier Ministerien mit mehr als 100 Millionen Euro gefördert. CDU-Haushaltspolitiker Michael Luther stellte besonders die Förderung des Mittelstandes als Aufgabe des Wirtschaftsministeriums heraus, wofür die Mittel um etwa 25 Prozent aufgestockt worden seien. Auch die Erforschung der Kohlendioxid-Speichertechnologie CCS werde im Haushalt 2011 gefördert.