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Brüssel sucht frisches Geld

EU-HAUSHALT 2011 Europaparlament und Mitgliedstaaten streiten um das neue Budget. Abgeordnete stellen Bedingungen

06.12.2010
2023-08-30T11:26:10.7200Z
4 Min

Noch gibt es Hoffnung, dass die EU vor Jahresende einen Haushalt für 2011 verabschieden wird. Ende November hat die EU-Kommission einen neuen Vorschlag vorgelegt, nach dem die Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und den 27 Mitgliedstaaten zum ersten Mal seit den 1980er Jahren gescheitert waren. An diesem Dienstag werden die Unterhändler zusammenkommen, um über das neue Papier zu beraten. "Wir sollten lieber früher als später eine Lösung erzielen", warnt Parlaments-Präsident Jerzy Buzek: "Keine Entscheidung wäre eine sehr kostspielige Entscheidung."

Unumstritten ist das Volumen des Haushalts 2011, der verglichen zum Vorjahr um 2,9 Prozent auf 126,5 Milliarden Euro steigen soll. Zunächst hatten die Europaabgeordneten ein Plus von 6 Prozent anvisiert. Uneinigkeit herrscht jedoch über drei Forderungen des Parlaments. Die Abgeordneten pochen auf Flexibilität im Haushalt. Bevor der Vertrag von Lissabon in Kraft trat, konnte Geld zwischen Haushaltslinien verschoben werden, wenn eine qualifizierte Mehrheit der Staaten und die Mehrheit der Abgeordneten dies unterstützte. Das Europäische Parlament möchte eine solche Flexibilität wieder einführen und hat offenbar gute Aussichten, sich in diesem Punkt durchzusetzen. Es gibt Anzeichen, dass die Mitgliedstaaten ihre Forderung fallen lassen und Mittel künftig nur bei einer einstimmigen Zustimmung der Mitgliedstaaten verschoben werden könnten.

Die zweite Forderung des Europäischen Parlaments bezieht sich auf die Debatte über den Finanzrahmen der EU im Zeitraum 2014 bis 2020, in die die Abgeordneten frühzeitig miteinbezogen werden wollen. "Wir fordern nichts ein, was nicht im Vertrag von Lissabon durch die Staats- und Regierungschefs festgeschrieben wurde", betont Jutta Haug (SPD), stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Der Vertrag von Lissabon sieht ausdrücklich vor, dass das Europäische Parlament dem mehrjährigen Finanzrahmen zustimmen muss. Die Abgeordneten argumentieren nun, dass die Wahrscheinlichkeit einer Absegnung der Finanzplanung steige, wenn sie von Anfang an in die Verhandlungen der Mitgliedstaaten eingebunden sind und deren Argumentation nachverfolgen können.

Diese zeigen indes wenig Neigung, Abgesandte aus dem Parlament bei ihren Verhandlungen zuzulassen. Bisher war das nie der Fall, allerdings hat der Vertrag von Lissabon die Rechte des Parlaments bei den Haushaltsverhandlungen gestärkt. "Dass die Zeiten des intergouvernementalen Gemauschels mit dem Lissabon-Vertrag vorbei sind, scheinen Teile des Rats nicht akzeptieren zu wollen", sagt Haug.

Streit um Einnahmequellen

Als noch schwerer durchsetzbar dürfte sich bei den Haushaltsverhandlungen die dritte Forderung des Parlaments erweisen: die Debatte über neue Einnahmen für den EU-Haushalt. Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat sich in dieser Frage bereits hinter das Europäische Parlament gestellt. Die Kommission will noch vor Ende Juni 2011 einen Vorschlag zu Eigenmitteln machen.

Die Mitgliedstaaten stehen dem Thema extrem skeptisch gegenüber. Sie befürchten, dass am Schluss eine eigene EU-Steuer eingeführt wird. Die Abgeordneten weisen jedoch darauf hin, dass eine solche Steuer extrem unwahrscheinlich sei, weil sie einstimmig von den Mitgliedstaaten beschlossen werden und anschließend auch noch von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden müsste. Sie dringen vielmehr darauf, die Einnahmenseite des EU-Haushalts gründlich unter die Lupe zu nehmen. Das aktuelle System sei unlogisch und ungerecht, weil Großbritannien einen Nachlass auf seinen Beitrag erhalten habe, woraufhin weitere Staaten einen Nachlass bei der Finanzierung dieses Nachlasses bekamen, argumentieren sie.

Die nationalen Beiträge entsprechend der Wirtschaftsleistung eines jeden Landes sind heute die wichtigste Einnahmequelle des EU-Haushalts. Der Gründungsvertrag der EU, der Vertrag von Rom, sieht jedoch nationale Beiträge nur für eine Übergangszeit vor und schlägt vor, dass die EU Eigenmittel bekommt.

Sollten sich das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten nicht rechtzeitig über die strittigen Punkte einigen, dann wäre der aktuelle Haushalt die Arbeitsgrundlage für das kommende Jahr. Jeweils ein Zwölftel des Haushaltsvolumens würde pro Monat ausgezahlt. Neue Projekte, für die in diesem Jahr keine Mittel eingeplant waren, drohten unter die Räder zu kommen. Betroffen wären etwa die europäische Finanzmarktaufsicht und der europäische Diplomatische Dienst. Auch im Bereich Landwirtschaft würden Komplikationen entstehen. Die Mitgliedstaaten haben Direktzahlungen an Landwirte von insgesamt 30 Milliarden Euro vorgestreckt, die im Januar aus dem EU-Haushalt zurückgezahlt werden sollten. Wenn mit der Zwölftel-Regel gearbeitet würde, dann stünden zunächst zunächst sechs Milliarden Euro zur Verfügung.

Hoffnung auf Einigung

Die Mitgliedstaaten haben nach der Veröffentlichung des neuen Haushaltsvorschlags der Kommission einen Monat Zeit, um über ihre Position zu entscheiden. Anschließend bleiben den Abgeordneten 42 Tage um zuzustimmen. Sie hoffen, dass notfalls die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel am 16. und 17. Dezember zu einem Ergebnis kommen. Sollte es keine Einigung geben, fürchtet EU-Kommissionspräsident Barroso um das Ansehen der Europäischen Union: "Angesichts der Krise, in der wir uns in Europa aktuell befinden, wäre es sehr schwer, den europäischen Bürgern zu erklären, dass wir nicht in der Lage sind, uns auf einen Haushalt zu einigen, der das Symbol eines schlagkräftigen Europas ist."