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Wettstreit der Systeme

Sportgeschichte Fotoausstellung »Ästhetik und Politik« im Bundestag - bis 7.1.11

06.12.2010
2023-08-30T11:26:10.7200Z
2 Min

Hamburg, Volksparkstadion, 22. Juni 1974: Im WM-Vorrundenspiel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik fällt ein Tor. Nur eins, aber nicht irgendeins. Jürgen Sparwasser schießt die DDR-Mannschaft zum 1:0-Sieg gegen den favorisierten "Klassenfeind" und verewigt sich damit in der deutsch-deutschen Sportgeschichte.

Die Fotoausstellung "Ästhetik und Politik - Deutsche Sportfotografie im Kalten Krieg" im Bundestag zeigt diesen und viele andere Momente, in denen nicht nur Sportler gegeneinander antraten: "Es war immer auch ein Wettstreit der Systeme", sagte Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses, bei der Eröffnung am vergangenen Mittwoch im Paul-Löbe-Haus in Berlin. Wenn sie gefragt werde, so Freitag, was den Wert des Sports ausmache, sage sie immer: "Sport verbindet." Doch die Ausstellung zeige das Gegenteil: Sport als Instrument der Abgrenzung. Dazu gehören auch Fotos, die Situationen zeigen, die weniger im kollektiven Gedächtnis geblieben sind als das "Sparwassertor", das die Ausstellungsmacher als "Inbegriff der politischen Aufladung eines deutsch-deutschen Sportereignisses" beschreiben.

So erinnert die Ausstellung an das "Geisterspiel im Ulbricht-Stadion" 1959. Zum ersten Mal treffen an diesem 6. September die Fußballmannschaften beider Länder aufeinander. Nur der Sieger der Begegnung sollte sich für die Olympischen Spiele in Rom qualifizieren. Wegen der bereits im Vorfeld politisch aufgeheizten Stimmung mussten die Zuschauer draußen bleiben. Ein Foto mit ein paar Spielern vor leeren Rängen dokumentiert diesen Moment.

An die Bedeutung der Olympiaden im Kalten Krieg erinnerte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bei der Ausstellungseröffnung. Als Beispiel nannte er den Boykott der Spiele in Moskau 1980 und vier Jahre später in Los Angeles, der "nicht sportlichen, sondern politischen Erwägungen folgte". Lammert würdigte die Auswahl der Bilder als "nicht einäugig". "Die Versuchung zur Instrumentalisierung des Sport und der Fotografie war beiden Systemen anzumerken", sagte Lammert. Die Ausstellung zeige, dass auch und gerade die Sportfotografie sich nicht von der Inanspruchnahme durch politische Interessen fei machen kann.