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Eine Steuer für 200 Jahre

FINANZEN Unterschiedliche Rezepte zur Stabilisierung der Kommunen - FDP will das Gewerbe entlasten

06.12.2010
2023-08-30T11:26:11.7200Z
4 Min

Mit 12 Milliarden Euro in der Kreide, dazu 40 Milliarden Euro an Kassenkrediten: Dass die Lage der Städte und Gemeinden ausgesprochen angespannt ist, darüber herrschte Einigkeit bei der Bundestagsdebatte zu den Kommunalfinanzen am vergangenen Donnerstag. Auch darüber, dass der Bund durchaus seinen Anteil daran hat an der problematischen Situation.

Doch diese Erkenntnis löste gleich ein munteres verbales Pingpong-Spiel aus, welche Koalition denn den Rathäusern höhere Belastungen beschert habe. Vor allem aber ging es um die Frage, wie es denn die Fraktionen mit der Gewerbesteuer hielten.

Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) klagte, die Kommunen stünden "nicht nur mit dem Rücken an der Wand, der Rücken drückt sich immer mehr in die Wand hinein". Scharf ins Gericht ging er mit Überlegungen, die Kommunen einen Teil der Einkommensteuer über Hebesätze selbst festlegen zu lassen. Dadurch werde "der Konflikt zwischen armen und reichen Gemeinden verschärft". Und es entstehe "ein Anreiz zur Schaffung von Steueroasen in Deutschland".

Kühl verband dies mit einem klaren Bekenntnis zur Gewerbesteuer. Sie sei "eine gute Steuer", die "in einer langen Frist die höchsten Erträge" erbringe. Damit hob er auf zwei SPD-Anträge ab, die der Debatte zu Grunde lagen. In einem an die Ausschüsse überwiesenen Antrag (17/3996) wird ge-fordert, die Gewerbesteuer nicht nur zu erhalten, sondern auszubauen. Die so genannte Hinzurechnung von Zinsen sowie Finanzierungsanteilen von Mieten, Pachten und Leasinggebühren müsse noch ausgebaut werden. Schon seit der Einführung 2008 seien Gewinnverlagerungen an Konzernmütter "unattraktiv" geworden. Zudem sollen Freiberufler herangezogen werden. Für sie führe dies "zu keiner unzumutbaren Mehrbelastung, da sie ihre Gewerbesteuerzahlungen grundsätzlich mit ihrer Einkommensteuerschuld verrechnen können". Ein weiterer Antrag mit dem Ziel, einen "Rettungsschirm für Kommunen", aufzuspannen, wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der Linksfraktion abgelehnt (17/1152, 17/4060).

Alte Gewerbesteuer

Bernd Scheelen (SPD) wies darauf hin, dass es die Gewerbesteuer seit 200 Jahren gebe. Und sie werde "auch die nächsten 200 Jahre überdauern".

Peter Götz (CDU/CSU) mochte sich bei einer Zwischenfrage kein uneingeschränktes Ja zur Gewerbesteuer entlocken lassen. Seine Formel: Die Besteuerung wirtschaftlicher Betätigung müsse "auch für die kommunale Seite gelten". Götz zog vom Leder: Es sei von der SPD "scheinheilig", gar "unanständig", sich "jetzt als Retter der Kommunen aufzuspielen". Vielmehr sei die "rot-grüne Regierungspolitik" ausgesprochen "kommunalfeindlich" gewesen. Mit Regierungseintritt der Union sei gegengesteuert worden: "Die Jahre kurz vor der Krise waren die besten Jahre für die Kommunalfinanzen."

Götz redete mehr Eigenverantwortung für die Gemeinden das Wort. Dazu gehört für ihn auch ein Einkommensteuerkorridor, über den sie selbst bestimmen können: "Das hat mit Steueroasen überhaupt nichts zu tun." Die Räte müssten "mehr Möglichkeiten haben, die Heimat zu gestalten".

Bei der Vergangenheitsbewältigung ließ Axel Troost (Die Linke) schlicht Zahlen sprechen: Die rot-grünen Steuerreformen hätten den Gemeinden zwischen 2000 und 2009 mehr als 25 Milliarden Euro Mindereinnahmen beschert. Das eine Jahr Schwarz-Gelb habe sie drei Milliarden Euro gekostet. Sein Fraktionskollege Frank Tempel ging aus kommunaler Sicht an die Sache heran. Die finanziellen Probleme der Rathäuser kämen "auf direktem Weg bei den Bürgern an" - Kürzungen bei Kultur, Bildung, Sozialem. Dies liege sehr häufig an Bundesgesetzen. Er beklagte, dass sich der Unterausschuss Kommunales - ein Anliegen der Linksfraktion - bisher lediglich konstituiert habe. Tempel hielt der schwarz-gelben Koalition vor: "Sie wollen kein Medikament für die kranken Kommunalfinanzen. Sie wollen ein Placebo, um die Patienten ruhig zu halten."

Volker Wissing (FDP) bekundete ohne Wenn und Aber, die Liberalen wollten an der Abschaffung der Gewerbesteuer "eisern festhalten". Er stellte fest: "Die Schönwetteranträge der SPD helfen den Kommunen gar nicht." In den SPD-Papieren sei ohnehin fast nur von Einnahmen die Rede: "Von Aus-gaben wollen Sie gar nicht so viel sprechen." Dabei seien allein 40 Milliarden Euro an Sozialausgaben der Kommunen "unter Rot-Grün entstanden".

Arbeitsplatzverluste?

Wissing nahm für die FDP in Anspruch, bei dem Vorhaben, die Gewerbesteuer zu ersetzen, die Arbeitnehmer "fest im Blick" zu haben. Die Ausweitung der Hinzurechnung werde Arbeitsplätze kosten. Er rief die SPD dazu auf: "Machen Sie Vorschläge, ohne Arbeitsplätze zu gefährden" - und ohne die Koalition mit "Anträgen ohne substantiellen Inhalt bei der Arbeit aufzuhalten".

Eine Formulierung, bei der Britta Haßelmann (Bündnis90/Grüne) gerne den Spieß umdrehte: "Wo ist denn Ihr substantieller Vorschlag in der Sache?", fragte sie spitz zurück. Was die Koalitionsredner vorgetragen hätten, zeige nur, "wie blank Sie beim Thema Kommunen eigentlich sind". Sie blickten allein zurück auf die Maßnahmen, die Rot-Grün 2002 und 2004 getroffen habe.

Für Haßelmann ist die Sache mit dem Recht zum kommunalen Einkommensteuerhebesatz ein "vergiftetes Angebot". Denn in Berlin werde die Regierung verkünden, die Steuern senken zu wollen. Den Hebesatz zu heben, dafür sollten die Politiker vor Ort gerade stehen.